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Online-Shopping: "do it fair" - Portal für nachhaltige Produkte

Petra Etzelstorfer ist eine Hälfte des Gründerduos von Doitfair. Gemeinsam mit Judith List hat sie Anfang 2020 die Online-Plattform für nachhaltige und faire Produkte ins Leben gerufen. 

Bilder: Giamportone, faithie / shutterstock; Montage: VKI

Wie sind Sie auf die Idee eines "fairen Online-Kaufhauses" gekommen, wie es auf der Website heißt?
Ich habe vor einigen Jahren mit einem eigenen Label für Tragetücher und faire Bekleidung begonnen. Das ergab sich aus meiner dama­ligen Tätigkeit als Familienbegleiterin und Trageberaterin. 2018 habe ich meine Marke "Wiener Label" gelauncht und im selben Jahr die Bloggerin Judith List getroffen. Uns war relativ schnell klar, dass wir gemeinsam etwas machen wollen. Da wir sehr gut vernetzt sind, haben wir im Laufe der Zeit viele Anfragen bekommen, Produkte auf unserer Website online zu stellen. Daraus resultierte die Idee, eine Plattform für regionale und nachhaltige Produkte zu bieten. Meine Marketing-Ausbildung hat mir dabei geholfen. Zurzeit arbeiten wir mit über 100 Produzenten mit ca. 600 Produkten zusammen, und es werden laufend mehr. 

Petra Etzelstorfer (Foto: Alexandra Konstantinoudi/V-Light Media e.U.)Was unterscheidet Doitfair von anderen Onlineplattformen?
Wir ver­stehen uns nicht als reiner Onlineshop, sondern auch als Unterstützungsplattform, auf der Produzenten und Dienstleister wie Coaches, Physiotherapeuten oder Foto­grafen die Gelegenheit bekommen, sich vorzustellen. Auch Influencer – also bekannte Persönlichkeiten, die für Nachhaltigkeit stehen – und Händler sollen hier zusammengebracht werden. Nicht zuletzt sehen wir uns auch als Wissensbotschafter und Aufklärer rund um das Thema Konsum. 

Was ist damit gemeint?
Wir wollen Bewusstsein dafür schaffen, warum wir so viel konsumieren. Brauche ich wirklich 25 Jeans zu 30 Euro oder leiste ich mir drei, die mehr kosten und dafür nachhaltig produziert sind? Wir werfen die Frage auf, ob wir mit unserem Konsumverhalten etwas kompensieren, zeigen Zusammenhänge zwischen Konsum und Psychologie auf. Dazu gibt es einen Blog, den wir nach und nach mit ­Inhalten füllen. Man kann sich fragen, ob es gesund ist, immer alles sofort und mit einem Klick zu bekommen – oder ob es nicht besser wäre, wieder Zeit zu haben, sich zu fragen, brauche ich das jetzt wirklich? Meine Großeltern sind 1956 von Ungarn nach Österreich gekommen. Für sie ist es heute noch etwas Besonderes, eine Orange oder Banane zu essen. Sie haben hier ein Damenmodengeschäft aufgebaut, doch mit dem Aufkommen von großen Kaufhäusern wie Gerngross oder Herzmansky hatten kleine Läden keine Chance mehr. Wir wollen sowohl große als auch kleine Anbieter ins Boot holen und ­eine Plattform bieten – daher auch die Bezeichnung Online-„Kaufhaus“. Unser Fokus liegt aber auf EPU (Ein-Personen-Unter­nehmen) sowie KMU (kleinen und mittleren Unternehmen). 

