Diese Schadstoffe werden nicht abgebaut und verbleiben im menschlichen Körper oder der Umwelt. Sie können diverse Krebsarten sowie Missbildungen auslösen, verminderte Wirkung von Impfungen verursachen und einiges mehr. Nur wenige dieser Chemikalien sind jedoch bisher verboten.
Am 7. Februar 2023 wurde ein Vorschlag für eine EU-weite Beschränkung aller PFAS in vielen Produkten und Anwendungen veröffentlicht. Too little, too late...
Ein Umweltskandal in den USA
Ein Skandal führte zur Aufdeckung eines Umweltproblems: Jahrzehntelang wurde das hochgiftige PFOA (Perfluoroctansäure) in den Ohio River geleitet und PFOA-haltige Schlämme in einer nicht abgedichteten Deponie entsorgt. Das Unternehmen dahinter: DuPont. Der Aufdecker dieses Vergiftungsskandals: Robert Billot. Diese Geschichte wurde in „Dark Waters“ („Vergiftete Wahrheit“) verfilmt.
David gegen Goliath: Robert Billot, ein unbekannter Wirtschaftsanwalt, legt sich 1998 mit DuPont, einem der weltweit größten Chemiekonzerne, an und deckt den sogenannten Teflon-Skandal auf. Das Unternehmen in Parkersburg (West Virginia) leitete jahrzehntelang das hochgiftige PFOA (Perfluoroctansäure) in den Ohio River und entsorgte PFOA-haltige Schlämme in einer nicht abgedichteten Deponie.
Seit 1951 verwendete DuPont diese Chemikalie zur Erzeugung von Teflon; entwickelt und hergestellt wurde sie von der Firma 3M. In geheimen Studien der beiden Unternehmen mehrten sich seit 1961 die Hinweise über die bedrohlichen Eigenschaften von PFOA. Trotzdem wurde die fahrlässige Entsorgung dieses Schadstoffes in die Gewässer und Böden der Umgebung weitergeführt.
Die Folgen von PFOA zeigten sich in Ohio zuerst bei den Tieren in der Umgebung: Kühen, die in der Nähe weideten, stand der Schaum vor dem Maul. Sie starben an bösartigen Tumoren, ebenso viele Waldtiere. Kälber wurden mit Missbildungen geboren oder starben mit anormal verfärbten Eingeweiden. Später häuften sich Krebsfälle in der Bevölkerung, ebenso zeigten sich andere gesundheitliche Problem.
Robert Billot bringt dieses dunkle Geheimnis zu Tage und reicht im Jahr 1998 Klage gegen DuPont ein. Dabei riskiert er nicht nur seinen Job und seine Zukunft, sondern auch sein eigenes Leben, das seiner Ehefrau sowie seiner restlichen Familie. Im Jahr 2017 – 19 Jahren nachdem der Anwalt begonnen hatte, an diesem Fall zu arbeiten – musste Dupont den Opfern 671,7 Millionen US-Dollar Schadenersatz zahlen.
Neben PFOA ist eine zweite, früher häufig für sehr ähnliche Zwecke eingesetzte Chemikalie PFOS (Perfluoroctansulfonat), z. B. zur Produktion von "Scotchguard" von 3M.
Wo werden sie eingesetzt?
Die Stoffgruppe, zu denen PFOA, GEN X und PFOS zählt, sind die sogenannten Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, auch PFCs - Per- und polyfluorierte Chemikalien oder manchmal PFT - Perfluorierte Tenside genannt. Diese umfassen tausende Substanzen. Die Chemikalien weisen sowohl Wasser als auch auch Öle, Fette und andere unpolare Verbindungen sowie Schmutzpartikel ab. Zugleich besitzen sie eine hohe thermische und chemische Stabilität. Aufgrund dieser besonderen Eigenschaften werden sie bereits seit geraumer Zeit in Konsumentenprodukten und in vielen Industriebereichen weit verbreitet eingesetzt.
Danach, welche Mengen davon in die Umwelt gelangen, sind die folgenden Beispiele gereiht (aus dem Beschränkungsvorschlag vom 7.2.2023):
- F-Gase (auch HFKW oder fluorierte Treibhausgase) tragen zu über 60% an der Umweltverschmutzung durch PFAS bei. Sie wurden als Ersatz für die Ozon-schädlichen FCKW eingeführt und werden weltweit als Kältemittel in Kälte- und Klimaanlagen sowie Wärmepumpen, als Löschmittel in Brandschutzeinrichtungen und zur Herstellung von Isolierschaumstoffen eingesetzt. Wie der Name schon sagt, sind diese Chemikalien auch sehr schädliche Treibhausgase, ihr Effekt ist bis zu 23.500-mal höher als der von Kohlendioxid. Ihr Einsatz wird durch bestehende Gesetze bereits schrittweise eingeschränkt (s. Kap. "Was machen die Behörden"); im Jahr 2050 wird ihr Einsatz gänzlich verboten sein, was sich zeitversetzt auf die Höhe der Emissionen auswirken wird.
