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Stevia: süßer Etikettenschwindel - Raffiniert wie Zucker

, aktualisiert am

Stevia gegen Zucker: Wie natürlich ist der neue Süßstoff tatsächlich, wer braucht ihn und vor allem – wie schmeckt er? Wir haben Stevia-Produkte verkostet und auch gleich ­nachgeschaut, ob in den Produkten tatsächlich drin ist, was außen draufsteht. - Die tabellarische Übersicht zu den einzelnen Stevia-Produkten gibt es nur hier in der Online-Ausgabe nicht aber im Heft.

Sie waren nicht zu übersehen, die riesigen Plakate in Knallfarben samt einprägsamem Text wie z.B. diesem: "Lust auf Eistee mit Stevia-Glycosiden E 960? Nicht alles, was süß ist, ist so natürlich wie Wiener Zucker". Das saß.

Zuckerindustrie schlägt zurück

Selbst der österreichische Werberat runzelte die Stirn und empfahl dem Absender der Botschaft bei der Gestaltung von zukünftigen Werbemaßnahmen eine sensiblere Vorgehensweise, "um Irreführung und Täuschung von Konsumenten zu vermeiden". Damit geht das Match "Zucker gegen Stevia" zielsicher in die nächste Runde.

Natürlichkeit als Verkaufsargument

In unserer Überflussgesellschaft sehnen sich immer mehr Menschen nach naturbelas­senen Lebensmitteln. Wenn man sie auch noch ohne Reue genießen kann, umso besser. ­Stevia erfüllt auf den ersten Blick beides: Die Süße stammt aus den Blättern der Steviapflanze und hat so gut wie keine Kalorien. Nicht von ungefähr wird es daher von vielen Menschen mit den Attributen "natürlich" und "leicht" assoziiert. Ein Eindruck, den ­Industrie und Handel, wann immer es geht, kräftig unterstützen.

Aufwendig, wie die Verarbeitung von Zuckkerrüben

Schaut man genauer hin, relativiert sich das Werbeargument "natürlicher Zuckerersatz". Als Süßungsmittel zugelassen sind nämlich nur die Steviolglykoside, die in einem aufwendigen Prozess aus der buschigen, grünen Steviapflanze herausgelöst werden.

Nur industriell gewonnene Steviolglykoside zugelassen

Und so sieht dieser industrielle Vorgang im Detail aus: Versetzen der getrockneten Stevia­blätter mit Wasser oder Alkohol, Ausfällen der herausgelösten Stoffe mit Salzen, Ent­färben mit speziellen Harzen. Darauf folgen Entsalzung und Kristallisation aus alkoholischer Lösung, bis der eigentliche Süßstoff, die Steviolglykoside, in einem Reinheits- grad von mindestens 95 Prozent vorliegt (bezogen auf die Trockensubstanz des End­produkts).

Das bedeutet, dass das Steviablatt vom Süßstoff ungefähr genauso weit weg ist wie die Zuckerrübe vom Haushaltszucker. Ja, auch beim herkömmlichen Zucker kommen Natur und Natürlichkeit nur in der ­Werbung vor.

Stabilisatoren, Konservierungs- und  Trennmittel

Bei Stevia in Pulver- oder Tablettenform finden sich häufig auch noch Konservierungsmittel wie Kaliumsorbat oder Sorbinsäure, Stabilisatoren wie Alkohol oder Trennmittel in Form von Siliciumdioxid.

Kalorien, Karies, Blutzucker

Nur bedingt empfehlenswert

Um den Süßstoff Stevia zu produzieren – aus Gründen der Lesbarkeit verwenden auch wir hin und wieder salopp diesen ­Begriff statt der fachlich korrekten, aber etwas sperrigen Steviolglykoside –, braucht es einen hohen Energieeinsatz. Der Großteil der Steviolglykoside wird aus China in die EU importiert.

Ohne Kalorien, zahnschonend

Neben der wortreich beschworenen Natürlichkeit tauchen in der Bewerbung von Stevia-Produkten noch drei Argumente auf: "ohne Kalorien", "zahnschonend" und "für Diabe­tiker geeignet". Steviolglykoside liefern tatsächlich keine Energie, und sie ­haben keine Karies fördernde Wirkung.

Zucker, Insulin, Diabetes

Da sie insulin-­unabhängig verstoffwechselt werden, er­höhen sie – anders als Haushaltszucker – den Blutzuckerspiegel nicht. Eine echte ­Alternative sind sie trotzdem nur für Dia­betiker-Typ-1, die Insulin zuführen müssen.

