Kennzeichnungspflicht verschiebt Entwicklungsschwerpunkte
So geht es im Wesentlichen darum, ein möglichst ausgewogenes Leistungsprofil zu erreichen. Die jetzt angesagte Kennzeichnungspflicht nach Umwelt- und Sicherheitskriterien verschiebt den Schwerpunkt bei der Reifenentwicklung nun doch etwas. Es ist leichter, eine hohe Kraftstoffeffizienz und gute Nasshaftung zu erreichen, wenn man bei der Laufleistung etwas nachlässt.
Jedenfalls dürfte man unter anderem bei Michelin so gedacht haben. Der Energy Saver wurde gründlich überarbeitet, denn gegenüber den Ergebnissen in den Jahren zuvor, wo er immer exzellente Laufleistungen erreichte, wird der Neue hier gleich von mehreren Konkurrenten geschlagen. Dafür erhielt er nunmehr die Bestnote auf nasser Fahrbahn.
Für Umwälzungen in der Strategie spricht auch, dass dieser Reifen in der größeren Dimension als einziger noch nicht lieferbar war (daher konnte er auch nicht getestet werden). Bei den Konzernmarken Goodyear, Fulda und Dunlop hingegen dürfte man noch nicht auf die Kennzeichnungspflicht reagiert haben: Tendenziell stehen hier den schlechten Leistungen bei Nässe sehr gute beim Verschleiß entgegen.
Kleine und Kompakte: 165/70 R 14
Schon bei den kleineren 165er-Reifen ist die Auswahl recht umfangreich, nur ein Produkt erwies sich als „nicht zufriedenstellend“, alle anderen sind „gut“ oder zumindest „durchschnittlich“. Neben den als hochwertig bekannten Marken wie Continental, Michelin und Pirelli tauchen zwei weitere bisher gar nicht oder zumindest weniger prominente Hersteller in der Spitzengruppe auf, nämlich Apollo und Barum.
Barum ist eine tschechische Tochter von Continental und trat bisher qualitativ kaum hervor, weder im positiven noch im negativen Sinn. Jetzt hat man den Sprung ganz nach vorne geschafft, nämlich durch Ausgewogenheit. Der Barum erbringt zwar keine Spitzenleistungen, schlägt sich aber in allen Disziplinen tapfer. Der stark expandierende indisch-südafrikanische Reifenhersteller Apollo, zu dem auch die schweizerische Marke Maloya gehört, hat 2009 den niederländischen Winterreifenspezialisten Vredestein übernommen. Mittlerweile rückt er auch qualitativ nach vorne. Der Apollo Amazer 3G Maxx schaffte die beste Bewertung auf nasser Fahrbahn und lässt sich auch sonst keine Schwäche nachsagen, außer beim Geräusch.
Unterschiede beim Bremsen
Yokohama, der japanische Reifenhersteller, der bisher eher durch hohe Preise als durch außergewöhnliche Qualität auffiel, nennt sein neues Konzept BluEarth, was konkret bedeutet, dass durch Verwendung von Orangenöl der Anteil an Rohöl zurückgedrängt werden soll. Außerdem soll das auch den Zielkonflikt zwischen Nassgriff und Kraftstoffverbrauch verringern. Allerdings nützt er sich erstaunlich stark ab, erreicht nur 60 Prozent der Laufleistung des nächstgereihten Fulda EcoControl. Da der Yokohama aber gleichzeitig die Bestnote auf trockener Fahrbahn erreichte, könnte man ihn gewissermaßen als Schönwetterreifen bezeichnen.
Totalversager Infinity Inf-030
Geringe Laufleistungen erreichten übrigens auch Khumo und Semperit. Als einziger Totalversager bei den diesjährigen Reifentests erwies sich der chinesische Infinity Inf-030. Ihm ist ein Komplettversagen auf nasser Fahrbahn vorzuwerfen. Beim Bremsen aus 80 km/h benötigt der Infinity rund 13 Meter mehr bis zum Stillstand als der beste Reifen, Pirelli. Anders ausgedrückt: Das Infinity-bereifte Fahrzeug schießt noch mit 45 km/h dahin, während der Wagen mit Pirellis bereits steht.