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Ökonomie: nachhaltiges Wirtschaften - Alles im Wandel

Konsum kurbelt die Wirtschaft an – ist das noch zeitgemäß? Alternativen zum bestehenden Wirtschaftssystem und Ideen für einen notwendigen Wandel sind gefragt.

„Wird eingekauft, geht‘s der Wirtschaft gut. Geht‘s der Wirtschaft gut, geht‘s uns allen gut.“ Dieser Slogan wird besonders vor Weihnachten gebetsmühlenartig wiederholt. Der Haken: Alles, was gekauft wird, muss auch produziert werden. Das geht zulasten der Umwelt und auf Kosten von Arbeitern, die in den Herstellerländern schamlos ausgebeutet werden. Dass in unserem Wirtschaftssystem einiges im Argen liegt, ist kein Geheimnis mehr. Ein System, das endloses Wachstum predigt auf einem Planeten, dessen Ressourcen begrenzt sind – wie soll das funktionieren? 

Im Jahr 1972 erschien der erste Bericht des Club of Rome mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“. Die Schlussfolgerung lautete: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“ Fast ein halbes Jahrhundert danach ist alles beim Alten. In einem offenen Brief an die EU im September 2018, unterschrieben von mehr als 230 Wissenschaftlern und Forschern, hieß es: „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich die Wirtschaftstätigkeit auch nur annähernd so weit von Ressourcenverbrauch oder Umweltverschmutzung entkoppelt, wie es tatsächlich notwendig wäre. Um die sozialen Probleme in den europäischen Ländern zu lösen, brauchen wir heute kein weiteres Wachstum.“ 

Ganzheitliches Denken 

Viele Experten hinterfragen die Rahmenbedingungen des Kapitalismus und das neoliberale Wettbewerbs- und Konkurrenzdenken. Immer lauter wird die Forderung nach einer Transformation, einem Systemwandel. Doch wie könnte der aussehen? Unter den Experten herrscht Einigkeit, dass es nicht zielführend ist, nur an einzelnen Stellschrauben zu drehen. Das vorherrschende Wachstums- und Konkurrenzdenken müsse von einem ganzheitlicheren Denken abgelöst werden. 

„90 Prozent der Länder weltweit sind in ihrem Wohlstand von Benzin und Kohle abhängig“, nennt Ernst Ulrich von Weizsäcker, Naturwissenschaftler und ehemaliger Co-Präsident des Club of Rome, ein Beispiel. „Eine CO2-Steuer würde dem Ausbau von fossilen Energien entgegenwirken. Destruktive Dinge wie die Vergiftung der Böden müssen in kleinen Schritten verteuert werden; gleichzeitig könnte der Bio-Landbau subventioniert werden.“

Mobilitätswende: Abkehr von Verbrennungsmotoren

Beispiel Mobilität 

Ein Beispiel für den Systemwandel ist die dringend notwendige Mobilitätswende und die Abkehr von Verbrennungsmotoren. Elektroautos, die als die neuen Heilsbringer für das Transportwesen angepriesen werden, sind allerdings nicht so perfekt, wie es auf den ersten Blick scheint. Sie verbrauchen ebenso Ressourcen wie herkömmliche Autos und haben zwei große Nachteile: Für die Batterien wird, wie bei Smartphones, Kobalt verwendet. Fast zwei Drittel des globalen Bedarfs an Kobalt stammt aus Bergwerken der Demokratischen Republik Kongo. Da die lokale Bevölkerung dort an den Gewinnen des Kobalt-Geschäfts nicht beteiligt wird, bauen sie den Rohstoff illegal, zum Teil mit bloßen Händen ab. In den engen Stollen müssen oft Kinder arbeiten. 

CO2-Bilanz: Alternativen für den Individualverkehr?

Der zweite wichtige Rohstoff für Batterien von Elektrofahrzeugen – das gilt auch für E-Fahrräder und E-Scooter – ist Lithium: Eines der größten Lithium-Vorkommen befindet sich im Norden Chiles, in der Atacama-Wüste. Die Förderung wirkt sich direkt auf die Wasserreserven der gesamten Region aus, die Wüste zählt zu den trockensten Gebieten der Erde. Insbesondere die indigene Bevölkerung leidet unter der immer schlimmer werdenden Wasserknappheit. Die Gewinnung der Salzlake aus dem Grundwasser führt dazu, dass der Grundwasserspiegel dramatisch absinkt. Unterm Strich, rechnet der deutsche Automobilclub ADAC vor, ist die CO2-Bilanz eines Elektroautos nicht besser als die von Pkw mit anderen Antriebsarten. 

Tatsache ist: Für jedes Fahrzeug werden bereits in der Herstellung Ressourcen verbraucht – und insbesondere wenn es von nur einer Person genutzt wird, ist das alles andere als nachhaltig. Die Frage muss daher lauten: Welche Alternativen gibt es zum Individualverkehr? Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs vor allem in ländlichen Gebieten sowie mehr Infrastruktur für Radfahrer sind dringend notwendig. Fahrradfahren ist umweltfreundlich, platzsparend, es erhöht die Lebensqualität und wirkt sich nachweislich auf die Gesundheit aus. Menschen, die ohne Auto nicht auskommen, könnten beispielsweise mit Nachbarn oder Arbeitskollegen Fahrgemeinschaften bilden – und einen zügigen Ausbau der Öffis einfordern.