Anders ist die Situation bei Diabetes-mellitus Typ 2. Die Gründe für die Entstehung dieser Krankheit sind vielfältig. Alter, ge­netische ­Anlagen, Übergewicht, Rauchen und Bewegungsarmut werden als Risikofaktoren angesehen. Eine ausgewogene Ernährung in ­Kombination mit ausreichender körperlicher Bewegung sind hier die bessere Wahl, anstatt so weiterzuleben wie bisher und Stevia-­Produkte als "Zucker­ersatz" zu verwenden. (Siehe rechts "Für Diabetiker geeignet?")

Überraschende Zusätze (z.B. Zucker)

Überraschende Zusätze

Ein Produkt als natürlich zu verkaufen, das mit großem technologischem Aufwand hergestellt wird, ist an sich schon überraschend. Noch erstaunlicher, dass dort, wo Stevia draufsteht, sehr oft auch andere Stoffe für Süße sorgen. In 12 von 36 von uns untersuchten Proben steckten weitere Süßungsmittel. Am häufigsten wird hier der Zuckeralkohol Erythrit (Erythritol) verwendet.

Stevia + Zucker

Echt scharf ist vor allem aber ein weiterer Zusatz: Die meisten Kunden greifen zu Stevia-Produkten, um Zucker zu vermeiden. Und was finden wir in gezählten 10 Proben? Zucker! In den allermeisten Fällen kommt er in Form von Fruktose (Fruchtzucker), Laktose (Milchzucker), Apfelsaft oder Apfel­süße zum Einsatz. Soviel nur zur angeblich zuckerfreien Alternative.

Und wer sich seinen Kaffee z.B. mit natreen stevia in Pulverform süßen möchte: Dieses Produkt besteht zum Großteil aus Malto­dextrin, einer Mischung aus Malz- und ­Traubenzucker. Der Anteil an Steviolglyko­siden beträgt gerade einmal mickrige drei Prozent. Als Füllstoff ist Maltodextrin selbstverständlich nicht kalorienfrei, sondern bringt 378 kcal/100 g auf die Waage.

Zutatenliste genau studieren

Hier heißt es also doppelt aufpassen: Überall dort, wo Stevia draufsteht, kann also auch Zucker oder ein anderes Süßungsmittel ­enthalten sein. Was weiter bedeutet, dass Produkte mit Stevia wesentlich mehr Kalo­rien enthalten können, als vermutet. Am ­genauen Studium der Zutatenliste führt ­daher kein Weg vorbei.

Wie Stevia schmeckt

Wie Stevia schmeckt

Schon lange wird gemunkelt, dass der neue Süßstoff nicht sonderlich gut schmeckt. Wir machten die Probe aufs Exempel und ließen mit Steviolglykosiden gesüßtes Tomatenketchup, Erdbeerjoghurt, eine Molke und ­einen Birne-Melisse-Saft, Vanille­eis, einen Multivitamin-Sirup, Milchschoko­lade und Süßstofftabletten zum Geschmackstest antreten.

Die Laienverkoster, Männer wie ­Frauen, beurteilten Geruch, Geschmack, Aussehen und Konsistenz der einzelnen Produkte und verglichen sie mit einem jeweils ähnlichen, das mit Zucker gesüßt war.

Stevia schnitt schlechter ab

Über alle Produktgruppen hinweg schnitten mit Stevia gesüßte Proben etwas schlechter ab als solche mit Zucker. Einzige Ausnahme: Das Stevia-Joghurt kam bei den Testern ­besser an als die gezuckerte Konkurrenz. Die Hälfte der Verkoster würde das Produkt auch selbst kaufen. Am anderen Ende der Geschmacksbewertung liegt ein Stevia-Sirup, den sich gerade einmal drei Prozent unserer Testerinnen und Tester in den Einkaufs­wagen legen würden.

Und was Schokolade mit Steviolglykosiden anlangt: Hier waren die Verkostungsurteile ein einziges Desaster. Diese Schokolade hat im Vergleich mit einem herkömmlichen Produkt am schlechtesten abgeschnitten. (Da wir nur eine Auswahl an Stevia-Produkten verkostet haben, veröffentlich wir diesmal auch keine Tabelle mit Geschmacksurteilen.)

