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Kräuterspirale
Kräuterspirale Bild: Mira-Drozdowski / shutterstock.com

Permakultur: Lernen von der Natur

Wer die Natur beobachtet und nachahmt, schafft in seinem Garten ökologische Systeme, die gesund, nachhaltig und produktiv sind. Genannt wird das Permakultur.

Gerade jetzt, wenn die letzten sommerlichen Blumen verblühen und das erste Laub zu Boden fällt, kann man seinen Garten im Sinne der Permakultur winterfit machen. Selbiges gilt auch für Terrassen, Balkone oder Blumenkisten. Laub, Verblühtes und Pflanzenschnitt dürfen einfach liegenbleiben, sorgen für natürliche Wärme in kalten Wintern, bieten Kleintieren Unterschlupf und verwandeln sich in gesunden Humus. So einfach ist Permakultur.

Zusammenspiel der Natur nachahmen

Der Begriff ist eine Kombination aus den englischen Wörtern permanent und agriculture und bedeutet ein Lernen von beziehungsweise Beobachten der Natur, deren Strukturen und Mustern. Bei der Permakultur geht es um ein harmonisches Zusammenspiel unterschiedlichster Elemente, die aber jedes für sich ganz bestimmte Aufgaben erfüllen. Entwickelt wurde das System vom Australier Bill Mollison und seinem Schüler David Holmgren in den 1970er Jahren. Sie verstanden Permakultur als Gegenentwurf zur konventionellen, industriellen Landwirtschaft mit ihren Monokulturen und dem Einsatz von Pestiziden.

Altes Wissen neu erarbeitet

Am Hendlberg nahe der Ortschaft Brand-Laaben, knapp 40 Kilometer westlich von Wien, hat Volkmar Geiblinger vor fünf Jahren mit seiner im vergangenen Winter viel zu früh verstorbenen australischen Frau Nicole begonnen, den gemeinsamen Grund im Sinne der Permakultur zu bepflanzen. Er ist einer von vielen Hobbygärtnern und Nebenerwerbslandwirten, die diese Form der Bewirtschaftung für sich entdeckt haben. Die Straße auf den Hendlberg hinauf ist steil, oben angekommen gibt es die Aussicht auf den Schöpfl, den höchsten Berg des niederösterreichischen Wienerwaldes, als Belohnung.

Volkmar Geiblinger hat sich das Wissen über Permakultur auf zahlreichen Seminaren angeeignet. Das Ganze sei ja nicht neu, sagt er, denn schon vor der industriellen Revolution musste man mit der Natur arbeiten, man musste das lokale Klima und die Gegebenheiten nutzen. Neu sei, dass das Wissen über ähnliche Klimabedingungen in unterschiedlichen Kulturkreisen zusammengetragen, verglichen und wissenschaftlich überprüft wurde.

Vom Selbstversorger gelernt

Gelernt hat Volkmar Geiblinger auch beim österreichischen Permakultur-Guru Sepp Holzer. Geboren 1942, wuchs Sepp Holzer am elterlichen Hof – dem Krameterhof – im salzburgischen Lungau auf. Da der Hof isoliert lag, war die Familie darauf angewiesen, sich komplett selbst zu versorgen. Alles wurde händisch gemacht, Tiere und Menschen lebten in natürlicher Symbiose. Schon als Kind zeigte Sepp Holzer reges Interesse an der Natur, experimentierte mit Keimen und Samen. Er besuchte eine Landwirtschaftsschule und machte Zusatzausbildungen in Sachen Obstanbau und Fischerei.

Als er schließlich den Hof der Eltern übernahm und sein angelerntes Wissen anwenden wollte, funktionierte das nicht besonders gut. Und so entwickelte er eine andere, naturnahe Bewirtschaftung – ausgehend von den Erinnerungen, die er an seine Kindheit hatte. Später bemerkte er, dass seine Theorie in vielem der Permakultur der oben erwähnten Australier glich: die Holzer´sche Permakultur war geboren. Seit 2009 wird der Krameterhof von der nächsten Generation bewirtschaftet, außerdem werden Kurse, Führungen und Lehrgänge angeboten.

