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Kreuzfahrt - Schafe statt Fjorde

Die Traumreise auf der „Mein Schiff 2“ führte nicht wie gebucht nach Norwegen, sondern nach Schottland. Der Kreuzfahrt-Veranstalter TUI Cruises meint, 10 Prozent des Reisepreises seien als ­Wiedergutmachung genug.

Die TUI-Werbung konnte so richtig Lust auf Südnorwegen machen: „Sagenhafte Landschaften, beeindruckende Fjorde und nor­dische Atmosphäre“ wurden in Aussicht ­gestellt. Eine 9-tägige Kreuzfahrt, gespickt mit Attraktionen: Das „traumhafte“ Bergen, das „reizvolle“ Stavanger und als einer der Höhepunkte der atemberaubende Geiranger­fjord, dem oft nachgesagt wird, der schönste Fjord der Welt zu sein. „Majestätische, schneebedeckte Gipfel, herrlich wilde Wasserfälle, die fruchtbare grüne Landschaft und der tiefblaue Fjord – ein Anblick wie aus dem Märchen“, so steht es in der Beschreibung der Reiseroute.

Genau das Richtige für uns, fanden die reiseerfahrenen Ehepaare H. und K. und erfüllten sich mit dieser Reise einen lang gehegten Kreuzfahrtwunsch.

Lotsenstreik in Sicht

Nur: Es sollte leider völlig anders kommen als geplant. Ein Lotsenstreik in Nor­wegen verhinderte, dass das Kreuzfahrt-Schiff die geplante Norwegen-Route am 30. Mai ab Kiel nehmen konnte. Völlig überraschend konnte die ­Situation für den Veranstalter aber nicht gekommen sein. Bereits drei Tage zuvor ­waren die Streiks ein Thema in norwegischen und deutschen Medien gewesen. Und schon am Morgen der Einschiffung stand definitiv fest, dass die norwegischen Lotsenbootfahrer in Streik getreten waren. Nichts­destotrotz nahm die "Mein Schiff 2" ihre Gäste an Bord.

Kreuzfahrt: Schiffsweg; Bild: VKI/ScreenshotRoutenänderung auf hoher See

Von der tatsächlichen Routenänderung ­(Orkney-Inseln, South Queensferry und Inver­gordon statt Stavanger, Bergen, Olden, Flam) der Kreuzfahrt wurden die Passagiere allerdings erst nach dem Auslaufen informiert. Auf See erhielten sie die Information, dass der ursprüng­liche ­Fahrplan nicht eingehalten werden könne und man sicherheitshalber parallel an einer Alternativroute gearbeitet habe, „mit wunderbaren Zielen und ganz beeindruckender und fantastischer Natur“.

Keine Wahlmöglichkeit für Passagiere

Routenänderung auf hoher See

Von der tatsächlichen Routenänderung ­(Orkney-Inseln, South Queensferry und Inver­gordon statt Stavanger,Kreuzfahrt: Schiffsweg; Bild: VKI/Screenshot  Bergen, Olden, Flam) wurden die Passagiere allerdings erst nach dem Auslaufen informiert. Auf See erhielten sie die Information, dass der ursprüng­liche ­Fahrplan nicht eingehalten werden könne und man sicherheitshalber parallel an einer Alternativroute gearbeitet habe, „mit wunderbaren Zielen und ganz beeindruckender und fantastischer Natur“.

Keine Wahlmöglichkeit

Jetzt hatten die Passagiere keine Wahl mehr. Genau das wird von den TUI-Gästen auch kritisiert: „Hätte die Option bestanden, die Reise nicht oder zu einem anderen Zeitpunkt anzutreten, hätten wir von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Wir hatten ja nicht für eine Fahrt ins Blaue gespart, sondern uns ganz gezielt das Fjordland Südnorwegens als Ziel für unsere Traumreise ausgesucht.“

Aus der Bordzeitung erfuhren die verdutzten Kreuzfahrer noch, dass ihnen „aus Kulanz und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ 10 Prozent des Reisepreises als Bordgut­haben gutgeschrieben würden.

Getrübte Urlaubsfreude an Bord

Noch vom Schiff aus versuchten etliche der Passagiere, Kontakt mit Konsumentenorganisationen und Juristen in der Heimat aufzunehmen, um über die weitere Vorgangsweise zu beraten. Berichten zufolge verließen ­einige in Edinburgh erbost das Schiff, um von dort nach Hause zu fliegen. Aufgebrachten Reisenden wurde vom TUI-Personal beschieden, dass das Entschädigungsangebot nach der ständigen Rechtsprechung üblich sei und dessen Annahme keinen Verzicht auf weitere Ansprüche darstelle. Schließlich verwies TUI an die Abteilung „Gäste Feedback“.