Nachhaltige Produkte sind meist teurer als konventionell hergestellte. Gerade jetzt müssen viele Menschen aber sparen.
Nicht nachhaltige Produkte sind teuer, sondern Billigprodukte sind zu billig! Wie kann es sein, dass ich einen ­Mantel bei einer großen Kaufhauskette um 70 Euro bekomme, der im Sale nur noch 20 Euro kostet und trotzdem ist immer noch eine Marge drin? Wie geht sich das aus? Wir sind der Meinung, dass es dazu mehr Informationskampagnen bräuchte. Konsum und Korruption ist ein Thema, bei dem man sich, wenn man etwas Faires ­aufbauen möchte, gänzlich machtlos fühlt. Wie kann es sein, dass eine große Online-Plattform wie Amazon keine oder kaum Steuern zahlen muss? 

Stichwort Amazon: Ihr erklärtes Ziel ist es, eine nachhaltige Alternative zum Online-Riesen zu bieten. Ist das nicht sehr ambitioniert?
Tat­sache ist, dass es für viele Produkte bereits ­Online-Anbieter gibt, z.B. am Elektronikmarkt. Wir werden wahrscheinlich auch keine Autoreifen auf unserer Plattform ­anbieten. Die Frage lautet immer: Was brauchen die Leute wirklich? Ich muss nicht das Rad neu erfinden. Dennoch wollen wir auch global tätig sein, dafür gibt es einen Zehn-Jahres-Plan. Jeder hat schließlich einmal klein begonnen. 

Rot-weiß-rote Onlineplattformen:

Corona, CO2-Emissionen, ...

Worin unterscheiden Sie sich noch von anderen Online-Anbietern?
Die Zusteller der großen Versandhäuser und Paketdienste haben die höchste Herzinfarkt­rate. Sie sind provisionsbeteiligt, was bedeutet: Wenn sie nicht alle Päckchen schaffen, wird ihnen etwas vom Gehalt abgezogen. Bei uns werden Zusteller fair bezahlt; das heißt, wir haben kein "versandkostenfrei". Wenn wir dadurch einen Wettbewerbsnachteil haben sollten – was ich nicht ­glaube –, werden wir uns dagegen wehren. Wir arbeiten mit einer Logistikfirma zusammen, die uns ein kostengünstiges Logistikpaket zur Verfügung stellt. 

Weitere Nachteile des Online-Handels sind hohe CO2-Emissionen durch den Transport, durch Rücksendungen und Massen an Verpackungsmaterial. Wie gehen Sie damit um?
Bei meinem eigenen Label habe ich mit der niederösterreichischen Frottierweberei Wirtex zusammengearbeitet und statt Papier Geschirrtücher als Verpackung verwendet. Produzenten, die mit uns zusammenarbeiten, müssen einen Code of Fairness unterzeichnen, an dem wir regelmäßig arbeiten. Das bedeutet, dass jeder in der Wertschöpfungskette am Produktionsprozess fair beteiligt ist. Die Produkte dürfen natürlich auch außerhalb Österreichs fair produziert werden. 

Wie überprüfen Sie, dass alle angebotenen Produkte tatsächlich nachhaltig und fair produziert sind?
Die meisten Marken gehen über meinen Tisch und wir recherchieren sehr viel. Ich kenne selbst viele Brands und bin in der Branche gut ­vernetzt. Zudem haben wir einen tollen ­Sales-Manager, der die Marken kontaktiert und auch stichprobenartige Kontrollen durchführt. Wichtig ist uns, Menschen prin­zipiell zu vertrauen. Auch früher gab es bei Geschäften einen Vertrauensvorschuss. Heute wollen wir alles kontrollieren und brauchen für alles ein Gütesiegel. Es ist jedoch bekannt, dass nicht jedes Gütesiegel vertrauenswürdig ist – und nicht jedes kleine Unternehmen kann sich eine Zertifizierung leisten. Vor allem jetzt, wo Märkte dezimiert werden und weniger Messen stattfinden. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass uns jemand hinters Licht führt, wir gehen aber grundsätzlich vom Guten im Menschen aus und nicht vom Negativen. Gerade jetzt müssen wir zusammenhalten und den großen Konzernen etwas entgegensetzen. 

