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Paradeiser im Schnee
Paradeiser im Schnee Bild: Sergei25/Shutterstock

Tomaten im Winter - Aus heimischer Produktion?

Es gibt sie mittlerweile auch im Winter aus heimischer Produktion. Aber ist das ökologisch sinnvoll oder sind bio und saisonal erzeugte Tomaten besser? KONSUMENT gibt Antworten.

Viele Tomatenliebhaber stehen im Winter vor der Frage: Welche Tomaten kann ich guten Gewissens kaufen – heimische, Bio-Ware aus Italien, die aus Spanien? Wann haben Tomaten eigentlich Saison? Und: Welche Tomaten sind tatsächlich nachhaltig? Vorweg: Wer Saisonalität, biologische Erzeugung und Regionalität beim Einkauf berücksichtigt, ist in puncto Nachhaltigkeit auf der sicheren Seite.

Freiland: kurze Saison, geringer Ertrag

Wärme und Licht sind zwei zentrale Faktoren, damit Tomatenpflanzen gedeihen können. Deshalb haben Paradeiser in Österreich im Sommer Saison. Der Freilandanbau, wie man ihn etwa aus dem Garten kennt, spielt für den Lebensmittelhandel keine Rolle. Zu kurz die Saison, zu gering der Ertrag. Die Pflanzen reagieren einfach zu empfindlich auf Umwelteinflüsse wie Nässe oder Kälte.

Um die Saison zu verlängern und die Pflanzen vor der Witterung zu schützen, stammen heimische Paradeiser im Sommer aus Folientunneln oder Glashäusern. Folientunnel-­Tomaten werden etwa zwischen Juni und September geerntet. Hier wird nicht beheizt – das erledigt die Sonneneinstrahlung.

Dünger, Pflanzenschutz, Wasser

In klassischen Glashäusern kann die Saison von März bis November ausgedehnt werden. Das ist durch Beheizung der Glashäuser während der kühlen Monate möglich. Im Gewächshaus wird die Temperatur genau eingestellt – ebenso wie etwa die Düngung, Pflanzenschutz-Maßnahmen oder der Wasserbedarf. Einzig das Licht wurde ursprünglich nicht gesteuert. Im klassischen Gewächshaus-Anbau gab es keine künstliche Beleuchtung für die Pflanzen.

Das Licht war bis vor Kurzem der limitierende Faktor des heimischen Tomatenananbaus. Daher gab es früher von Dezember bis Februar auch keine österreichischen Tomaten. Im Winter sind die Tage in Österreich viel zu kurz für die lichthungrigen Pflanzen.

Hochleistungslampen verlängern Saison

Die Lösung brachten Hochleistungslampen. Sie bestrahlen die Pflanzen mit geeignetem Licht und sie spenden Wärme. In Kombina­tion mit entsprechend gezüchteten Sorten lässt sich so der Ertrag enorm steigern. Das Manko: Eine solche Hightech-Anlage ist in der Errichtung wie im Betrieb ressourcen- und kostenintensiv. 

Raphael Fink, Umweltzeichen-Team

 

"Wer Saisonalität, biologische Erzeugung und Regionalität beim Einkauf berücksichtigt, ist in puncto Nachhaltigkeit auf der sicheren Seite."


Raphael Fink | Österreichisches Umweltzeichen | rfink@vki.at

 

Verlierer und Gewinner

Verlierer und Gewinner 

Das kann sich der kleine Gemüsebauer in der Regel nicht leisten. Auch rentiert sich eine solche Investition erst ab einer gewissen Betriebsgröße. Eines dieser neuen, hochmodernen Gewächshäuser in Österreich hat eine Fläche von 23 Hektar. Das sind mehr als 32 Fußballfelder. Die Größe reicht aus, um die österreichweite und exklusive Belieferung einer Handelskette mit Tomaten zu gewährleisten. Exklusiv heißt: Bisherige, kleinere Tomatenproduzenten bringen ihre Ware nicht mehr an.

Mit dem Kauf heimischer Tomaten im ­Winter unterstützt man also keine kleinbäuerlichen Familienunternehmen. Es profitieren kapitalintensive Großbetriebe – wenn ein einziger Großproduzent eine ­gesamte Handelskette beliefert, spart sich diese Kosten im Einkauf. Das wiederum trägt zum bereits stattfindenden Strukturwandel der heimischen Landwirtschaft bei, weg von einer Vielzahl kleiner Betriebe hin zu einer kleinen Zahl von Großbetrieben.

Nicht sehr nachhaltig 

Solche riesigen beleuchteten Glashäuser bringen neben einem immensen Energieverbrauch auch weitere ökologische Probleme mit sich. Je nach eingesetztem Energieträger können die Treibhausgasemissionen gigantisch sein. Mega-Glashäuser bedeuten zudem eine weitere Flächenversiegelung. Dabei wird in Österreich unabhängig von der Landwirtschaft bereits jetzt so viel Fläche zubetoniert wie in keinem anderen EU-Land.

Würde man auf dem jährlich hierzulande versiegelten Boden Nahrungsmittel anbauen, könnte man 20.000 Menschen ernähren. Das hat das Umweltbundesamt berechnet. Der Verlust an Anbaufläche führt zwangsläufig dazu, dass die Abhängigkeit Österreichs von Lebensmittelimporten weiter steigt.

Neben dem Kleinbauernsterben bewirken die Mega-Glashäuser auch Unmut in der lokalen Bevölkerung. In der winterlichen Dunkelheit ist der Lichtsmog aus einer ­derartigen Produktionsstätte weithin sichtbar. Für die Anrainer ist zudem der ­stetige und zunehmende Lkw-Verkehr zwecks Abtransport der Tomaten eine ­große Belastung.