Aus Sicht von TUI sind die Vorkommnisse ­bedauernswert. Versäumnisse könne man aber nicht erkennen. Man habe die Passa­giere regelmäßig informiert und bis zum ­Zeitpunkt der Abreise gehofft, die Reise doch noch wie geplant durchführen zu können. ­Eine Stornierung der Kreuzfahrt sei keine ­Alternative gewesen.

2.000 Kunden betroffen

Welche Informationen zu welchem Zeitpunkt die etwa 2.000 Passagiere wirklich vor dem Auslaufen erreicht haben, bleibt jedenfalls strittig. Nach Darstellung von TUI sei eben erst nach dem Auslaufen klar geworden, dass Schottland statt Norwegen angesteuert werden müsse. Wie viele der 2.000 betroffenen Kunden sich bisher beschwerten, will TUI „aus Wettbewerbsgründen“ nicht sagen, es habe aber auch „viele positive Stimmen“ für die TUI-Handlungsweise gegeben.

Nur eines von fünf Zielen

Zurück von der nicht gebuchten, aber bezahlten Schottland-Kreuzfahrt wendeten sich die beiden Ehepaare über das Reisebüro an den Veranstalter und deponierten ihre Forderungen. „Die uns aufoktroyierte Routenänderung sowie das zugewiesene Ersatzprogramm waren für uns uninteressant und mehr als langweilig, da wir Schottland, besonders aber die angesteuerten Orte schon von mehreren früheren Reisen her gut kannten. Wir wollten ja die Landschaft Süd­norwegens sehen und nicht an eher schlecht präsentierten ,Schnellführungen‘ durch Edinburgh und Inverness teilnehmen. Von den geplanten fünf Anlaufhäfen sind vier entfallen, lediglich der Landgang in Kopenhagen wurde planmäßig durchgeführt.

Die als Ersatz angebotenen drei Häfen haben dies bei Weitem nicht ausgeglichen. Durch die Routenänderung und den zusätzlichen Schiffstag wurden wir außerdem auch noch um einen weiteren Landtag gebracht. Doch gerade die ausgesuchten Häfen mit den ­dazugehörigen Städten und Landschaften sowie die dort geplanten Ausflugs­möglichkeiten zählen nun einmal zu den Höhepunkten einer Kreuzfahrt in den Norden Europas und nicht die Seereise an sich.“

TUI: „Mehr als 10 Prozent gibt es nicht“

Als angemessene Entschädigung forderten die frustrierten Reisenden 50 Prozent der ­Gesamtkosten. TUI reagiertein einem langen, offensichtlich aus Textbausteinen zusammengestellten Schreiben höflich ablehnend: „Wir sind überzeugt, unseren Gästen ein ange­messenes und faires Entgegenkommen ­geboten zu haben.“ Ganz offensichtlich ein Brief, mit dem viele Passagiere der „Mein Schiff 2“ abgefertigt wurden.

Möglicher Musterprozess

Jetzt prüfen wir die Möglichkeit eines Musterprozesses, um zu klären, ob man Kunden mit lediglich 10 Prozent des Reisepreises entschädigen kann, die gegen ihren Willen nach Schottland statt nach Norwegen verfrachten wurden. KON­SUMENT wird über den Ausgang berichten.

Interview: VKI-Rechtsexpertin Mag. Maria Ecker

„Zehn Prozent sind jedenfalls zu wenig“

Eine Kreuzfahrt nach Norwegen gebucht, stattdessen in Schottland ­gelandet. Was bedeutet das aus rechtlicher Sicht?

Mag. Maria Ecker; Bild: VKI/E. Würth 

Mag. Maria Ecker
VKI-Rechtsexpertin

Ganz klar: Die Reiseleistung war mangelhaft. Reisende haben in diesem Fall Anspruch auf Reisepreisminderung – unabhängig von einem etwaigen ­Verschulden des Veranstalters. Wenn der Reiseveranstalter schon einige Tage vor Reiseantritt über wahrscheinliche Streiks informiert gewesen ist, dann ist auch Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude argu­mentierbar. Dann hätte er nämlich seine Informations- und Aufklärungspflichten verletzt. Die Kunden hätten ja gemäß den Reise­bedingungen kostenlos stornieren können.

Den Passagieren wurde eine Entschädigung von 10 Prozent des Reisepreises als Bordguthaben gutgeschrieben. Was sagen Sie zu diesem Angebot?

Auch wenn den Reiseveranstalter an der verpatzten Reiseleistung kein Verschulden trifft: Das ist auf jeden Fall zuwenig.

Wie stehen die Chancen auf eine höhere Entschädigung?

Sehr gut. Wir prüfen dazu einen Musterprozess.

Die betroffenen KONSUMENT-Leserinnen und -Leser haben 50 Prozent der Gesamtkosten ­gefordert. Realistisch?

Wenn man davon ausgeht, dass den Reisenden nicht nur Preisminderung, sondern auch Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude zusteht, dann ist das durchaus realistisch.

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