Verpackungen: Schonfrist für Kennzeichnung bis 2013

Verpackungen in Arbeit

Mindestens so interessant wie den Geschmack von Stevia-Produkten fanden wir auch ihre Kennzeichnung. Da die Zulassung des neuen Süßstoffs vor allem Werbetexter zu immer neuen sprachlichen Höhenflügen anregte, trat vor einigen Monaten der Gesetzgeber auf den Plan, damit die Sache nicht vollkommen unübersichtlich wird.

Mit der Leitlinie des österreichischen Gesundheitsministeriums vom Juni 2012 "über die täuschungsfreie Kennzeichnung von Lebens­mitteln, die mit dem Zusatzstoff Steviolglykoside (E 960) gesüßt sind", gibt es inzwischen eigene Begriffs-Listen. In ihnen ist festgehalten, welche Angaben die Konsumenten täuschen können und welche nicht.

Korrekte Bezeichnungen

Korrekt wäre die Bezeichnung "gesüßt mit Steviolglykosiden" oder "mit Steviolglyko­siden aus pflanzlicher Quelle", aber auch "mit Süßstoff Steviolglykoside aus Stevia", um nur einige Beispiele zu nennen. Blumige Formulierungen wie etwa "mit Stevia" oder "natürlich gesüßt" entsprechen dagegen nicht den Vorgaben.

Schonfrist bis 2013

Dass es hier für die Hersteller einiges zu tun gibt, zeigt das Ergebnis unserer Unter­suchung. Die meisten der am Markt befind­lichen Produkte haben Auslobungen, die der neuen Leitlinie widersprechen. Allerdings muss man fairerweise dazu sagen: Wir analysierten zu einem Zeitpunkt, als die aktuellen Bestimmungen eben erst publiziert wurden. Den Produzenten blieb daher kaum Zeit zur Umstellung ihrer Verpackungen, oder sie waren gerade mit einem Neudruck ihrer ­Etiketten beschäftigt.

Nach einer Schonfrist wird es daher erst 2013 von Amts wegen eine Schwerpunktaktion geben, bei der die dann am Markt befindlichen Stevia-Produkte ­unter die Lupe genommen werden.

Unzulässige Anpreisungen

Unzulässige Anpreisungen

Nachfolgend einige Beispiele, mit welchen Werbebotschaften die Stevia-Verkäufer derzeit noch unterwegs sind. Fast alle Anpreisungen sind aufgrund der inzwischen geänderten gesetzlichen Bestimmungen unzulässig. An neuen, den Vorschriften entsprechenden Verpackungen wird mit Hochdruck gearbeitet. 

Spar Vital Stevia-Eis mit Vanille (Bild: K.Schreiner)      Billa Aqua Stevia Birne Melisse (Bild: K.Schreiner)
Bald Geschichte. "Mit der Süße aus Stevia" und das in Kombination mit einem hübschen grünen Blatt – solche Anpreisungen gehören spätestens 2013 der Vergangenheit an. Konsumenten könnten dadurch getäuscht werden, da hier so getan wird, als würde die Pflanze selbst zum Süßen eingesetzt.   Nicht wirklich natürlich. "Süßes aus natürlicher Quelle" – eine ziemliche Übertreibung angesichts der Tatsache, dass der zugelassene Süßstoff in einem aufwendigen technologischen Prozess erzeugt wird. Mit Natur hat das Endprodukt kaum noch etwas zu tun.
 
Nöm Fasten Rote Früchte mit Stevia gesüsst (Bild: K.Schreiner)
   
Felix Ketchup mit Stevia (Bild: K.Schreiner)
Auslaufmodell. Auch nöm setzt beim Molke Drink auf das grüne Blatt und verkündet dazu noch: "Mit Stevia gesüßt". Diese Auslobung hat ebenfalls ein Ablaufdatum, da sie Konsumenten vormacht, die Süße für die Molke würde direkt aus der Steviapflanze kommen, was nicht stimmt.   Wirklich pflanzlich? Dieses Tomatenketchup wird "mit der Süße aus Stevia" angeboten – schön wäre es! Dazu findet sich auf der Verpackung der Extrahinweis des Herstellers "pflanzliche Süße". Laut der neuen EU-Leitlinie ist diese Formulierung unzulässig.

