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Sommerreifen - Auf den Gummi gefühlt

, aktualisiert am

  • Reifen werden immer breiter
  • Geringe Unterschiede beim Verbrauch
  • Enorme Differenzen in der Laufleistung

Dimensionen 185/60 R14 und 205/55 R16 im Test 

Die Tendenz hält trotz aufwallender Kos­ten- und Umweltdiskussion ungebrochen an: Auto­reifen werden immer breiter. ­Heute ­findet man schon bei Kleinwagen Pneus der Dimension 185/60 R14. Oft sind diese Fahrzeuge auch noch für größere Breiten ausgelegt. Das erscheint als Widerspruch zum Streben nach höherer Energie-Effizienz – und ist es wohl auch. Aber die zunehmend ­höheren Drehmomente, vor allem der Diesel­motoren in dieser Klasse, mögen das wohl im Sinne der gesamten Fahrsicherheit erfordern. Wir haben diese Dimension jedenfalls genauer unter die Lupe genommen. 

 Zweite Gummimischung

Mit der anderen getesteten Dimension 205/55 R16 ist eine sehr breite Palette an Fahrzeugen von der Kompakt- bis hinauf in die Mittelklasse ausgerüstet. Die kleinere Dimension entspricht der Geschwindigkeitsklasse H, also bis 210 km/h, die grö­ßere der Klasse W (bis 270 km/h). Einzige Ausnahme mit Speed-Index V bis 240 km/h: der Goodyear OptiGrip, ein völlig neuer Reifen, der sich durch eine Besonderheit auszeichnet, nämlich eine zweite Gummimischung, die erst zum Vorschein kommt, wenn der Reifen halb abgefahren ist.

Damit soll man den Ankündigungen zufolge mit einem nach der Halbzeit neu optimierten Reifen weiterfahren. Vergleichende Tests von Reifen ­unterschiedlicher Geschwin­digkeitskatego­rien werden normalerweise nicht gemacht, da Reifen verschiedener Geschwindigkeitsklassen in der Regel anders aufgebaut sind und ein unmittelbarer Vergleich folglich mit Vorsicht zu genießen ist. Doch aufgrund der augenscheinlichen Innovation wollten wir auf jeden Fall Näheres wissen.

Billigreifen als Schlusslicht

 

Billigreifen als Schlusslicht

Wie bei den im Vorjahr getesteten Dimensionen 175/65 R14 und 195/65 R15 gab es auch in diesem Jahr einen herben Rückschlag seitens der Billigreifen aus China. Extrem lange Bremswege auf nasser Fahrbahn lassen den Kenda Komet SPT-1 und den Wanli S 1032 M+S (beide 185/60 R14) als indiskutabel erscheinen. Genauso wie den Syron Race 1 (205/55 R16), der es ­immerhin in anderen Disziplinen so weit brachte, dass am Ende noch ein „durchschnittlich“ herauskam. Und Sie haben richtig gelesen: Auch der Missbrauch mit dem M+S-Symbol (siehe Wanli) ist nach wie vor nicht beseitigt.

Spagat gelingt immer besser

Das Gesamt-Qualitätsniveau der getesteten Reifen ist andererseits durchaus erfreu­lich. Es gibt immer wieder Innovationen, die den Spagat zwischen gegensätzlichen Anforderungen (etwa Rollwiderstand, Verschleiß versus Nässeeigenschaften) zusehends besser bewältigen. Bei den 185ern gibt es immerhin 7 Produkte mit der Note „gut“, bei den 205ern sind es weit mehr als die Hälfte, nämlich 11 von 17. Nicht ­immer sind die als Premium bekannten Marken weit vorne, vereinzelt können sie auch nach ­hinten rutschen. So hätte der Fulda ­Carat Progresso (Zweitmarke von Goodyear) durchaus das Zeug gehabt, ganz vorne zu landen, wäre er nicht bei der ­Umweltwertung durch seinen sehr hohen PAK-Gehalt (polyzyklische aroma­tische Kohlenwasserstoffe) aufgefallen. Ent­­täuschend auch der Vredestein Hi-trac durch schwache Leistungen auf ­trockener Fahrbahn.

Dagegen behaupteten sich in der 205er-Dimension unterm Strich nicht nur Premiumhersteller wie Goodyear, Michelin, Continental und Bridgestone, sondern auch die etwas preisgünstigeren Fulda und Firestone.

Kraftstoffverbrauch

Kaum Unterschiede im Kraftstoffverbrauch

Die Unterschiede im Kraftstoffverbrauch sind im Vergleich zum Vorjahr noch kleiner geworden. Zwischen niedrigstem und höchstem Verbrauch liegen in der klei­neren Dimension 0,2 Liter je 100 km (oder 3 Prozent), in der größeren Dimension 0,4 Liter (oder 5,2 Prozent). Im Vorjahr ­lagen die Unterschiede zwischen 0,3 und 0,5 Litern. Beim Verschleiß gibt es nach wie vor erhebliche Differenzen: Der Michelin Energy Saver fährt rund doppelt so weit wie die vergleichbaren Produkte von Firestone und Yokohama.

Einen Hinweis darauf, dass ein Satz ­Reifen nicht genügt, um verlässliche Werte zu be­kommen, lieferte der Pirelli P6 Cinturato. Die qualitativen Unterschiede zwischen einzelnen Reifensätzen waren so groß, dass er aus der Liste genommen werden musste. Begründet werden die großen Unter­schiede von Pirelli mit Schwierigkeiten bei der Gummimischung im Serienanlauf.