Wie hat sich die Corona-Krise auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?
Der Lockdown hat gezeigt, dass online gefragt ist, aber auch, dass reiner Online-Handel nicht möglich ist. Es gibt noch Menschen, die das, was sie kaufen, sehen, hören und spüren wollen. Unser Ziel ist es, On- und Offline-Handel zu verbinden. Wir planen für nächstes Jahr einen Flagship-Store, wo unsere Händler die Möglichkeit haben, ihre Produkte anzubieten. Gerade jetzt gibt es große Existenzängste bei den Unternehmen und die Angst vor dem Umsatzverlust, der noch kommen wird. Jeder Cent wird gespart. Wir wissen, dass erst nächstes Jahr die vollen wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona sichtbar sein werden und wir wollen den Produzenten gerade vor Weihnachten Angst nehmen. 

Wie gelingt Ihnen das?
Wir wollen weg von Fixkosten hin zu Provisionskosten. Von 1.10.2020 bis 31.03.2021 bieten wir ein ­super faires Paket an, da wir in dieser schwierigen Zeit EPU und KMU unterstützen möchten. Keine Listinggebühr, keine monatliche Gebühr, ausschließlich Verkaufsprovision und Transaktionskosten bei Kauf.

Wie gehen Sie selbst mit den unsicheren Zeiten um?
Wir sind gerade auf Spon­soren- und Investorensuche und haben um Förderungen eingereicht. Es verschiebt sich gerade alles, vielen wird der Boden unter den Füßen weggerissen. Aber es kommt ein fruchtbarer Boden nach und den können wir mitgestalten. Wir können uns nicht in dem "Wir sind so arm" suhlen, das geht nicht, wir haben eine Verantwortung gegenüber der nächsten Generation. Natürlich ist es nicht immer leicht. Auch wir haben Tage, an denen wir denken, wie soll sich das aus­gehen? Aber das große Ziel kennen wir, und unser Vision Board und Mindset unterstützt uns. Wir wissen auch, dass der Bedarf da ist. Manche denken sich vielleicht, die haben ja einen Vollpascher, und ja, ich glaube, dass man einen Vollpascher haben muss, um so etwas umzusetzen. Wir brauchen alle ein bisschen mehr Risikofreude. 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dass Produzenten, Händler und Käufer an unsere Vision glauben und uns einen Vertrauensvorschuss geben. Unsere Vision ist es, alle Menschen, die jetzt umdenken, aufzufangen – mit einem ehrlichen Verständnis für alle da draußen, das von Herzen kommt. 

Und was ist das Schlimmste, das passieren könnte?
Das habe ich nicht im Kopf. Plan B kann ich immer noch machen.

Buchtipp: Zukunft wird mit Mut gemacht

Klimawandel, Umweltzerstörung, Artensterben – zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass wir nicht mehr viel Zeit haben, das Ruder herum­zureißen. Als Grundübel für den Zustand unseres Planeten gilt unser ausbeuterisches Wirtschaftssystem, das weiterhin grenzenloses Wachstum predigt – auf Kosten der Umwelt und von Arbeitskräften in den Herstellerländern.
Leistungs- und Ellbogendenken

Nachhaltiger Konsum und Lebensstil werden nicht ausreichen, um die Welt zu retten. Was also ist zu tun? Dieses Buch will aufrütteln und mobilisieren. Es zeigt auf, was schiefläuft in unserer Gesellschaft, aber auch welche Möglichkeiten es gibt, Teil des dringend notwendigen Wandels zu werden.

Aus dem Inhalt

  • Nackte Tatsachen
  • Nachhaltigkeit ad absurdum geführt
  • Shoppst du noch oder lebst du schon?
  • Schmeckt nicht? Weg damit!
  • Alles im Wandel
  • Alternative Modelle
  • Achtsamkeit oder: eins mit der Natur
  • Die Zukunft beginnt jetzt
  • Helden des Alltags: Lehrer

144 Seiten, 19,90 € + Versand

 

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