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Erbrecht - Aus dem Leben gegriffen

Die einen möchten sicherstellen, dass das, was sie ein Leben lang erarbeitet haben, in die richtigen Hände kommt, andere möchten ihre Lieben absichern, und wieder andere sorgen sich, ob das Familienvermögen wohl auch in der Familie bleibt. Wir geben Ihnen Antwort auf Fragen aus der Praxis.

Ich habe drei mittlerweile volljährige Kinder aus einer geschiedenen Ehe, mit meiner neuen Lebensgefährtin zwei weitere. Wie ist die erbrechtliche Situation, wenn mir etwas zustößt?

Nach dem gesetzlichen Erbrecht erben alle Ihre Kinder zu gleichen Teilen. Eheliche und uneheliche Kinder sind vor dem Gesetz gleich gestellt. Bei fünf Kindern erhält jedes anteilsmäßig ein Fünftel Ihrer Hinterlassenschaft. Ihre Lebensgefährtin erbt nach dem gesetz­lichen Erbrecht nichts.

Möchten Sie Regelungen abseits der gesetzlichen Erbfolge treffen, etwa auch Ihre Lebensgefährtin bedenken, so müssen Sie aktiv ­werden und das mit einem Testament regeln. Sollten Sie doch noch heiraten, dann steht der Witwe ein Drittel des Nachlasses zu, die Kinder teilen die übrigen zwei Drittel zu gleichen Teilen untereinander auf.

Mein betagter Vater wird von einer ­Pflegerin versorgt und hat anklingen ­lassen, sie als Alleinerbin einzusetzen. Hieße das, dass ich gar nichts bekomme?

Auch wenn Ihr Vater sich das vielleicht so vorstellt: Nein. Pflichtteilberechtigten Per­sonen steht wertmäßig die Hälfte dessen zu, was ihnen sonst nach der gesetzlichen Erb­folge zustände. Pflichtteilberechtigt sind Ehegatten oder eingetragene Partner, Kinder beziehungsweise deren Nachkommen sowie bei Todesfällen vor dem 1.1.2017 auch die Eltern, sofern es keine anderen Pflichtteilsberechtigten gibt. Der Pflichtteil ist in bar auszuzahlen.

Sind Sie das einzige Kind und es gibt sonst ­keine Pflichtteilberechtigten, stünde Ihnen ­ohne Testament die gesamte Verlassenschaft zu. Setzt Ihr Vater die Pflegerin als Alleinerbin ein, fällt Ihnen also die Hälfte der Verlassenschaft zu. Hinterlässt Ihr Vater beispielsweise ein Haus im Wert von 200.000 Euro, so muss die Pflegerin Ihnen 100.000 Euro auszahlen. Anspruch auf einen Anteil des Hauses selber haben Sie nicht. Ist das Haus verschuldet, ­werden von den 200.000 zuerst die Schulden abgezogen und Ihr Anteil ist entsprechend kleiner.

Testamentsanfechtung, Erbantritt

Unsere demente Mutter hat ihr gesamtes Vermögen per Testament einem Tierheim übertragen. Wir bezweifeln sehr, dass sie dabei noch im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten war. Gibt es eine Möglichkeit, das Testament anzufechten?

Grundsätzlich kann ein Testament nur gültig errichten, wer testierfähig ist, nämlich über 18 Jahre alt und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Der Umkehrschluss ist, dass Testa­mente, die nicht testierfähige Personen ­errichtet haben, nicht gültig sind. Ganz so ­einfach ist es aber nicht, denn Personen, die unter Sachwalterschaft stehen und deren Einsichts- und Urteilsfähigkeit zwar eingeschränkt, aber noch nicht verloren ist, können unter bestimmten Voraussetzungen sehr wohl auch ein Testament errichten. Das Testament muss, damit es gültig ist, in diesem Fall vor einem Gericht oder bei einem Notar errichtet werden.

Das Gericht, bzw. der Notar müssen sich dabei überzeugen, dass die testierende Person versteht, was sie gerade tut und welche ­Folgen das für sie hat. Schwieriger ist die ­Lage, wenn Ihre Mutter zwar dement, aber nicht besachwaltet ist. Dann liegt es nämlich an Ihnen, fundiert zu beweisen, dass Ihre Mutter zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht testierfähig war, also nicht wusste, was sie tat. Gerade bei Altersdemenz können klare und verwirrte Phasen rasch aufeinander folgen. Hier kommt es also sehr auf den Grad der Demenz an sowie darauf, wie er dokumentiert ist und welche Gutachten die betreuenden Ärzte abgeben.