Auch mit Regionalität hat dies nichts mehr zu tun. Eine oststeirische Wintertomate, die im Vorarlberger Rheintal landet, ist ­definitiv nicht regional. Selbst wenn man in unmittel­barer Nähe eines Glashauses wohnt, fällt die Energiebilanz vernichtend aus. Auch der Einsatz von Öko-Energie ­erscheint fragwürdig, wäre es doch wesentlich sinn­voller, diese etwa zur Beheizung von Wohngebäuden zu nutzen.

Was ist Regionalität?

Eine Region ist ein nationaler oder staatenübergreifender Landschafts- oder Kulturraum. Der Begriff Regionalität allein, noch dazu assoziiert mit "aus Österreich", ist wenig aussagekräftig. Auch der Schweinebauer aus der Region mit konventioneller Aufzucht kann gentechnisch verändertes Soja aus Südamerika verwenden. Regionalität ist kein gesetzlich geschützter Begriff.

Lediglich bei der geschützten geografischen Angabe (g.g.A.) handelt es sich um ein Label, das nur für Produkte mit einem bestimmten Herstellungsverfahren in einem stark eingegrenzten Gebiet verfügbar ist (z.B. Marchfeldspargel). Auf die Tomaten umgelegt, bedeutet das: Wem lediglich die Herkunft aus Österreich wichtig ist, der ökologische Rucksack und der Erhalt der kleinbäuer­lichen Landwirtschaft aber nicht, der kann zu heimischen Wintertomaten greifen. 

Tomaten aus dem Süden

Was ist Saisonalität?

Die Saison hängt von den jahreszeitlichen Bedingungen wie Tageslänge, Temperatur und Witterung ab. Saisonal ist daher das, was aufgrund der klimatischen Bedin­gungen an einem bestimmten Standort im Freiland angebaut und geerntet werden kann. Und das ist regional unterschiedlich. Während es bei uns noch zu kalt ist, haben Tomaten auf Sizilien bereits Saison.

Gewächshäuser und Eingriffe wie Beheizung oder Beleuchtung führen dazu, dass Obst und Gemüse auch außerhalb der ­eigentlichen Saison in Österreich wachsen kann. Deshalb hat es aber noch lange nicht Saison. Slogans wie „ganzjährig saisonal“ oder „hat immer Saison“ könnten daher als Konsumententäuschung verstanden werden.

Der Idealfall ist saisonale Ware, die aus der näheren Umgebung bezogen wird. Eine derartige Möglichkeit stellen Bio- oder Bauernkistln dar, die regional-saisonale Waren anbieten. So muss sich der Konsument keine Gedanken darüber machen, was gerade Saison hat oder nicht. Darum kümmert sich der Bauer.

Biologischer Anbau

Umfassende Nachhaltigkeit beim Einkauf wird erreicht, wenn auch die Erzeugungsart mitbedacht wird. Im konventionellen Tomaten­anbau kommen Pflanzenschutz- und Düngemittel zum Einsatz, die im biologischen Anbau aus ökologischen Gründen verboten sind. Außerdem müssen im biologischen Tomatenanbau die Pflanzen in Erde gesetzt werden. Der ressourcenintensive Anbau auf Steinwolle oder Kokosfaser, wie im konventionellen Glashausanbau üblich, ist nicht erlaubt. Ins­gesamt ist der biologische Tomatenanbau daher ressourcenschonender, reduziert ­klimaschädliche Emissionen und leistet ­einen Beitrag zur Artenvielfalt.

Tomaten aus dem Süden

Ausländische Tomaten sind auf andere Art und Weise nicht nachhaltig als heimische Winterparadeiser. Hier schlagen etwa längere Transportwege zu Buche. Wobei die Auswirkung des Transports oft überschätzt wird. So ist der CO2-Fußabdruck und Energiebedarf von Tomaten aus dem Süden ­geringer als jener von heimischen Wintertomaten – da sie nicht beleuchtet und ­beheizt werden müssen.

Neben Licht und Wärme brauchen Tomaten aber auch sehr viel Wasser. Ein rares Gut im sehr trockenen Süden Spaniens oder Italiens. Auch der Pestizideinsatz ist dort höher als der in Österreich. Und die Arbeitsbedingungen sind deutlich schlechter als in heimischen Betrieben. Die Arbeitskräfte, vielfach Arbeitsmigranten aus Nordafrika, schuften und leben hier unter großteils erbärmlichen ­Bedingungen.

Almeria, der Gemüsegarten Europas in Südspanien, wird auch Mar del Plástico, das Plastikmeer, genannt. Der ­Name kommt daher, dass dieses Anbaugebiet eine riesige, glitzernde Fläche aus dicht an dicht gebauten Foliengewächshäusern ist. Gegen Tomaten aus dem Süden sprechen also die soziale Komponente sowie der hohe Wasser- und Pflanzenschutzmittelbedarf.

Eine einfache Faustregel 

Klingt alles kompliziert. Muss es aber nicht sein. Eine ganz einfache Faustregel für den nachhaltigen Einkauf lautet: regional, saisonal und bio kombinieren.

Wem Nachhaltigkeit also ein ernsthaftes Anliegen ist, der verzichtet im Winter auf Tomaten. Stattdessen bietet sich heimisches Wintergemüse an. So tappt man in keine ökologische oder soziale Falle.

Wer den Geschmack von Paradeisern im Winter dennoch nicht missen möchte, kann während der Saison, also im Sommer, geschmacksintensive heimische (Bio-)Tomaten verarbeiten und haltbar machen. Zum Beispiel, indem er sie zu Sugo verarbeitet oder trocknet. 

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