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Wirtschaftsbegriffe: Staatsverschuldung - Der Jammer mit den Schulden

Die öffentliche Verschuldung wird oft sehr emotional diskutiert. Die wirtschaftlichen Fakten zeigen auch deren positive Effekte auf.

(Cartoon: Rosch)Der Schuldenberg liegt gleich neben dem Jammertal, heißt es im Volksmund. Schulden zu machen ist übel beleumundet. Dabei ist ein Darlehen in der Wirtschaft, aber auch im privaten Bereich oft unumgänglich, um einen finanziellen Engpass zu überstehen oder sich etwas Nachhaltiges zu schaffen – sei es das eigene Heim, ein fahrbarer Untersatz für bessere Verdienstmöglichkeiten oder auch das Fundament für ein Unternehmen.

Investitionen und Förderungen

Ebenso kann der Staat durch die Aufnahme von Krediten Budgetnotlagen übertauchen und die Wirtschaft ankurbeln – etwa, indem er gezielt Förderungen vergibt oder Investitionen tätigt, die Unternehmen neue Aufträge sichern und Privatpersonen Arbeitsplätze oder mehr Spielraum für Konsumausgaben.

Dennoch ist das Schuldenmachen von Vater Staat vielen ein Dorn im Auge. So ist nicht zuletzt in den Medien oft von der stetig wachsenden Schuldenlast für die nächsten Generationen die Rede. Faktum ist, dass sich bis auf eine Handvoll Kleinststaaten – darunter die "üblichen Verdächtigen" mit sehr steuer- und unternehmensfreundlichen Rahmenbedingungen – kein Land findet, das nicht ein gewisses Maß an Staatsverschuldung ausweist.

Der Staatshaushalt ist kein Unternehmen

Vereinfacht gesagt sind unter öffentlichen Schulden die Verbindlichkeiten des Staatssektors gegenüber Dritten zu verstehen. Zum staatlichen Sektor zählen neben dem Zentralstaat selbst die Länder und Gemeinden sowie die Sozialversicherung.

Geraten im Staatshaushalt die Einnahmen und die Ausgaben in ein Ungleichgewicht und sind kurzfristig weder Ausgabenkürzungen noch Einnahmensteigerungen (etwa durch höhere Steuern) möglich, so kann das Haushalts­defizit nur durch die Kreditaufnahme (etwa über Staatsanleihen) ausgeglichen werden.

Kritiker der öffentlichen Verschuldung merken an, dass der Staat – ebenso wie ein Unternehmen oder ein privater Haushalt – nur "richtig wirtschaften" müsse, um das Defizit im Griff zu haben; etwa, indem Staatseigentum abgestoßen wird, statt Schulden anzuhäufen (siehe Kapitel "Schulden machen oder Tafelsilber verscherbeln?"). Dem stehen aber gewichtige Argumente entgegen.

Langzeiteffekte

Langzeiteffekte

Zum einen investiert der Staat nicht in neue Fabriken, sondern oft in Straßen, Schulen und andere Infrastruktur, was keinen direkten Gewinn bringt, sondern nur auf indirekte, schwer messbare Gewinne hoffen lässt: Eine bessere Infrastruktur ermöglicht es den Unternehmen, produktiver zu arbeiten und somit mehr Gewinne zu erwirtschaften und höhere Löhne zu zahlen. Das höhere Einkommen der Unternehmen und der Beschäftigten führt zu einem höheren Einkommen des Staates, da er durch Besteuerung an den Einkommen aller teilhat.

Mitunter sind die Effekte auch sehr langfris­tig: So wird geschätzt, dass Bildungsaus­gaben gesamtwirtschaftlich das Achtfache der Kosten an Rendite bringen – doch bis die nachfolgende Generation den kompletten Bildungsweg von der Einschulung bis zum Studienabschluss absolviert hat, vergehen an die 20 Jahre. Umgekehrt merkt man Einsparungen im Bildungssektor nicht sofort, später dafür umso schmerzhafter.

Der Staat muss alle bedienen

Zum anderen sorgen nicht alle Staatsaus­gaben für mehr Wirtschaftstätigkeit. Auf­gabe des Staates ist, das Leben seiner Bürger zu verbessern – durch Sicherheit, Straßen, Bildung, Rechtswesen oder Schutz der Umwelt, genauso aber durch Freizeiteinrichtungen wie Schwimmbäder und Sportanlagen, Theater und Opernhäuser oder auch die Förderung zunächst weniger breitenwirksamer Kunst- und Kulturinitiativen. Nicht alles davon bringt eine wirtschaftliche Rendite, zumindest nicht sofort.

Beispiel Abwasserreinigung

Trotzdem ist es oft gesellschaftlich sinnvoll und erwünscht. Ein Beispiel dafür ist der Ausbau der Abwasserreinigungsanlagen rund um die stark mit Stickstoff und Phosphor belasteten österreichischen Seen in den 1970er-Jahren, der überwiegend von der öffentlichen Hand gefördert und finanziert wurde.

Heute weisen nahezu alle heimischen Badegewässer exzellente oder gute Qualität nach den strengen Vorgaben der EU-Badegewässer-Richt­linie auf. Das freut nicht nur die heimische Bevölkerung, sondern ist auch touristisch bestens verwertbar.

