Wer hat ASMR erfunden?
Bekannt unter der Abkürzung ASMR ist das Phänomen seit 2010. Die US-Amerikanerin Jennifer Allen suchte im Internet nach Erklärungen für das in ihr bei gewissen Geräuschen aufkommende Gefühl und stieß in Foren auf andere Menschen, die davon berichteten, dass sich ein „seltsames Gefühl gut anfühle“. Sie schuf den Begriff ASMR, gründete eine Facebook-Gruppe als Anlaufstelle für Betroffene und eine Forschungswebsite zur Sammlung von Daten. Seitdem erregt ASMR von Jahr zu Jahr mehr Aufmerksamkeit – Videos mit den geräuschvollen Inhalten erhalten Millionen Klicks, sogar die Werbebranche setzt darauf, wie Werbespots von Unternehmen wie Ikea und Pepsi zeigen.
Warum ist ASMR so entspannend?
Und auch Wissenschafter:innen beschäftigen sich mit dem komplexen Thema. Einer davon ist Claus-Christian Carbon, der an der Universität Bamberg auf dem Gebiet der Wahrnehmungspsychologie forscht. Er betont, dass nicht alle Menschen gleich auf die Stimuli reagieren, manche würden sich ekeln und die Geräusche ablehnen. Diejenigen, die bewusst ASMR-Videos aufrufen, fänden jedoch tatsächlich Beruhigung darin und können dadurch besser herunterkommen oder einschlafen.
Carbon geht davon aus, dass die Videos ein Gefühl von menschlicher Nähe und Zuneigung transportieren und dies ein Wohlgefühl auslöse. Laut seiner Forschungsarbeit müssen die Clips beruhigend, eher repetitiv und potenziell langweilig sein, um gut zu funktionieren.
ASMR gegen Angst
Britische Forscher:innen haben 2015 herausgefunden, dass Menschen ASMR-Videos nicht zum Amüsement konsumieren: 98 Prozent der knapp 500 Befragten stimmten zu, diese zur Entspannung zu nutzen, für 82 Prozent seien sie eine Einschlafhilfe und für 70 Prozent eine Stressbewältigungsstrategie. Als häufigste Auslöser für das Kribbeln wurden etwa Flüstern, klare Geräusche wie das Klopfen mit Fingernägeln und langsame, sich wiederholende Bewegungen genannt.
Eine aktuellere Studie aus 2022 hat sich die Auswirkungen von ASMR auf Stimmung, Aufmerksamkeit, Herzfrequenz, Hautleitfähigkeit und EEG bei jungen Erwachsenen angesehen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ASMR das Depressionsgefühl bei Personen, die empfindlich auf ASMR reagieren, verringert. Das Experiment zeigt, dass ASMR die Herzfrequenz reduziert – egal, ob die Person auf ASMR empfindlich ist oder nicht.
ASMR – wie geht das?
Die britische Psychologin Giulia Poerio, die das Phänomen an der Universität Sussex erforscht, spricht davon, dass ASMR-Videos es schaffen, ein ähnliches Empfinden auszulösen wie tatsächliche körperliche Berührungen. Laut ihr sind es besonders sensible Menschen, die auf akustische oder visuelle Reize reagieren – und die Empfänglichkeit für diese Empfindsamkeit würde sich bereits vor der Pubertät entwickeln, ihren Auslöser also in der Kindheit haben.
Wer ausprobieren möchte, ob ASMR einen positiven Effekt auf den eigenen Körper hat, kann laut Poerio nach Videos mit dem Begriff „oddly satisfying“, also „seltsam befriedigend“ suchen. Diese Videos seien oft einfacher zugänglich: Zuseher:innen nehmen Maschinen wahr, die etwas auf ästhetische Art und Weise zerteilen oder in Form pressen, es sind symmetrische Bewegungen mit passenden Geräuschen. Diese Videos seien nicht so überfordernd wie jene mit Personen, die zusätzlich ins Mikrofon flüstern.
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