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Investor Martin Rohla im Interview
KONSUMENT-Redakteur Markus Stingl im Interview mit dem Investor Martin Rohla Bild: Konstantinoudi/VKI

Nachhaltigkeits-Interview Martin Rohla: "Lügen haben kurze Beine"

Investor Martin Rohla über die Messbarkeit von Nachhaltigkeit, den Markt als Motor der Öko-Wende und die Gefahr von Greenwashing.

Zur Person

Portrait des Investors Martin Rohla
Bild: Konstantinoudi-VKI-

Nachhaltigkeits-Investor Martin Rohla

Mit seiner Firma Goodshares gründet und managt ­Martin Rohla (Jg. 1963) und sein Team Unternehmen. Er investiert auch in Start-ups und ist als Unternehmensberater tätig. Zu den Goodshares-Beteiligungen gehören u.a. Swing Kitchen, Habibi & Hawara, Fair Finance, KastlGreissler. Seit 2018 ist Rohla bei Puls 4 als „Nachhaltigkeits“-Juror/Investor in der Start-up-Fernsehsendung „2 Minuten, 2 Millionen“ tätig.

KONSUMENT: Herr Rohla, Sie werden gern als Nachhaltigkeits-Investor bezeichnet. Aber sind Sie echter „grüner Überzeugungstäter“? Oder haben Sie dereinst eher strategisch und mit gutem Gespür ­gedacht: Das ist eine Nische, die zu beackern sich lohnt?

Martin Rohla: Ich bin beides. Begonnen hat es 2005 mit Apotheken, die wir auf die damals auf­kommende Kundenschicht „LOHAS“ zurecht­getrimmt haben – das steht für Lifestyle of Health and Sustainability. Da haben wir Nachhaltigkeit als Marketing-Gschichtl ­genutzt. Aber dann habe ich mich immer mehr mit der Materie beschäftigt und wurde vom Nicht-Überzeugungstäter zum Überzeugungstäter. Und zwar spätestens 2008/09, als ich die Bio-Landwirtschaft Gut Bergmühle im Weinviertel gekauft habe. Ich wollte nicht mehr nur groß daherreden, sondern wirklich auch in die Produktion gehen. Seither nehme ich das Thema ganz, ganz, ganz ernst.

Wie würden Sie „Nachhaltigkeit“ für sich selbst definieren? Wann ist ein Projekt für Sie nach­haltig genug, um es umzusetzen?
Drei Säulen: ökonomische Verantwortung, ökologische Verantwortung, soziale Verantwortung. Der Urdefinition von Hans Carl von Carlowitz folgend. Als Unter­nehmer musst du dir bewusst sein, dass ­alles, was du tust, nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische und soziale ­Auswirkungen hat. Wobei ich ja ehrlich ­gestanden das Wort Nachhaltigkeit schon bald nicht mehr hören kann, wenn man es in jeder Auslage zu lesen bekommt. Es geht um Glaubwürdigkeit. Ich mache keine Projekte mehr, wo das Gegenüber, der Partner das nicht ernst nimmt. Das inter­essiert mich Nüsse. Hier in meinem Büro steht ­unsichtbar groß geschrieben: arschlochfreie Zone.

Das genügt? Eine noch spezifischere Definition ist gar nicht notwendig?
Die große Frage ist die Messbarkeit. Wie kann man Nachhaltigkeit messen? Wirksamkeitsstudien, Gütesiegel etc.: alles mit Vorsicht zu genießen. Weil immer nur ­Teilbereiche abgedeckt werden. Beispiel „Habibi & Hawara“, diese mittlerweile fünf Flüchtlings-Integrations-Restaurants, die wir in Wien betreiben. Wir haben dort pro Tag 500 bis 1.000 Kunden. Ein gewisser Anteil davon sagt: „Gemma hin, Flüchtlinge schauen.“ Und dort serviert dann der junge afghanische oder syrische Kellner Schweinsbraten, bringt das Bier, berät bei der Weinauswahl etc. Da verlieren die Leute ihre Angst vorm Fremden! Und diese Leute ­gehen dann nach Hause, und erzählen es ihren Nachbarn. Ein irrsinnig großer Impact. Messbar ist das freilich nicht. Unterneh­merisches Tun hat oft erst in der dritten, vierten Ebene eine weitere Wirkung, die sich der Messbarkeit aber entzieht.