Sonnentor Wundersüss Stevia rebaudiana Bertoni (Bild: K.Schreiner)
 
Natreen Stevia Pulver (Bild: K.Schreiner) 
Zu heiß gebadet. Eine Frau in einer Teeschale und der Vermerk "Stevia rebaudiana Bertoni". Doch die damit angesprochene Steviapflanze ist in der EU nicht für Lebensmittel zugelassen. Zum Glück gibt es ein Schlupfloch. Das Produkt wird als Badezusatz verkauft – abgefüllt in Teebeutel! Geht’s noch?      Verschwindend gering. "Mit dem Süßstoff aus der Stevia-Pflanze" wirbt Natreen Stevia. Diese Auslobung passt. Was weniger passt: Im Produkt selbst stecken gerade einmal 3 Prozent davon. Einen auf Stevia machen und hauptsächlich Füllstoff verkaufen – auch so kann man Kunden täuschen.

Tabelle: Stevia-Süßungsmittel

Tabelle: Stevia-Milchprodukte

Tabelle: Stevia-Getränke

Tabelle: Stevia-Tee

Tabelle: Sonstige Stevia-Produkte

Besonderer Strauch

Steviapflanzenanbau (Bild: casadaphoto/Shutterstock.com)Die Steviapflanze (Stevia rebaudiana Bertoni), auch Süßblatt oder Honigkraut genannt, stammt ursprünglich aus dem Hochland im Grenzgebiet zwischen Paraguay und ­Brasilien. Sie wächst strauchförmig und wird in ihrer Wildform zwischen 30 und 60 cm hoch. Moderne Zuchtformen erreichen bis zu einem Meter Höhe. In Gegenden mit moderatem Klima ohne Frost wird Stevia vier bis sechs Jahre alt und kann mehrmals im Jahr geerntet werden.

Anbau in China

Die begehrten Steviolglykoside befinden sich in den Blättern. Die zwei wichtigsten Verbindungen sind hier Steviosid (lakritzartiger und bitterer Beigeschmack) und Rebaudiosid A (angenehm süß). Ausreichender Niederschlag, Sonnenstunden und Bodenbeschaffenheit entscheiden auch hier über den Ertrag. Rund 80 bis 90 Prozent der weltweiten Anbau­flächen befinden sich derzeit in China.

Maximal zulässige Tagesdosis

Nach heftigen Auseinandersetzungen sind seit Dezember 2011 Steviolglykoside in der Europäischen Union als Zusatzstoff E 960 in Lebensmitteln erlaubt. Um gesundheitliche Risiken auszuschließen, gibt es für sie einen sogenannten ADI Wert (acceptable daily intake). Diese maximal zulässige Tagesdosis hat die europäische Lebensmittelbehörde EFSA (European Food Safety Authority) mit 4 mg Stevioläquivalente pro Kilogramm ­Körpergewicht und Tag festgelegt. Das entspricht in etwa 11 mg Steviolglykosiden (je nach Zusammensetzung).

770 mg Steviolglykoside = 231 g Zucker

Zum besseren Verständnis ein Beispiel: Jemand mit einem Körpergewicht von etwa 70 kg kann jeden Tag 770 mg Steviolglykoside zu sich nehmen. Das entspricht umgerechnet in etwa 231 g Zucker.

Da die festgelegten Werte nach Ansicht der EFSA sowohl von Erwachsenen als auch von Kindern leicht überschritten werden können, sollten mit Steviolgykosiden gesüßte Lebensmittel nur sparsam verzehrt werden.

Steviapflanze: ohne Zulassung

Steviapflanze: die Pflanze selbst ist in der EU nicht zugelassen.  Trotzdem findet man sie in diversen Blumenfachgeschäften. Mit dem Hinweis Anders als die Steviolglykoside ist die Steviapflanze selbst in der EU nach wie vor nicht zugelassen. Trotzdem findet man sie in diversen Blumenfachgeschäften. Mit dem Hinweis "nicht zum Verzehr geeignet" sichern sich die Händler ab.

Vielen Konsumenten ist schleierhaft, warum es hierzulande Beschränkungen für eine Pflanze gibt, die in anderen Ländern seit langer Zeit traditionell verwendet wird. Dazu ist zu sagen:

- Niemand weiß genau, inwieweit sich heutige Züch­tungen in Sachen Inhaltsstoffe von den Wildpflanzen unterscheiden.

- Die Ernährungsgewohnheiten und der Lebensstil in fernen Ländern sind garantiert andere als bei uns, wo Limonaden in Großpackungen aus dem Kühlschrank kommen und süße Snacks tägliche Begleiter sind.