Geldvermögen und Geldschulden

Ausgabenkürzungen rechnen sich oft nicht

Auf den ersten Blick hat der Staat mehr Handlungsspielraum im Umgang mit Schulden als private Akteure, da er seine Budgetlage theoretisch durch Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen schlagartig verbessern kann. Andererseits muss der Staat aber als weitaus größter Akteur einer Volkswirtschaft auch mehr Aspekte berücksich­tigen.

Niedrigere staatliche Ausgaben würden Einnahmenrückgänge bei den anderen wirtschaftlichen Akteuren und damit auch geringere Steuereinnahmen (und eventuell höhere Ausgaben, z.B. für Arbeitslosengeld) zur Folge haben. In einer schlechten wirtschaftlichen Lage kann dieser Effekt nachweislich so stark sein, dass der Staat durch Ausgabenkürzungen ähnlich viel oder sogar mehr an Einnahmen verliert, als er an Aus­gaben gespart hat.

Geldvermögen versus Geldschulden

Außerdem ist der Staat der einzige Wirtschaftsteilnehmer, der Sparwunsch und Verschuldungswunsch der restlichen Akteure gegeneinander ausbalancieren kann: Da in einer Volkswirtschaft bei ausgeglichenem Außenhandel nur so viel gespart werden kann, wie an Krediten aufgenommen wird, kann niemand so viel sparen oder Schulden zurückzahlen wie geplant, wenn der Staat sich bei der Schuldenaufnahme deutlich zurückhält.

Wollen beispielsweise die Unternehmen 3 Prozent des BIP an neuen Schulden aufnehmen, um zu investieren, und wollen die Haushalte 5 Prozent des BIP sparen, muss der Staat bei ausgeglichenem Außenhandel Schulden in Höhe von 2 Prozent des BIP machen, um diese Ziele erreichbar zu machen.

Einer hat immer das Bummerl

Staatsschulden sind also in unserem aktuellen Wirtschaftssystem nicht so sehr ein Problem, vielmehr eine Notwendigkeit. Speziell in Situ­ationen, in denen Unternehmen oder Haushalte dringend Schulden abbauen müssen (z.B. nach dem Platzen einer Spekulations­blase), sind neue Staatsschulden unvermeidlich, weil ohne einen Wirtschaftsakteur, der ein Defizit erzielt, keine Überschüsse möglich sind.

Im schlimmsten Fall könnte eine Volkswirtschaft in einer solchen Situation in eine Rezession oder gar in eine Deflationsspirale geraten. Vom Geschick der jeweiligen Staatsführung hängt es ab, eine gesunde Balance zwischen Schuldenabbau und wirtschaftlich notwendiger Neuverschuldung zu finden.

Zusammenfassung

  • Öffentliche Verschuldung. Reichen die Einnahmen eines Staates nicht, um alle wirtschaftlich und gesellschaftlich für notwendig erachteten Ausgaben zu finan­zieren, kann der Staat wie ein Unternehmen oder eine Privatperson Kredite aufnehmen.
  • Manövriermasse. Mittels Verschuldung erlangt der Staat in unserem Wirtschaftssystem den nötigen Spielraum, um Unternehmen und private Haushalte beim Abbau von Schulden zu unterstützen und die Einnahmen von Unternehmen und Haushalten zu steigern.
  • Langfristige Effekte. Durch kredit­finanzierte Investitionen des Staates wird nicht immer ein direkter Gewinn erzielt, sondern sie wirken oft erst nach Jahren bis Jahrzehnten.

Schulden machen oder Tafelsilber verscherbeln?

Während die einen in finanziell schwierigen Zeiten dafür plädieren, Schulden zu machen und diese in wirtschaftlich besseren Zeiten wieder abzubauen, setzen vehemente Gegner der Staatsverschuldung gern auf den Verkauf von staatlichem Eigentum.

Dazu zählen vor allem Immobilien in staatlichem Besitz – etwa Kasernen oder Seegrundstücke, staatliche Unternehmen oder Be­teiligungen daran, aber auch Infrastrukturobjekte wie Flughäfen oder Autobahnen.

Privat wird es teurer

Allerdings ist es für einen Staat oft keine Option, sein Sachvermögen zu verkaufen. So gibt es zum Beispiel für eine Autobahnbrücke nicht viele potenzielle Käufer. Findet sich doch ein privater Betreiber, so wird er die Kosten für seine Investition wieder hereinholen wollen, etwa durch eine Maut. Da sich das Unternehmen aber nicht so günstig verschulden kann wie der Staat und darüber hinaus Gewinne erwirtschaften möchte, ist diese Lösung für den Bürger letztendlich teurer als eine Steuererhöhung, wie der Bundesrechnungshof bei Projekten in öffentlich-privater Partnerschaft ("Public-Private Partnership") nicht müde wird aufzuzeigen.

Was passiert bei Insolvenz?

Zudem stellt sich die Frage, was passiert, wenn das Unternehmen, das die Autobahnbrücke er­worben hat, insolvent wird. Anders als Unternehmen kann sich der Staat nicht einfach aus der Verantwortung stehlen, sondern muss, wenn ein normales Alltagsleben weiterhin gewährleistet werden soll, die Infrastruktur aufrechterhalten – und gestrauchelte privatunternehmerische Schuldenabenteuer gegebenenfalls auffangen, wie etwa 2008 mit dem Maßnahmenpaket zur Teilverstaatlichung von Banken oder der Notverstaatlichung der Hypo Group Alpe Adria ein Jahr später.

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