Der „KastlGreissler“ ist eine Beteiligung von Ihnen, die aus Sicht unserer am Land lebenden Leserinnen und ­Leser sicher sehr interessant ist: Mit Selbstbedienungscontainern soll die ländliche Nahversorgung verbessert werden. Wie gut läuft das Projekt?
Beim KastlGreissler haben wir vier starke Impacts: Wir verhindern, dass Menschen zwei Tonnen Autoblech 20 Kilometer bewegen für zwei Liter Milch. Weil es ein Franchise- Modell ist, geben wir jungen Leuten am Land die Möglichkeit, Unternehmer zu sein. 50 Prozent der Ware muss der Franchise- Nehmer regional beziehen, somit schaffen wir eine neue Verkaufsplattform für regionale Produzenten. Und wir tun etwas gegen die Landflucht. Um auf Ihre Frage zurück­zukommen: Es läuft sehr gut. Wir sperren bis Ende des Jahres voraussichtlich rund 30 Kastln auf, bis Ende 2022 sollen es mehr als 100 sein. Wir sind ja auch schon in Deutschland erfolgreich zugange, dort heißt’s allerdings Kistenkrämer.

Sind die großen Lebensmittelkon­zerne schon vorstellig geworden? Oder ist der KastlGreissler noch unter deren Wahrnehmungsschwelle, also keine ernsthafte Konkurrenz?
Doch, doch. Billa hat‘s ja mit der Billa-Box probiert. Angelehnt an unsere Idee. Aber das ist ihnen ein bissl um die Ohren ge­flogen. Weil denen glaubt man ja die ­Geschichte der regionalen Nahversorger nur schwer. Wir gehen nicht über den Preis, wir gehen über die Regionalität. Aber ­natürlich wird es Mitbewerber geben. Das ist auch gut so. Mit Rewe sind wir grundsätzlich good friends. Es gibt z.B. Habibi- &-Hawara-Produkte bei Billa zu kaufen. Da sind sie sehr faire Partner.

Stichwort Crowdfunding – ein beliebtes Instrument von Start- ups, um ­Anschubfinanzierung zu bekommen. Was Crowdfunding wirklich ist bzw. was die Konditio­nen für den Klein­investor wirklich sind, wissen wohl viele immer noch nicht genau. Wir vom VKI weisen deshalb u.a. darauf hin, dass man im Insolvenzfall des Start-ups als Gläubiger nachrangig behandelt wird. Also auf gut Deutsch: Im Regelfall schaut man durch die ­Finger. Eine zu vorsichtige Sicht auf die Dinge?
Für investiertes Geld gibt es bei der Ver­zinsung nur einen Faktor, der relevant ist: Risiko. Je riskanter veranlagt, desto höher die Zinsen. Ein Crowdfunder bekommt ­zwischen sechs und zehn Prozent für sein Investment. Wenn er weiß, dass er am ­Sparbuch vielleicht 0,6 Prozent bekommt, will er das Risiko bewusst in Kauf nehmen. Man muss dem Konsumenten auch zutrauen, dass er weiß, was er macht. Er muss sich natürlich entsprechend informieren. Wenn jemand dir mehr als zwei Prozent Zinsen anbietet für deine Veranlagung, dann ist es mit Risiko verbunden. Punkt. Das Motto lautet entsprechend: Spray and pray. Du musst dein Geld eben gut verteilen. Also nicht 10.000 Euro in ein Projekt, sondern lieber 1.000 Euro in zehn Projekte. Dann kann mehr als die Hälfte schiefgehen.

Sind Sie auch bei Ihren Aktien- und Fondsinvestment grün investiert?
Ja, klar. Ich bin auch Gründungsaktionär und Aufsichtsratsmitglied bei Österreichs einziger nachhaltiger und privater Vorsorgekasse Fair Finance.