Galerie: Am Hendlberghof

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Ausblick vom Hendlberghof
Ausblick vom Hendlberghof | Bild: Uli Jürgens
Mischkultur am Hendlberghof
Mischkultur am Hendlberghof | Bild: Uli Jürgens
Volkmar Geiblinger vor seinem Wohnhaus
Volkmar Geiblinger vor seinem Wohnhaus | Bild: Uli Jürgens
Ausblick vom Hendlberghof
Ausblick vom Hendlberghof | Bild: Uli Jürgens
Mischkultur am Hendlberghof
Mischkultur am Hendlberghof | Bild: Uli Jürgens
Volkmar Geiblinger vor seinem Wohnhaus
Volkmar Geiblinger vor seinem Wohnhaus | Bild: Uli Jürgens

Der Wasserhaushalt

Ganz wichtig ist in der Permakultur natürlich der Wasserhaushalt. Einer der Permakultur-Grundsätze ist es, Energie (also Sonne und Wasser) zu sammeln und zu speichern. Mit gesammeltem Regenwasser kann der Garten bewässert werden, bei Gärten mit Gefälle ist es sinnvoll, Terrassierungen vorzunehmen. Denn, sagt Volkmar Geiblinger, so fließe das Wasser nicht ungenutzt an der Oberfläche ab, sondern könne einsickern.

Mischkultur

Auf seinen Terrassen gedeiht den ganzen Sommer über jede Menge Gemüse: Paradeiser, Gurken, Bohnen, Zucchini und vieles mehr. Es ist ein buntes Miteinander, eine sogenannte Mischkultur. Beliebte Blumen für dazwischen sind Tagetes, auch Studentenblumen genannt, die gegen schädliche Fadenwürmer, sogenannte Nematoden, helfen. Es gilt, wie in jedem Garten, die Fruchtfolgen zu beachten, manches wird früh geerntet, manches braucht länger. In seinem Gemüsegarten fressen Enten die lästigen Schnecken. Im Gegensatz zu seinen Nachbarn, sammle er seit Jahren keine Schnecken mehr ein, freut sich Volkmar Geiblinger über seine tierischen Helfer.

Die Vielfalt machts

Permakultur ist vielfältig. Man versucht, verschiedene Elemente miteinander in Verbindung zu bringen und das Beste aus diesen Kombinationen zu machen. Zum Beispiel können in einem Obstgarten Hühner gehalten werden, um das Obst vor Schädlingsbefall zu schützen. Hühner scharren gerne, sie fressen die Larven der Schädlinge im Boden und unterbrechen somit den Kreislauf des Schädlingsbefalls. Das Obst kann störungsfrei reif werden, der Ertrag ist gesichert. Weiterer Vorteil: Neben Obst gibt es täglich frische Eier oder Hühnerfleisch.

Hühnerhaltung ist mittlerweile sogar in städtischen Bereichen gar nicht mehr so ungewöhnlich. Und es sei eben ein ganz anderer Ansatz, als Hühner in riesigen Hallen zur Eierproduktion zu halten beziehungsweise Obstgärten großflächig mit Pestiziden zu behandeln, meint Volkmar Geiblinger.

Keine Patentrezepte

Je nach Mikroklima gedeihen im Garten oder auf der Terrasse andere Pflanzen. Paradeiser mögen es sonnig, Farne oder Moose brauchen Schattenplätze. Ein allgemeingültiges Rezept gibt es nicht, es gilt, die Umgebung und die Nachbarschaft zu beobachten und dann die richtigen Maßnahmen zu setzen.

Kräuterspirale anlegen

Es gibt natürlich einzelne Permakultur-Elemente wie die Kräuterspirale, die auf kleinstem Raum zahlreichen Pflanzen den optimalen Standort bietet. Rund um einen Steinhaufen windet sie sich in die Höhe, nach oben hin kommt immer mehr Sand in den Boden, um ihn durchlässiger zu machen. So eine Spirale kann entweder selbst gebaut werden, es gibt in Gartencentern aber auch fertige Bausätze.

Rosmarin, Thymian, Basilikum, Kerbel, Kresse ...

