Johanna Wechselberger
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Milchaufschäumen ist eine Wissenschaft
Wie man zu Hause einen guten Kaffee braut, darüber sprach KONSUMENT mit Johanna Wechselberger von der Vienna School of Coffee. Sie ist Masterbarista – eine von derzeit fünf weltweit –, internationale Jurorin, Brewmaster und Kaffeerösterin.
Was ist ein perfekter Espresso?
Ein tadelloser Espresso, für den ich 8 bis 9 Gramm Kaffee verwende, besteht aus 25 bis 30 ml Wasser, das mit einem Druck von 8 bis 9 Bar durch das Kaffeepulver gepresst wird. Die ideale Brühtemperatur liegt zwischen 88 und 94 Grad C und die Durchflusszeit sollte 20 bis 30 Sekunden betragen.
Gelten diese Angaben für alle Kaffeesorten?
Nein, natürlich nicht. Manche Kaffees brauchen weniger Druck und Temperatur, sonst schmecken sie schnell brandig, andere zu sauer. Profis wissen, wie sie ihren Kaffee behandeln müssen, denn jede Sorte hat andere Aromen und damit unterschiedliche Ansprüche an Temperatur, Mahlgrad, Druck und Kontaktzeit.
Wie macht man daheim am besten Kaffee?
Das Wichtigste sind erstklassige, frisch geröstete Kaffeebohnen, die nicht älter als sechs Monate sein sollten. Am besten geht man beim Einkaufen zum Spezialisten, wie man das in der Regel auch beim Wein macht. Es gibt inzwischen kleine Röstereien mit einem sehr guten Angebot an reinsortigen, oft auch schon direkt importierten und damit fair gehandelten Kaffees. Dann immer nur die Portion Bohnen mahlen, die Sie aktuell brauchen. Niemals auf Vorrat Kaffeepulver herstellen oder die Bohnen mehr als ein paar Stunden im Trichter des Mahlwerks lassen! Wenn Sie eine Kaffeemühle verwenden, achten Sie auf Qualität: Kein Schlagmesser, sondern besser ein Fabrikat mit Mahlscheiben. Für ein gutes Gerät müssen Sie hier mit mindestens 150 Euro rechnen. Aber auch gegen eine Handmühle ist nichts zu sagen.
Wie lange bleibt Kaffee frisch?
Nur kurz! Ich empfehle, erstens nur kleine Mengen ganzer Kaffeebohnen einzukaufen und sie zweitens nach Öffnen der Verpackung innerhalb einer Woche aufzubrauchen. Die in den Bohnen enthaltenen Fette verändern sich sofort, sobald Sauerstoff an den Kaffee kommt, oxidieren und werden ranzig; den Trichter am Mahlwerk deswegen ständig reinigen. Kaffeebohnen am besten in der Originalverpackung lassen. Diese nach jeder Entnahme gleich wieder mit einem Gummiringerl, einer Klammer oder einem Klebeband möglichst luftdicht verschließen. Bei Zimmertemperatur lagern. Bohnen niemals in eine Dose umleeren und schon gar nicht im Kühlschrank bunkern. Keinen glänzenden, speckigen, fettigen Kaffee kaufen und ihn nicht bei heißen Temperaturen stundenlang im Auto oder Einkaufs-Trolli herumkutschieren.
Was halten Sie von Kaffee-Vollautomaten für zu Hause?
Die sind okay, wenn man sich ein Gerät aussucht, bei dem man die Temperatur und die Kaffeemenge, die gemahlen wird, einstellen kann. Wichtig ist, sich nicht nur auf die Maschine und irgendwelche „werkseitigen Einstellungen“ zu verlassen, sondern zu experimentieren. Also ausprobieren, was zur Kaffeesorte passt, damit der Kaffee nicht zu sauer oder zu bitter schmeckt. Niemals den Trichter mit Kaffeebohnen vollfüllen, sondern immer nur genau eine Portion mahlen. Nicht zu viel Wasser durch das Kaffeepulver schicken: Das laugt den Kaffee zu sehr aus, macht ihn dünn und bitter. Schmeckt Ihnen der Espresso zu intensiv, gießen Sie heißes Wasser obenauf; oder besser: Füllen Sie die Tasse zur Hälfte mit Heißwasser und dann je nach Geschmack 1 oder 2 Espressi draufrinnen lassen. Dann klappt’s auch mit der „Crema.“
Wie stehen Sie zu Kapselmaschinen?
