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Screenshot der Penny-Homepage mit den 9 Artikeln der Wahre-Kosten-Aktion
Penny-Aktion "Wahre-Kosten-Preise": Auf die Verkaufspreise von neun Produkten werden in Deutschland eine Woche lang die Umweltfolgekosten draufgeschlagen. Bild: Screenshot www.penny.de 31.07.2023

Wenn die Frankfurter plötzlich 6 Euro kostet

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ÖKO.LOGISCH

Umweltfolgekosten. In Deutschland sorgt der Diskonter Penny derzeit für Schlagzeilen. Nicht mit Geiz-ist-geil-Preisen. Im Gegenteil: Eine Woche lang zahlt man dort für ausgewählte Produkte den „Wahre-Kosten-Preis“, der versteckte Umweltfolgekosten inkludiert. 

Gleich vorweg: Ich finde die Aktion super. Und überfällig. Denn Ziel der Aktion ist es, Bewusstsein für die Umweltauswirkungen der Lebensmittelproduktion zu schaffen. Dass die Auswirkungen groß sind, haben viele gar nicht am Schirm.

Neun Produkte, acht tierische aus konventioneller und biologischer Herstellung sowie ein veganes Produkt, werden eine Woche lang in allen Penny-Märkten in Deutschland zu ihren „Wahren Preisen“ verkauft – berücksichtigt darin sind versteckte Umweltfolgekosten. Wissenschaftlich begleitet wird die Aktion von der Universität Greifswald und der Technischen Hochschule Nürnberg

Die Rechnung lautet: 

Normaler Verkaufspreis 

+ Klima: alle klimaschädlichen Emissionen der Landwirtschaft mit einbezogen

+ Wasser: Alle Schadstoffe, die sich negativ auf die Beschaffenheit des Grundwassers oder anderer Wasserquellen und -speicher auswirken, werden hier beschrieben.

+ Boden: Wenn z.B. die natürliche Beschaffenheit von Land durch die Landwirtschaft verändert wird. 

+ Gesundheit: Hier geht es insbesondere um die Produktion von Lebensmitteln, die sich auch auf die Gesundheit des Menschen auswirkt. 

= Verkaufspreis mit wahren Kosten

Die Wahren Kosten von Wiener Würstchen
Die wahren Kosten von Wiener Würstchen Bild: Screenshot www.penny.de 31.07.2023

Je tierischer, desto teurer

Das macht die Produkte zum Teil empfindlich teurer. Insbesondere Fleisch und Milchprodukte verteuern sich durchs Dazurechnen der Umweltfolgekosten richtig ordentlich. Je „tierischer“ ein Produkt, desto höher die wahren Kosten. 

So kosten die konventionellen „Wiener Würstchen“ (400-Gramm-Packung) nicht mehr 3,16 Euro, sondern verdoppeln sich fast auf 6,01 Euro. Ein konventioneller Schnittkäse (Maasdamer) kostet statt 2,49 Euro stolze 4,84 Euro. 

Was noch auffällt: Die erhobenen Bio-Lebensmittel haben grundsätzlich geringere Folgekosten als ihre konventionellen Gegenstücke. Das pflanzliche Ersatzprodukt hat im Vergleich den mit Abstand geringsten Aufpreis – das vegane Schnitzel hat sich nur um fünf Prozent verteuert (auf 2,83 Euro).

Wahre-Kosten-Mozzarella im Supermarktregal von Penny
Wahre-Kosten-Mozzarella im Supermarktregal von Penny. Bild: Penny

Wer bezahlt eigentlich sonst diese Umweltkosten?

Gute Frage. Die Antwort ist simpel: Wir alle. Die Kosten müssen von der Gesellschaft refinanziert werden. Denn nur weil die Kundschaft sie an der Supermarktkassa nicht bezahlt, verschwinden die Folgekosten ja nicht. Mittels „True Cost Accounting“ werden nicht nur die direkten Produktionskosten in den Preis eines Lebensmittels eingerechnet, sondern auch dessen Auswirkungen auf ökologische oder soziale Systeme in Geldeinheiten umgerechnet. Also z.B. die Treibhausgasemissionen, die die Klimakrise anheizen. Oder die Aufbereitung von Trinkwasser, das aufgrund des Einsatzes von Düngemitteln belastet ist. 

 

Was sagt die Wissenschaft?

Das Projekt ziele nicht darauf ab, „Endverbraucher:innen, Landwirt:innen oder Wirtschaftsunternehmen an den Pranger zu stellen oder zu belehren“, sagt Professor Tobias Gaugler, Ressourcenökonom an der TU Nürnberg. „Aber wir möchten Bewusstsein schaffen und mit einem ganzheitlichen Ansatz sensibilisieren.“ 

Dr. Amelie Michalke von der Uni Greifswald ergänzt: „Wir verstehen unser Projekt eher als eine Kritik an einem politischen Landwirtschaftssystem, das über Jahrzehnte entstanden ist und das so, davon sind wir überzeugt, nicht weiter tragbar ist, weder für die Umwelt noch die Landwirt:innen, oder die Menschheit.” 

Und ebenfalls nicht unwesentlich in Zeiten der Teuerung: „Es geht nicht darum, die wahren Kosten unmittelbar für alle Lebensmittel einzuführen. Dazu fehlen die umfassenden wissenschaftlichen Grundlagen ebenso wie Antworten auf zentrale Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Wir erhoffen uns jedoch einen starken Impuls, damit wir als gesamte Gesellschaft Preise für Lebensmittel in einer anderen und verursachergerechteren Form diskutieren und betrachten.“

 

Aktion auch in Österreich?

Ich habe beim Penny-Mutterkonzern Rewe angefragt, ob die Aktion auch in Österreich geplant ist: Nein, ist sie nicht. Sehr schade, finde ich. 

 

Übrigens: Die Mehreinnahmen während der Kampagne, also die Differenz zwischen dem Verkaufspreis und den „Wahren Kosten“, spendet Penny dem Gemeinschaftsprojekt „Zukunftsbauer“.

Markus Stingl - Redakteur: Nachhaltigkeit, Finanzthemen
Markus Stingl, Bakk. phil. | Redakteur: Nachhaltigkeit, Finanzthemen Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen im weiten Feld der Nachhaltigkeit. Die Kolumne nennt sich ÖKO.LOGISCH.

Markus Stingl, Redakteur

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