- Selbst in Paraguay waren bis 2005 die Blätter der Steviapflanze nicht als Lebens-, sondern nur als Arzneimittel zugelassen.

Zucker, Zuckeraustauschstoffe, Süßstoffe

Zucker: Dieser Stoff hat inzwischen ein schlechtes Image. Er liefert, so der Vorwurf, weder Vitamine noch Mineral- oder Ballaststoffe, dafür aber 4 kcal pro Gramm, die nicht satt machen ("leere Kalorien"). Wer oft und viel davon nascht, muss mit Karies, Übergewicht und Stoffwechselkrankheiten rechnen.

Manche Lebensmittel schmecken mit Zucker besser, weil sich Aromastoffe gut entwickeln können. Er ist daher in vielen Süßspeisen und Gebäcken ein unentbehrliches Süßungsmittel. Außerdem sorgt er als Masse gebender Teigbestandteil für "Körper" in Kuchen und Gebäck.

Zuckeraustauschstoffe: Wie unsere Untersuchung zeigt, enthalten viele Produkte nicht nur Steviolglykoside. Am häufigsten fanden wir Erythrit, einen Zuckeralkohol. Zuckeraustauschstoffe haben nur einen leichten Einfluss auf die Kariesentstehung und werden (ausgenommen Maltit) im menschlichen Körper ohne Insulin verwertet. Sie sind aber nicht kalorienfrei, sondern liefern zwischen 2 und 4 kcal pro Gramm.

Da Zuckeraustauschstoffe im Darm Wasser binden, können sie abführend wirken. Enthalten Produkte mehr als 10 Prozent dieser Stoffe, müssen sie mit dem Hinweis "Kann bei über­mäßigem Verzehr abführend wirken" versehen sein.

Süßstoffe: Darunter versteht man natürliche oder synthetische Verbindungen mit enormer Süßkraft. Sie werden daher nur in kleinsten Mengen Lebensmitteln beigemengt. Zu den in der EU zugelassenen Süßstoffen zählen etwa Saccharin (E 954),  Aspartam (E 951) oder Cyclamat (E 952). Seit Dezember 2011 gehören auch die Steviolglykoside (E 960) dazu.

Süßstoffe enthalten keine oder kaum Kalorien und verursachen keine Karies. Sie sind so wie die Zuckeraustauschstoffe ebenfalls für Diabetiker geeignet. Auch wenn es wissenschaftlich noch nicht hundertprozentig geklärt ist: Es gibt Hinweise, dass Menschen, die Süßstoffe statt Zucker ­verwenden, ein höheres Risiko haben, übergewichtig zu werden. Vermutet wird, dass Süßstoffe dem Gehirn signalisieren, dass es Nachschub an Glukose, also Zucker gibt. Da dieser aber ausbleibt, reagiert das Gehirn verwirrt. Es sendet Hungersignale aus und fordert Nahrung ein. Der verhängnisvolle Kreislauf beginnt.

Für Diabetiker geeignet?

Die Deutsche Diabetes-Hilfe kann Stevia-Produkte nur bedingt empfehlen. Nach Ansicht der Experten sind Getränke und Lebensmittel, die mit Steviolglykosiden gesüßt werden, nicht automatisch gesünder. Wie bei Produkten mit herkömmlichen Süßstoffen darf bei ­Konsumenten nicht der Eindruck entstehen, dass derartige Lebensmittel unbedenklich konsumiert werden können.

Sparsamer Verzehr empfohlen

Menschen mit Diabetes mellitus sollten Kuchen und andere Süßigkeiten generell nur in geringen Mengen verzehren, unabhängig davon, ob in ihnen Stevia, ein anderer Süßstoff oder Haushaltszucker steckt. Grundsätzlich wird ein sparsamer Einsatz von Süßstoffen emp­fohlen, um das Verlangen nach Süßem langfristig zu senken.

Zusammenfassung

  • Gut. Anders als Zucker liefert Stevia kaum Kalorien, schont die Zähne und beeinflusst den Blutzuckerspiegel nicht.
  • Nicht übertreiben. Mit Stevia gesüßte Produkte sparsam verzehren. Bislang weiß niemand, welche Auswirkungen eine chronische Überdosierung des Süßstoffs bewirkt. Studien dazu fehlen noch.
  • Mehr drin. Wo Stevia draufsteht, können auch andere Süßungsmittel oder sogar Zucker drin sein. Die Auslobungen auf den Produkten suggerieren häufig Natürlichkeit, die nicht den Tatsachen entspricht. Daher immer genau auf die Zutaten­liste achten.
  • Kein Ersatz. Anders als Zucker hat Stevia keine konservierenden Eigenschaften. Zum Einkochen ist es daher nur bedingt geeignet. Beim Backen bräunt es nicht, und es fehlt ihm auch das für Teige nötige Volumen.