- Bekleidung, insbesondere Outdoor-Kleidung (zum Beispiel unter dem Markennamen "Goretex"), Leder, Polstermöbel, Teppiche...
- Verwendung im medizinischen Bereich, etwa in Verbandsmaterialien, Schläuchen und Katheter oder fluorierte Gase in Narkose- und Kontrastmitteln
- Bauprodukte
- Elektronische Geräte und Halbleiter
- Lebensmittelkontaktmaterialien, beispielsweise beschichtete Küchengeräte wie Bratpfannen ("Teflon") oder Papier- und Kartonverpackungen von Lebensmitteln, wie z. B. Backpapier, Fast-Food-Verpackungen und Pizzakartons
Auch Schädlingsbekämpfungsmittel können diese Schadstoffe enthalten. Immerhin 16 Prozent der in der EU zugelassenen chemisch-synthetischen Pestizidwirkstoffe sind PFAS. So wurden bei einem Test von Global 2000 gemeinsam mit PAN (Europäischen Pestizid-Aktions-Netzwerk) in rund 15 Prozent des in der EU angebauten Obst und Gemüses PFAS nachgewiesen.
Am 27.5.2024 hat Global 2000 auf eine weitere äußerst bedenkliche Problematik hingewiesen: Durch den Einsatz dieser Pestizide entsteht in den Gewässern TFA (Trifluoressigsäure), das nicht mehr abbaubar ist. In allen 23 Oberflächenwasser- und 6 Grundwasserproben wurden PFAS nachgewiesen. Sie stammten aus zehn europäischen Ländern, unter anderem auch aus Österreich.
TFA hatte denn Hauptanteil davon und wurde in bedenklich hohen Konzentrationen gefunden, die oft der Grenzwert in der EU-Trinkwasser-Richtlinie übersteigen. Laut einer Abschätzung stammt dieses TFA zu einem Großteil von Pestiziden.
Weitere Anwendungen sind Imprägniersprays, Skiwachs, Schmiermittel, Zahnseide, Farben und Lacke u.v.m.
Die PFAS-Landkarte von Europa
Die französische Tageszeitung Le Monde hat im Rahmen eines investigativen Projekts im Februar 2023 eine Europa-Landkarte zu „PFAS-belasteten Standorten“ veröffentlicht. In der Karte werden Standorte mit nachgewiesener Kontamination und jene mit mutmaßlicher Kontamination dargestellt. Das Projekt wurde von Journalist:innen aus 17 EU-Staaten zur Aufklärung der Kontamination für die Öffentlichkeit durchgeführt. An über 17.000 Standorten in Europa wurde eine PFAS-Kontamination festgestellt. In Österreich allein sind es 291 Datenpunkte.
Gekommen, um zu bleiben
Ein massives Problem ist, dass diese Schadstoffe praktisch unzerstörbar sind – und daher im Englischen auch als „forever chemicals“ bezeichnet werden. Zugleich sind sie meist sehr mobil und daher weltweit allgegenwärtig. Und sie reichern sich im biologischen Gewebe an. Diese Chemikalien findet man in
- Fischen
- Meerestieren
- Wildtieren
- Milch und zahlreichen anderen Lebensmitteln
- in menschlichem Blut und Muttermilch
Zahlreiche Untersuchungen in Produkten und im menschlichen Körper führen (unter vielen anderen) die internationale NGO Chemsec und der Danish Consumer Council THINK durch. Die globale Verteilung zeigt sich unter anderem darin, dass PFOS auch in der Leber von Eisbären gefunden wurde – um bis zu 4000-fach angereichert in Vergleich zur Konzentration in der Umwelt.
Sie technisch aus der Umwelt zu entfernen ist extrem schwierig und sehr kostenintensiv.
Die Auswirkungen
Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen zeigen verschiedenste Giftwirkungen, die in einer Grafik der Europäischen Umweltagentur dargestellt sind. Sie tragen auch zur Erderwärmung bei. Laut dem Beschränkungsvorschlag vom 7.2.2023 argumentieren einige Wissenschaftler:innen, dass die planetaren Grenzen für diese Alkylsubstanzen bereits überschritten sind.
Und Studien zum Biomonitoring beim Menschen zeigen, dass der Cocktail aus den Substanzen, dem Teile der Bevölkerung über verschiedene Quellen (z. B. Lebensmittel, Trinkwasser, PFAS-haltige Produkte, Staub, Luft) ausgesetzt sind, bereits zu Gesundheitsrisiken führen kann. Auch bei einer Studie des Umweltbundesamt konnten in allen Müttern und ihren Neugeborenen die Substanzen nachgewiesen werden.
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