Sagen wir so: Ich habe auch ein paar Konserven in der Speisekammer stehen. Aber will ich deswegen täglich Dosenkost? Kapselmaschinen sind unbestritten praktisch. Wenn man sich aber ausrechnet, wie viel man tatsächlich für ein Kilo Kaffee bezahlt, wird einem schwindlig: Je nach Anbieter werden 75 bis 108 Euro verlangt! Die Kaffeekapseln sind auch immer viel teurer als eine Einzelportion frisch gemahlener Kaffee. Das Ergebnis in Sachen Aroma ist bestenfalls mäßig. Und von dem vielen Müll, der durch die Kapseln anfällt, rede ich erst gar nicht. Die bei den Vollautomaten täglich(!) entleerten gepressten Kaffeekekse kann man wenigstens als Blumendünger verwenden oder mit Flüssigseife zum Peeling in der Dusche.
Filterkaffee geht?
Gar keine schlechte Idee. So wie beim Espresso müssen Wassermenge und Kaffeepulver zusammenpassen. Für Filterkaffee nehme ich 60 Gramm Kaffee für 1 Liter Wasser. Für eine Einzelportion genügen 15 Gramm Kaffee und ein Viertelliter Wasser. Die Kontaktzeit beträgt 2,5 bis 3 Minuten. Unbedingt mit einer Stoppuhr und Küchenwaage arbeiten.
Wasser kochen und in eine Kaffee- oder eigene Filterkanne mit einem dünnen Ausgießer umleeren. Damit kühlt das Wasser auf 91 bis 93 Grad Celsius ab. Das Kaffeepulver im Filter mit 87 bis 93 Grad heißem Wasser anfeuchten und 30 Sekunden anquellen lassen. Anschließend mit kreisrunden Bewegungen spiralig aufgießen, sodass das Pulver ständig gewendet wird und im Sud schwimmt. Nach zweieinhalb Minuten ist man fertig, die letzte halbe Minute fließt nur noch das restliche Wasser durch den Filter.
Welchen Filter soll man nehmen?
Es werden verschiedene Filtersysteme angeboten: Metallfilter, Papierfilter Stofffilter. Wofür man sich entscheidet, ist reine Geschmacksache. Wichtig ist: die Kanne, in die gefiltert wird, vorher mit heißem Wasser vorwärmen und Papierfilter schwemmen, um Feinstaub oder Fasern zu entfernen.
Filtert man eine größere Kaffeemenge, müssen die Bohnen gröber gemahlen werden, weil sonst die Kontaktzeit zu lang ist und das Durchrinnen des Wassers mehr als 3 Minuten dauert. Filterkaffe nicht länger als 15 Minuten auf der Wärmeplatte stehen lassen, sonst ist er „überextrahiert“, also bitter wie beim Tee ...
Was ist mit italienischen Mokkakannen?
Das ist eine Filtermethode, für die man natürlich auch Filterkaffee braucht. Die Mokkakanne hat nicht einmal annähernd den Wasserdruck, um Espresso zu machen, und wird trotzdem oft fälschlicherweise Espressomaschine genannt. Sobald das Wasser gleichmäßig in den oberen Behälter rinnt, weg mit der Hitze. Und kaum ist der letzte Tropfen oben, runter vom Herd und auf ein nasses, kaltes Tuch stellen. Sonst brüht der Kaffee nach, was ihn bitter macht.
Gibt es besondere Ansprüche an die Kaffeetassen?
Am besten sind Häferln aus Keramik, weil sie die Wärme gut halten. Ein Henkel ist natürlich auch nicht schlecht. Für einen Espresso sollten die Tassen klein, eng, dickwandig und innen rund sein. Die Flüssigkeit am besten mit einem Strahl an die Wand rinnen lassen, damit keine unnötigen Blasen entstehen.