Erste und letzte Meile

Laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) verursacht der Verkehr ca. 30 Prozent der CO2-Emissionen in Österreich; seit den 1990er-Jahren sind diese Emissionen um mehr als zwei Drittel gestiegen. 40 Prozent der privaten Autofahrten in Österreich sind kürzer als fünf Kilometer. In der Gesamtbilanz von Fahrzeugherstellung, Betrieb und Recycling verursacht ein Pkw im Durchschnitt pro Kilometer 15 Mal so viel CO2 wie die Bahn. Daher setzt sich der VCÖ für ein umweltverträgliches und sozial gerechtes Verkehrssystem ein.

Erreichung der UN-Klimaziele

Für die Erreichung der UN-Klimaziele sind seiner Auffassung nach folgende Schritte notwendig: Der Anteil des öffentlichen Verkehrs am Verkehrsaufwand muss deutlich steigen. Dafür ist ein strategischer Ausbau nötig, bei dem die sich wandelnden gesellschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen mitgedacht werden. Sharing-Angebote sind als Ergänzung und nicht in Konkurrenz zum öffentlichen Verkehr auszuweiten. Nachfragebasierte Angebote wie Anruf-Sammeltaxis, Rufbusse oder Gemeindebusse in den Regionen sowie Shuttle-Dienste in Ballungsräumen erfüllen eine wichtige Doppelrolle. Sie ermöglichen individuelle Mobilität unabhängig vom Privatauto; und sie schaffen einen wichtigen Lückenschluss, um ein flexibles Verkehrsangebot auch auf der sogenannten ersten und letzten Meile zu gewährleisten. Auch im Fernverkehr ist die Rolle des öffentlichen Verkehrs zu stärken. Durch den Ausbau des europäischen Hochleistungsschienennetzes können Kurzstreckenflüge auf die Bahn verlagert werden.

Alternative Wirtschaftsmodelle

In der Gemeinwohlökonomie dient die Wirtschaft nicht mehr der Geldvermehrung; Ungleichheiten bei Einkommen, Vermögen und Macht halten sich in Grenzen. Der Umweltverbrauch bleibt innerhalb der Regenerationsfähigkeit natürlicher Ökosysteme und der planetaren Grenzen. Unternehmen kooperieren intelligent und tragen zu nachhaltigen Strukturen bei. 

Degrowth-Bewegung

Diese Postwachstums-Bewegung steht für 

  • eine Verringerung von Produktion und Konsum im globalen Norden 
  • einen Ausbau demokratischer Entscheidungsformen, um echte politische Teilhabe zu ermöglichen 
  • soziale Veränderungen und Orientierung an Suffizienz (weniger produzieren, konsumieren, besitzen) statt bloßen technologischen Neuerungen und Effizienzsteigerung 
  • regional verankerte, aber miteinander vernetzte und offene Wirtschaftskreisläufe 

Bruttonationalglück in Bhutan

Im südasiatischen Staat Bhutan wurde das Bruttonationaleinkommen durch das Bruttonationalglück (BNG) ersetzt. Die Idee dahinter: Eine ausgewogene und nachhaltige Entwicklung der Gesellschaft kann nur im Zusammenspiel von materiellen, kulturellen und spirituellen Schritten geschehen, die einander ergänzen und bestärken. 

Die vier Säulen des BNG: 

  • Förderung einer sozial gerechten Gesellschaft und Wirtschaft 
  • Bewahrung und Förderung kultureller Werte 
  • Schutz der Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung 
  • Gute Regierungs- und Verwaltungsstrukturen – die Politik macht Gesetze, die das Leben der Einwohner Bhutans positiv beeinflussen. 

Buchtipp: Zukunft wird mit Mut gemacht

Klimawandel, Umweltzerstörung, Artensterben – zahlreiche Studien weisen darauf hin, dass wir nicht mehr viel Zeit haben, das Ruder herum­zureißen. Als Grundübel für den Zustand unseres Planeten gilt unser ausbeuterisches Wirtschaftssystem, das weiterhin grenzenloses Wachstum predigt – auf Kosten der Umwelt und von Arbeitskräften in den Herstellerländern.

Nachhaltiger Konsum und Lebensstil werden nicht ausreichen, um die Welt zu retten. Was also ist zu tun? Dieses Buch will aufrütteln und mobilisieren. Es zeigt auf, was schiefläuft in unserer Gesellschaft, aber auch welche Möglichkeiten es gibt, Teil des dringend notwendigen Wandels zu werden.

Leseprobe und Buch finden Sie in unserem Shop.

Aus dem Inhalt

  • Nackte Tatsachen
  • Nachhaltigkeit ad absurdum geführt
  • Shoppst du noch oder lebst du schon?
  • Schmeckt nicht? Weg damit!
  • Alles im Wandel
  • Alternative Modelle
  • Achtsamkeit oder: eins mit der Natur
  • Die Zukunft beginnt jetzt
  • Helden des Alltags: Lehrer

144 Seiten, 19,90 € + Versand

 

 

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