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Fear of missing out: Frau sieht auf Handy
Bild: Shutterstock/Oleg and Polly

Fear of Missing Out: Angst, etwas zu verpassen

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Alles ist in Bewegung, nur man selbst steht still. In den sozialen Medien sind scheinbar alle unterwegs, reisen, haben Spaß. Während man selbst zu Hause sitzt und sich sorgt, etwas zu versäumen. Mit welchen Strategien man dieser Angst begegnen kann.

Jede:r von uns verbringt pro Tag durchschnittlich rund 82 Minuten in den sozialen Netzwerken. An einem Ort, an dem das nächste Abenteuer nur einen Wisch entfernt ist. Wir sehen den Alltag unserer Freund:innen, Bekannten und auch von Fremden. Wie sie in den Alpen paragleiten, in der Südsee tauchen und von einem Museum zum anderen hetzen.

Und man selbst? Sitzt zu Hause auf der Couch und denkt sich, dass alle anderen wohl ein besseres Leben führen, mehr erleben, mehr Spaß haben. Angst macht sich breit, denn es gibt so viel zu entdecken und es fehlen oft Zeit und Geld dafür. Wir haben Angst, nicht dazuzugehören, Angst vor Ausgrenzung und Ächtung. Wir bekommen ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit, ein Verlangen nach zwischenmenschlicher Kommunikation. Der Beginn einer Negativspirale, denn Menschen, die eine starke Angst vorm Verpassen entwickeln, neigen laut Studien dazu, diese durch intensive Nutzung von sozialen Medien zu lindern.

Was bedeutet Fear of Missing Out?

„Fear of Missing Out“ (FOMO) bedeutet übersetzt die Angst, etwas zu verpassen und nicht Teil des aktuellen Geschehens zu sein. Den Begriff hat der Autor Mc-Ginnis erstmals 2004 im Magazin der Harvard Business School verwendet – im selben Jahr, als Facebook gegründet wurde. Eine wissenschaftliche Begriffserklärung folgte 2013 von britischen Psycholog:innen, die FOMO als „allgegenwärtige Befürchtung, dass andere lohnende Erfahrungen machen könnten, von denen man abwesend ist“ definierten. Der technologische Fortschritt und der Druck der sozialen Medien verstärken dieses Phänomen, wenngleich FOMO auch bei Menschen auftreten kann, die nicht in digitalen Welten unterwegs sind.

Denn die Angst, etwas zu versäumen, kann auch auftreten, wenn uns die Kolleg:innen von ihren Wochenendausflügen und Hochzeitsplänen erzählen. Und wir alle kennen das alte Sprichwort vom grüneren Gras auf der anderen Seite … Nichtsdestotrotz: Soziale Netzwerke sind wie das Kerosin auf dem FOMO-Feuer. Das ständige Einprasseln von Details aus den Leben anderer kann Spuren hinterlassen. Auch wenn FOMO noch keine diagnostizierbare Erkrankung ist, kann sie negative körperliche und seelische Auswirkungen haben. Eine britische Studie aus 2021 zeigt auf, dass der ständige soziale Vergleich zu negativen Gefühlen und geistiger Erschöpfung führen kann. Unzählige weitere Studienergebnisse berichten von Zusammenhängen zwischen der Angst, etwas zu verpassen, und Schlafmangel, Angstzuständen, Stress und einem verminderten Selbstwertgefühl.

Test: Bin ich betroffen?

Der britische Wissenschafter Andrew K. Przybylski beschäftigt sich in seiner Forschungsarbeit umfassend mit der Angst, etwas zu versäumen. Er hat eine Skala entwickelt, anhand derer der Grad der Angst gemessen werden kann. Dabei fragt er etwa ab, wie sehr es einen stört, ein geplantes Treffen zu verpassen oder ob man auch im Urlaub die Aktivitäten der Freund:innen weiterverfolgt. Die Skala dient auch als Instrument, FOMO in unterschiedlichen kulturellen Kreisen miteinander vergleichen zu können.

Das deutsche Bundesministerium für Familie hat in Zusammenarbeit mit ARD, ZDF und der Krankenkassa AOK die Initiative „Schau hin“ ins Leben gerufen und möchte damit vor allem Eltern helfen, FOMO bei ihren Kindern zu erkennen. Als Anzeichen sieht die Initiative häufiges Prüfen der Feeds und Nachrichten, Konzentrationsschwäche, Nervosität bei Handyentzug, ständiges Teilen von Aktivitäten und Onlinezeiten während Mahlzeiten sowie nachts.

Fear of Missing Out – was tun?

Für Eltern von Kindern mit „Verpassensangst“ empfehlen die Expert:innen von „Schau hin“, fixe Medienzeiten zu vereinbaren (z. B. zwischen 6 und 9 Jahren bis zu einer Stunde am Tag), Abwechslung in der Freizeitgestaltung anzubieten und sich Unterstützung zu holen. Und erwachsene Betroffene? Die sollten sich laut Expert:innen stets vor Augen halten, dass Menschen in den sozialen Medien nur einen kleinen Ausschnitt der Realität preisgeben und meistens nur die beste Version von sich selbst präsentieren. Wir wissen nicht, mit welchen Problemen die anderen Personen gerade zu kämpfen haben, während sie lächelnd in die Kamera blicken.

Einfach umzusetzende Tricks sind etwa, Push-Mitteilungen auf Handy und Computer zu deaktivieren, Apps zu deinstallieren, elektronische Geräte aus Schlafzimmer und Badezimmer zu verbannen, bewusste Offline-Zeiten zu definieren und Apps zu verwenden, die die Smartphone-Nutzung dokumentieren oder sogar einschränken.

FOMO: Freude am Verpassen

Wer es leid ist, sich für die Zeit zu Hause ohne Aktivität, ohne Urlaub schlecht zu fühlen, wer nicht jeden Trend mitmachen möchte, der findet vielleicht Gefallen an JOMO (Joy of Missing Out) – der Freude, Events zu verpassen und Spaß beim Nichtstun zu haben. Vielleicht hilft aber auch schon die Besinnung auf das eigene Leben – ohne ständige Vergleiche und Selbstoptimierung. Denn während die anderen am überfüllten Badestrand an der italienischen Küste verzweifelt eine freie Liege suchen, kann man sich im Garten oder auf dem Balkon das Sonnenbad mit all den Annehmlichkeiten des eigenen Zuhauses gönnen. Vielleicht dieses Mal sogar mit einem Buch statt dem Smartphone in der Hand.

Julia Gschmeidler - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft
Mag.ª Julia Gschmeidler, BSc - Redakteurin: Neue Medien, Gesellschaft Bild: VKI

Im KONSUMENT-Magazin und -Blog schreibe ich über Themen, die bewegen, aufgezeigt gehören, die gesellschaftspolitisch wichtig sind. Und ich möchte konstruktive Vorschläge liefern, wie man selbst aktiv werden kann.

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