Welche Art von Milch soll in den Kaffee?
Ich nehme immer Frischmilch mit 3,6 % Fett, weil diese ein guter Geschmacksträger ist. Für mich gibt es keinen Grund, H-Milch oder Magermilch zu verwenden. Alle Sorten kann man gleich gut schäumen. Für die Gastronomen ist die H-Milch natürlich praktisch, weil sie auch ohne Kühlschrank lange lagerfähig ist. Sie bilden sich auch ein, dass die besser zu schäumen ist, was keinen Sinn macht, denn verantwortlich für festen Schaum ist das Eiweiß (und das ist bei jeder Milch zwischen 3,3 und 3,5 %) und mein Geschick, die richtige Menge Luft einzusaugen und diese auch fein zu schlagen. Keine Ausreden also für Haltbarmilch. Das kommt von den Automaten, wo das Personal zu faul ist, den Milchbehälter täglich auszuleeren und zu reinigen.
Wie schafft man einen perfekten Milchschaum?
Das Milchaufschäumen ist eine Wissenschaft. Es geht darum, mit der Aufschäumdüse Luft hineinzusaugen. Dafür muss man unmittelbar unter der Milchoberfläche einen Sog erzeugen. Anschließend genügen Rollbewegungen der Milch – nicht des Kännchens –, um die Luftblasen zu verfeinern. Die Milch darf dabei nicht heißer als 65 Grad werden, sonst schmeckt sie nicht mehr süß und frisch. Und wenn sie kocht, fällt der Schaum zusammen.
Wohin geht der Trend in Sachen Kaffeegenuss?
Im Moment erleben wir die sogenannte Third Wave. Nach dem Alt-Wiener Kaffeehaus und Starbucks & Co sind nun spezielle Coffeeshops angesagt. Dort werden reinsortige Bohnen von Kleinröstern angeboten. Zubereitet wird der Kaffee mit verschiedensten Methoden von ausgebildeten Baristas auf erstklassigen sauberen(!) Maschinen und Geräten. In diesen Geschäften sind der Kaffee und seine besondere Behandlung das Hauptprodukt. Die neuen Jungen machen slow coffee und damit eine andere Art von Kaffeekultur.
Gibt es guten Kaffee im Kaffeehaus?
Ganz im Gegenteil! In der Gastronomie darf inzwischen jeder auch ohne Einschulung an die Kaffeemaschine. Baristas, also Fachfrauen und -männer für Kaffee, sind absolute Mangelware. Dazu kommen noch häufige Personalwechsel. Eine erstklassige Gastromaschine kostet außerdem von 7.000 Euro aufwärts bis zum Preis eines Kleinwagens. Das wollen die wenigsten Kaffeehausbetreiber ausgeben. Sie stellen sich lieber Billigmodelle um 2.000 bis 3.000 Euro auf oder nehmen, was der Großröster ihnen hinstellt. Diese Geräte arbeiten mit dem alten Wärmetauschersystem und überhitzen leicht. Das Ergebnis ist schlechter, weil verbrühter Kaffee, verstärkt durch zu 95 % ungereinigte, versiffte Geräte, schlecht gerösteten Billigkaffee und mangelnde Kenntnis der Rezepte.
Und was ist mit der alten Kaffeehauskultur?
Sie sagen ganz richtig – KaffeHAUSkultur. Heute wird leider so gearbeitet: Man kauft billigen Kaffee ein, drückt ihn auf einer ungereinigten, überhitzten Maschine herunter und beschäftigt ungeschultes Personal. Eigentlich müssten die Lokale auf Tortenhäuser umbenannt werden. Denn ihr Hauptprodukt – der Kaffee – wird selten korrekt und dazu noch wie ein Massenprodukt hergestellt. Stellen Sie sich vor, in einer teuren Cocktailbar steht kein Barkeeper, der Ihren Drink speziell für Sie mixt, sondern stattdessen ein Automat, bei dem irgendjemand auf den Knopf drückt.