Ich bin Alleinerbe eines offenbar sehr ­lebenslustigen Onkels, den ich nicht näher kenne. Ich fürchte, da kommen nur Schulden daher. Wie ist da die Situation?

Tritt man eine Erbschaft unbedingt, also uneingeschränkt an, wird man Rechtsnachfolger der verstorbenen Person und übernimmt ­damit nicht nur ihre Vermögenswerte, sondern auch Pflichten und Verbindlichkeiten. Besteht die Möglichkeit, dass eine Hinter­lassenschaft auch aus Schulden besteht, ­sollte man nur eine bedingte Erbantrittserklärung abgeben. Das bedeutet, dass man das Erbe zwar annimmt, für Schulden der verstorbenen Person aber nur so weit haftet, wie sie Ver­mögen hinterlässt.

Zum Schutz der Gläubiger muss in diesem Fall vom Notar ein Inventar errichtet werden. Da wird der gesamte Nachlass erfasst und sein Wert gegebenenfalls von Sachverständigen bewertet. So erhält man einen etwas genaueren Eindruck davon, was einen erwartet. Ist aufgrund der ersten Erhebungen des Notars – beispielsweise bei den Banken – klar, dass die Erbschaft überwiegend aus Schulden besteht, kann man sie auch gänzlich ausschlagen.

Formvorschriften, Testament bzw. Vermächtnis

Ich habe mein Testament nur mit der Hand auf ein Blatt Papier geschrieben. Gilt das so?

Es ist durchaus möglich, ein Testament mit der Hand zu schreiben. Damit es gültig ist, müssen allerdings die Formvorschriften penibel(!) eingehalten werden. Das bedeutet vor allem: Es muss alles, wirklich alles, mit der Hand geschrieben sein. Mit eigener Hand in den Computer oder in die Schreibmaschine zu tippen gilt nicht! Auch eine Unterschrift ist verpflichtend, idealerweise mit Vor- und Zuname. Der Vorname alleine genügt nur dann, wenn sich aus dem so unterfertigten Dokument eindeutig ableiten lässt, wer es geschrieben hat.

Die Verfügung ist auch dann gültig, wenn der Verfasser mit einer für ihn üblichen Familien­bezeichnung (wie etwa: „Euer Vater“) unterschreibt und dadurch keine Zweifel bestehen, wer die vererbende Person ist. Allfällige ­Korrekturen, Ergänzungen und Nachträge müssen ebenfalls handschriftlich ge- und unterschrieben werden, andernfalls sind sie ungültig.

Eine Überschrift (Testament, Mein letzter Wille) ist nicht erforderlich. Auch Orts- und Datums­angabe sind nicht zwingend, aber anzuraten; vor allem für den Fall, dass der letzte Wille doch noch einmal geändert werden sollte. Ein später geschriebenes Testament hebt frühere auf, Vermächtnisse bleiben neben­einander bestehen.

Was unterscheidet Testament und Vermächtnis?

Das Testament ist die Erklärung des Verstorbenen zu dessen Lebzeiten, an wen das zum Zeitpunkt seines Todes vorhandene Vermögen zur Gänze oder quotenmäßig übergehen soll. Von einem Vermächtnis (Legat) spricht man, wenn jemand nur bestimmte Dinge aus dem Nachlass erhalten soll.

Das Vermächtnis ist somit eine letztwillige Zuwendung ohne Hinterlassung eines Erbteils.

Keine Erben und kein Testament

Was passiert eigentlich, wenn es gar ­keine Erben und kein Testament gibt?

Dann wird das so genannte „Heimfallsrecht des Staates“ schlagend: der Staat erbt alles, was nach Abzug der Begräbniskosten, der Kos­ten des Notars, der die Verlassenschaft abhandelt, und dem Bezahlen allfälliger weiterer Forderungen (Miete, Pflegekosten etc.) übrig ist.

Ich habe ein uneheliches Kind, von dem niemand weiß, habe aber die Vaterschaft anerkannt und auch Unterhalt bezahlt. Es gab nie einen Kontakt. Ist das Kind erbberechtigt?