Erstmals seit Langem gab es wieder ein ­Prob­lem mit der Schnelllaufprüfung. Die ­Reifen von Kumho und Avon zeigten Schäden ab 270 km/h und bestanden damit zwar den ECE-Test, erfüllten aber nicht unsere etwas schär­feren Kriterien (bis 280 km/h).

Was die Innovation bringt

Eine besondere Rolle spielte der eingangs erwähnte, völlig neu konstruierte ­Goodyear OptiGrip. Seine darunterliegen­de zweite Gummimischung beginnt sozusagen ein neues Leben, mit frischen Talenten zur Wasserverdrängung, wenn er auf vier Millimeter abgefahren ist. Der versprochene Vorteil konnte nicht unmittelbar nachvollzogen werden. Was aber blieb und auch auf die neue Konstruktion zurückzuführen sein kann: Durch seinen geringen Verschleiß bleibt sein Profil grundsätzlich ­länger erhalten. Zu beachten ist: Der Opti ­Grip hat einen konstruktionsbedingten Vorteil gegenüber den anderen Testkandi­daten. ­Reifen niedrigerer Geschwindig­keitsklassen haben einen etwas beweg­licheren Unterbau und müssen für die Verformung weniger Energie aufwenden, was sie beim Kraftstoffverbrauch etwas begüns­tigt. Ähnlich beim Verschleiß: Die Kontur des Pneus ist weniger rund, das ergibt eine bessere Aufstandsfläche.

Tabelle: 3/2009 Sommerreifen 185/60 R14 H

Tabelle: 3/2009 Sommerreifen 205/55 R16 W

Testkriterien Sommerreifen

Aus einem internationalen Gemeinschaftstest von Sommerreifen veröffentlichen wir die Ergebnisse der in Österreich erhältlichen Modelle.

Preise

Durchschnittswert aus der Befragung von Anbietern (Hersteller und Händler, auch Online-Anbieter). Alle Preise pro Stück, ohne Auswuchten, Ventil und Montage.

Nasse Fahrbahn

Handling: Zeitwertung und subjektives Urteil auf dauerberegnetem 1900-Meter-Kurs. Bremsen auf dauerberegnetem Asphalt und Beton aus 80 auf 20 km/h. Aquaplaning auf Geraden: Einfahrt in eine 7 mm tiefe Fließwasserstrecke und Beschleunigungen. Aquaplaning in Kurven: Befahren einer 200-m-Kreisbahn mit einem dauerberegneten Teilstück von 4 mm Wassertiefe. Einfahrt mit konstantem Lenkeinschlag mit 65 bis 95 km/h. Seitenführung: Befahren einer dauerberegneten Asphalt-Kreisbahn auf Zeit.

Trockene Fahrbahn

Subjektive Beurteilung der Fahrstabilität: Geradeauslauf (auch im Schub-/Zugbetrieb und bei Lastwechsel), Ansprechverhalten auf Lenkbefehle, Verhalten der Hinterachse bei minimalen Lenkwinkeländerungen und Gleichmäßigkeit der Seitenkraft (Linearität). Handling: Spurhaltung in Kurven, Zielgenauigkeit und Kurvenfestigkeit. Bremsen: Auf trockener Asphaltfahrbahn (Contidrom) werden ABS-Bremsungen von 100 auf 0 km/h durchgeführt. Pro Reifentyp 6 Messfahrten.

Umwelteigenschaften

Verschleißfestigkeit: Prüfung am Prüfstand und im Konvoi über eine Strecke von ca. 10.000 Kilometern und auf dem Verschleißprüfstand, Messung der Profiltiefe an je 24 Reifenstellen. Kraftstoffverbrauch: Verbrauchsmessungen bei 80, 100 und 130 km/h. Geräusch – Außengeräusch: subjektive Beurteilung einer Kunstkopfaufnahme der Abrollgeräusche auf einer Asphaltstrecke mit 80 km/h bei abgestelltem Motor sowie Ermittlung der Messwerte in dB(A). Innengeräusch: subjektive Beurteilung bei Fahrten auf trockenem Asphalt und Beton mit 30 bis 80 km/h. PAK-Gehalt: Aus der Lauffläche wurden Proben entnommen und untersucht. Bewertet wird die Summe aller PAK in mg pro kg Laufflächengummi.

Schnelllaufprüfung (nicht bewertet):

Höchstgeschwindigkeitstest nach den über die DIN 78051 hinausgehenden Anforderungen (+ 10 km/h) auf einem Außentrommelprüfstand. Von allen Reifen bestanden.

Kompetent mit "Konsument"

Kompetent mit "Konsument" 

  • Enorme Unterschiede im Verschleiß. Die ­in diesem Bereich besten Reifen schaffen im Vergleich mit den schlechtesten die doppelte Laufleistung.
  • Fast gleichauf im Verbrauch. Die Unterschiede halten sich bei diesem Test mit 0,2 bzw. 0,4 l/ 100 km in Grenzen, zumal man alleine durch moderate Fahrweise noch deutlich mehr Kraftstoff sparen kann.
  • Dimension. Breitere Reifen als notwendig sind teurer und ziehen mitunter einen (geringfügig) höheren Verbrauch nach sich. Und im komplexen Zusammenwirken mit dem Fahrzeug haben sie möglicherweise auch andere Nachteile.

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