Ganz oben gedeiht Rosmarin, absteigend dann Thymian, Basilikum, Kerbel und Pfefferminze. Ganz unten kann ein kleiner Teich angelegt werden, an dessen Rand fühlen sich Brunnenkresse oder Sauerampfer wohl.

Randzonen ausbauen

Randzonen – also Grenzbereiche an Teichufern aber auch zwischen Wald und Wiese – sind besonders spannend. In der Permakultur werden solche Grenzzonen verlängert: Ein ovaler Teich oder ein Teich mit einer Halbinsel hat mehr Grenzzone als ein runder. Und an den Randzonen im Garten kann eine wilde Wiese stehengelassen werden. Ein Tipp von Volkmar Geiblinger: Für die Wiese holt man sich am besten Blütenmischungen von Wiesen in der Umgebung, denn das sind Sorten, die dort funktionieren. In gekauften Mischungen sind oft Arten dabei, die einen anderen Standort bevorzugen würden.

Alles darf wachsen

In einem Permakultur-Garten darf prinzipiell alles wachsen. Auch Unkräuter. Denn sie erfüllen wichtige Aufgaben. In der Natur in unseren Breiten gibt es eigentlich keine offenen Böden, außer nach Naturkatastrophen wie Murenabgängen. Pionierkräuter (die eben oft Unkräuter genannt werden) haben die Funktion, einen offenen Boden sofort wieder abzudecken.

Unkraut zupfen ist also gar keine so gute Idee, denn Brennnesseln zum Beispiel dienen neben ihrer Funktion, den Boden zu schützen, auch als Nahrung – für uns Menschen genauso wie für die Raupen verschiedener Schmetterlingsarten, wie Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs oder Admiral. Drei Grundsätze der Permakultur sind an diesem Modell einfach erklärt: Earthcare (Pflege der Erde), peoplecare (Fürsorge für den Menschen) und fairshare (gerechtes Teilen von Ressourcen).

Auch auf kleinem Raum

Das Schöne an der Permakultur ist, dass man sie auch auf kleinstem Raum anwenden kann. Als Volkmar Geiblinger noch in der Stadt wohnte, hat er in seiner damaligen Wohnung spezielle Pflanzentröge an die Fenster montiert, mit einem gefinkelten Bewässerungssystem von Trog zu Trog und zahlreichen Möglichkeiten der Bepflanzung – da gab es horizontale Beete genauso wie vertikale Möglichkeiten.

In Zeiten von Klimawandel und Hitze in der Stadt sind neben Dach- und Fassadenbegrünungen auch solche (kleinen) Lösungen überaus sinnvoll, sie können sogar hausgemeinschaftsverbindend sein, zusammen „garteln“ macht einfach mehr Spaß. Und ist außerdem ganz im Sinne der Permakultur, die auch in soziale Strukturen hineinreicht: Es geht um eine „Kultur“, die permanent überleben kann. Und das schaffen wir wohl nur gemeinsam.

Wenig Energieverbrauch

Wer sich der Permakultur verschreibt, versucht mit wenig Energieverbrauch – und damit ist auch der Arbeitsaufwand gemeint – ausreichend hohe Erträge zu erwirtschaften, und zwar möglichst langfristig. Sind Permakultur-Gärtner einfach nur faul und lassen die Natur „ihr Ding“ machen, während sie die Beine hochlegen? Volkmar Geiblinger lacht und schüttelt den Kopf. Das stimme nicht ganz, denn die persönliche Arbeit sei viel größer als in der konventionellen Landwirtschaft. Permakultur sei aber viel effizienter, das heißt, man „erntet“ mehr Energie als man hineinsteckt.

Es muss ja nicht gleich eine Landwirtschaft sein, eine naturnahe Terrasse oder ein vielfältiger Garten sind eigentlich keine schwierige Aufgabe. Man müsse nur schauen, wie es die Natur macht, denn die habe ihr System seit Millionen von Jahren optimiert, meint Volkmar Geiblinger: „Wir können Ökosysteme für uns nutzbarer machen, aber die Natur an sich ist perfekt.“

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