Ja, denn geht es ums Erben, sind vor dem ­Gesetz alle Kinder gleich, egal ob ehelich oder unehelich geboren. In Ihrem Fall ist es aber vermutlich möglich, den Pflichtteil des Kindes zu halbieren. Das kann im Testament immer dann rechtsgültig bestimmt werden, wenn zwischen der verstorbenen Person und einem Pflichtteilberechtigten zu keiner Zeit ein ­Naheverhältnis bestand, wie es zu solchen Verwandten gewöhnlich in einer Familie herrscht, oder wenn dieses Naheverhältnis über viele Jahre vor dem Tod nicht bestand.

Allerdings darf die verstorbene Person selber den Kontakt weder grundlos vermieden ­haben noch Anlass gegeben haben, dass das Kind den Kontakt gemieden hat. Es darf auch wirklich niemals ein familientypisches Naheverhältnis zwischen der verstorbenen Person und dem pflichtteilsberechtigten ­Verwandten bestanden haben. Gelegentliche Besuche oder Alimentationszahlungen von Vätern an ihre Kinder begründen ein derar­tiges Naheverhältnis noch nicht. Achtung: Die Pflichtteilsminderung tritt nicht auto­matisch ein, egal wie fern das Verhältnis ­zwischen Vater und Kind gewesen sein mag. Die vererbende Person muss sie selber in ihrer letztwilligen Verfügung ausdrücklich und begründet anordnen.

Mündliches Testament, zwei unterschiedliche Testamente

Gilt eigentlich auch ein mündliches Testament?

Das sogenannte Nottestament heißt nicht zufällig so: Es ist nur dann gültig, wenn es in ­Situationen abgegeben wird, die lebens­bedrohlich sind und in denen keine, wirklich gar keine andere Möglichkeit bestand. Liegt jemand im Spital im Sterben, ist es beispielsweise sehr wohl möglich, das Testament ­jemandem zu diktieren und das geschriebene Testament dann zu unterzeichnen. Ein mündliches Testament muss vor zwei Zeugen erklärt werden. Ab Ende der Lebensgefahr verliert die mündliche letztwillige Verfügung nach Ablauf von drei Monaten ihre Gültigkeit, sofern die verfügende Person diesen Zeitraum überlebt. Ist das Not­testament gültig, so muss derjenige, der sich auf die mündliche letztwillige Verfügung ­beruft, die übereinstimmende Aussage der beiden Zeugen nachweisen können.

Im Nachlass unseres verstorbenen Vaters wurden zwei unterschiedliche Testamente gefunden. Wie ist die rechtliche Lage?

Grundsätzlich hebt das jüngere Testament das ältere auf. Ganz so einfach ist es in der Praxis jedoch nicht. Es beginnt damit, dass nicht immer ein Datum beim Testament steht. Dann gelten jene Teile des Testaments, die nicht unvereinbar sind, nebeneinander. Auch kann die vererbende Person von sich aus verfügen, dass Teile des älteren Testaments weiterhing gültig sein sollen. Dann ist beispielsweise zu unterscheiden, ob es sich ­tatsächlich um ein Testament oder um ein Vermächtnis handelt. Vermächtnisse können nämlich grundsätzlich nebeneinander weiterbestehen, sofern sie einander nicht widersprechen. Der die Verlassenschaft abhandelnde Notar ist in solchen komplizierten Fällen verpflichtet, den Willen der vererbenden Person so gut wie möglich zu erkunden und die letztwilligen Verfügungen entsprechend auszulegen.

Mein Vater ist verstorben, kann ich sein Auto sofort benutzen?

Nein. Zum einen ist das Auto mit dem Ab­leben Ihres Vaters Teil der Verlassenschaft. Es gehört also nicht sofort Ihnen, sondern untersteht zunächst einmal dem Notar, der die Verlassenschaft abhandelt. Haben Sie bei ihm Ihre Erbantrittserklärung abge­geben, kann er, sofern mögliche andere Erbberechtigte keine Einwände haben, das Auto zur Benutzung freigeben. Mit der entsprechenden Bestätigung des ­Notars können Sie auch den zweiten wich­tigen Schritt setzen, nämlich für einen gültigen Versicherungsschutz die Versicherung auf Ihren Namen ummelden.

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