Leserreaktionen

Sicht eines Herstellers

  1. Sie erwähnen nicht, welche Krankheiten durch den übermäßigen Verzehr von Zucker entstehen können (übergewichtige Schulkinder, adipöse Erwachsene und Diabetiker). Es gibt keinerlei Hinweise, dass sich ein überhöhter Stevia-Konsum auf die Gesundheit auswirkt. In Fernost ist Stevia bereits seit 70 Jahren im Einsatz.
  2. Steviolglycoside sind etwa 300-mal süßer als Zucker und gerade deshalb müssen Hilfsmittel herangezogen werden. Die Verwendung von reinen Steviolglycosiden wäre für den Konsumenten aufgrund der hohen Süßkraft nicht praktikabel. Schon eine Messerspitze reicht, um den Tee ungenießbar süß werden zu lassen. Wir legen großen Wert auf Hilfsmittel natürlichen Ursprungs. Deshalb verwenden wir Erythritol. Dieser Zuckeralkohol wird aus Maisstärke fermentiert und weist keine Kalorien auf; daher haben unsere Natusweet-Kristalle keine verwertbaren Kalorien.
  3. Sie geben in Ihren Artikel an, dass eine Person mit 70 kg in etwa 770 mg Steviolglycoside zu sich nehmen kann. Das entspricht 231 g Zucker. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine Obergrenze von 50 bis 60 Gramm Zucker pro Person und Tag. Das entspricht ca. 21 kg Zucker pro Jahr und Person. Der Europäer konsumiert durchschnittlich 38 kg Weißzucker pro Jahr. Das sind 17 kg über der empfohlenen Menge, das entspricht 68.000 kcal. Die gesundheitlichen Folgen des erhöhten Zuckerkonsums sind ja bekannt.

Reisenberger GmbH
Perchtoldsdorf
(aus KONSUMENT 11/2012)

Unser Artikel behandelte Stevia bzw. Steviolglycoside, daher haben wir das Thema Zucker und diverse Erkrankungen nur in geringem Ausmaß thematisiert. Wir raten zu einem sparsamen Verzehr von mit Stevia gesüßten Produkten, da zum einen Studien zu chronischer Überdosierung fehlen, zum anderen sollten auch mit Stevia gesüßte Produkte nur in Maßen verzehrt werden. Es soll beim Konsumenten nicht der Eindruck erweckt werden, dass Limonaden, Kuchen oder sonstige Süßspeisen unbedenklich verzehrt werden können, nur weil sie mit Stevia gesüßt sind (das gilt vor allem für Diabetiker).

Wir haben in unserem Artikel den Fokus auf die Hilfsmittel gelegt, die bei Stevia-Produkten eingesetzt werden, weil vielen Konsumenten nicht bewusst ist, dass solche verwendet werden müssen. Auch beim Verzehr größerer Mengen an Zuckeralkoholen kann es bei empfindlichen Menschen zu Durchfällen, Bauchschmerzen und Blähungen kommen. Da Zuckeralkohole in vielen Lebensmitteln eingesetzt werden, besteht diese Gefahr besonders für Kinder. Diese Nebenwirkungen sind bei Erythrit zwar deutlich geringer als bei anderen Zuckeralkoholen, trotzdem müssen Konsumenten dahingehend informiert werden.

Eine Reduktion der Zuckeraufnahme ist auch in unserem Sinne. Dies sollte jedoch vorwiegend durch eine gesunde Mischkost erfolgen und nicht durch den Ersatz/teilweisen Ersatz von Zucker durch Stevia. Es sollte auf den Verpackungen auch deutlich auf den teilweisen Ersatz hingewiesen werden. Da die überhöhte Aufnahme von Süßstoffen zu einer Gewöhnung an den Süßgeschmack bzw. zu einer erhöhten Kalorienaufnahme führen kann, wird von einem übermäßigen Verzehr abgeraten. Generell haben Zucker, Zuckeraustauschstoffe und auch Süßstoffe wie Stevia ihren berechtigten Platz in einer ausgewogenen Mischkost.

Die Redaktion

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