Gretchenfrage: Dürfen wir das so ­zentrale Thema Klimaschutz der ­unsichtbaren Hand des Marktes überlassen? Müssen wir es gar? Oder braucht es mehr politischen Handlungsmut?
Eine sehr gute Frage. (überlegt kurz) Man muss es aus einem ganz fürchterlichen Grund dem Markt überlassen: Weil das ­System da draußen Kapitalismus heißt. Am Ende diktiert der Konsument, was die ­Unternehmen machen. Und ich bin da ­gerade überaus optimistisch. Weil wir einen totalen Mindchange erleben im Unternehmertum. Aber nicht, weil die Vorstände so gute Menschen sind. Sondern weil gerade drei großartige Dinge passieren.

Welche?
Erster Punkt: Ausgelöst auf der einen Seite durch Figuren wie Donald Trump, der gesagt hat, alles, was green ist, sei etwas für Volltrottel, und sich dadurch selbst zum Volltrottel gemacht hat. Auf der anderen Seite Greta Thunberg, die so viel Aufmerksamkeit auf das Thema gerichtet hat, weil sie ein bissl spooky ist. Und dann noch ­Corona. Weil wir alle plötzlich Zeit gehabt haben, um nachzudenken. Ich erzähle schon seit 15 Jahren, der Konsument möchte nachhaltige Kaufentscheidungen treffen können. Und jetzt ist es tatsächlich so weit, dass diese Dinge bei immer mehr Menschen eine kaufentscheidende Rolle spielen. Auch, weil der Preisunterschied zum Konventionellen teilweise nicht mehr da ist. Die Macht geht vom Konsumenten aus. Und der Mindchange des Konsumenten ­findet statt. Das hat zur Folge, dass das alle ­großen Unternehmen spüren. Sie wissen: Sie müssen jetzt etwas tun. Sie müssen ihre Produkte oder Dienstleistungen mit einem ökologischen und/oder sozialen Impact versehen. Aber sie müssen es ernsthaft tun, denn Greenwashing ist die größte ­Gefahr, der sie sich aussetzen können. Wenn der Konsument draufkommt: Das, was da passiert ist, das war ein Projekt und kein Prozess, dann fliegt dem Unternehmen sein nachhaltiges Gschichtl um die Ohren. Lügen haben kurze Beine.

Was ändert sich derzeit noch?

Die Einstellung der Finanzierungspartner zum Thema Nachhaltigkeit. Dieser Faktor ist sogar noch viel relevanter. Du bekommst heute keine Finanzierung mehr, wenn du nicht die Frage nach dem sozialen und ­ökologischen Impact deines unternehme­rischen Tuns glaubhaft erklären kannst. Und beim dritten Punkt kommt die Politik ins Spiel, die regulatorischen Kräfte. Dass es dauernd Gesetzesänderungen und neue ­Verordnungen gibt – und noch sehr viel in den Schubladen schlummert. Das Trau­rige ist: Keiner redet über diese unfassbar groß­artigen gerade passierenden Verän­derung da draußen. Weil wir alle so wahnsinnig gern über die schlechten Dinge im Leben reden.

Typisch österreichisch?

Nein, das gilt überall. Es gibt ein Buch des schwedischen Wissenschaftlers Hans Rosling, „Factfulness“. Das schenke ich immer Leuten, die mich mit Weltuntergangsgeschichten zum Investieren überreden wollen. Die Welt, in der wir heute leben, war in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie so gut. Der Welthunger geht zurück. Wir hatten langfristig noch nie so wenig Kriegstote. Der CO2-Ausstoß geht in Europa signifikant nach unten. Rosling sagt einen wunder­baren Satz: „Eine Sache kann gleichzeitig viel besser und schlecht sein.“ Wir neigen dazu, auch evolutionsgeschichtlich, das Schlechte viel stärker wahrzunehmen als das Gute.

Haben Sie kein Verständnis für Leute wie Greta Thunberg, denen es beim Klimaschutz viel zu langsam geht?

Doch, doch. Damit sich etwas bewegt, braucht es die Extreme. Wie z.B. Trump und Thunberg. Aber wir dürfen nicht den Blick aufs große Ganze verlieren. Es gibt halt die Diskrepanz zwischen persönlicher Wahrnehmung und den realen Fakten. Als halbwegs intelligenter Mensch sollte man sich immer wieder die Frage stellen: Ist das, was ich gerade glaube, richtig oder nicht?

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