Zum Inhalt

Lederschuhe: 20 Cent pro Paar - Ausbeutung, Umweltverschmutzung

, aktualisiert am

Ethik-Report: Ausbeutung, Gesundheitsgefährdung und Umweltverschmutzung sind bei der ­Schuhproduktion an der Tagesordnung. Doch es gibt Alternativen.

14 Milliarden Paar Lederschuhe werden im Jahr produziert, allein in Österreich werden rund 50 Millionen Paar verkauft, das sind sechs pro Kopf. Die Schuhindustrie ist weltweit der größte Verarbeiter von Leder. Der Großteil der Schuhe wird in asiatischen ­Fabriken hergestellt, China nimmt mit 8 Milliarden Paar den Spitzenplatz unter den Produzenten ein.

Zu wenig zum Leben

Eines der größten Probleme in schuhproduzierenden Ländern sind die niedrigen Löhne. Selbst wenn Arbeiter den gesetzlichen Mindest­lohn bezahlt bekommen, können sie davon oft nicht leben. In China beispiels­weise beträgt der Mindestlohn nur die Hälfte von dem, was für ein menschenwürdiges ­Leben nötig wäre, in Bangladesch nur ein Fünftel.

Im Süden von Indien sind es vor­wiegend Frauen, aber auch ganze Familien, die daheim die Schuhe zusammennähen. Pro gefertigtes Paar Schuhe werden maximal 20 Cent bezahlt, pro Tag schafft eine Näherin rund zehn Paar.

Heimarbeit statt Unternehmensverantwortung

Heimarbeit ist für Arbeitgeber eine Möglichkeit, Kosten einzusparen: Die Löhne sind niedrig, die Arbeitgeber zahlen keine Sozialbeiträge, die Heimarbeiter müssen selbst für Miete, Strom und Maschinen aufkommen. Sie haben keinerlei Beschäftigungsgarantie. Auch in den Schuhfabriken ist die Lage nicht viel besser: Hier wird sechs Tage die Wochen zu je acht Stunden gearbeitet, für einen Monatslohn von maximal 70 Euro. Noch viel ärgere Missstände herrschen auf Rinderfarmen in Brasilien, wo Arbeiter in sklavenähnlichen Arbeitsbeziehungen gehalten werden.

Chrom zur Gerbung des Leders

In 85 Prozent der Fälle wird zur Gerbung des Leders Chrom verwendet. Die Gerbung mit Chrom-III-Salzen ist weltweit die gängigste Methode, obwohl sie Risiken für Umwelt und Gesundheit birgt. Dabei kann es zur Bildung von Chrom-VI-Verbindungen kommen. Das sechswertige Chrom ist hochgiftig und krebserregend und kann leicht in die Haut eindringen.

Vergiftung von Mensch und Umwelt

Bei der Produktion von 500 Kilogramm Leder fallen im Schnitt bis zu 250 Kilo­gramm Chemikalien an, so das deutsche Umweltbundesamt. Besonders schlimm sind die Bedingungen für Arbeiter in Indien, Bangladesch und Nepal.

40 Prozent der Gerberei­arbeiter leiden unter Hautkrank­heiten, Asthma oder anderen Beeinträchtigungen. Im Endprodukt, den Schuhen, befindet sich ebenfalls Chrom in teilweise hohen Konzentrationen, neben Arsen, Blei und Quecksilber. Das Blacksmith Institute hat die Vergiftung der Umwelt durch Chrom-Gerbereien als eines der zehn größten Probleme weltweiter Umweltverschmutzung genannt.

Auch der Abbau von Chrom ist problematisch, da großflächige Bergbauprojekte massive ökologische und soziale Probleme verursachen, darunter die Zerstörung ganzer Landstriche, Enteignung und Vertreibung der ansässigen Bevölkerung sowie miserable Arbeitsbedingungen in den Minen. Die Hauptlagerstätten von Chrom befinden sich in Südafrika (38 %), Indien (20 %) und Kasachstan (15 %).

Woher kommt das Leder?

Chrom-VI verboten

Seit Mai 2015 ist Verkauf von Chrom-VI-­haltigem Leder in der EU verboten. Damit sollen europäische Konsumenten geschützt werden. Die Arbeiter in den Gerbereien ­bleiben aber weiterhin den teilweise hochgiftigen Chemikalien ausgesetzt.

Alternative: Pflanzlich gegerbtes Leder

Die nachhaltige Alternative zur Chromgerbung ist die Gerbung mit pflanzlichen Gerbstoffen. Konsumenten finden pflanzlich gegerbtes Leder unter den Bezeichnungen altgegerbtes oder lohgegerbtes Leder, pflanzlich oder vegetabil gegerbtes Leder. Gegerbt wird vorwiegend mit Eichen- und Fichten­rinde, Eiche ist für alle Leder verwendbar.

Daneben gibt es die Gerbstoffe Tara-Schoten, Valonea und Akazie (Letzteres macht Leder eher biegsam und geschmeidig) oder Kastanie (macht Leder eher hart und rötlich). Auch Rhabarber kann zur Gerbstoffge­win­nung genutzt werden. Alle diese Gerbstoffe haben den Vorteil, dass sie schnell wachsende Rohstoffe sind.

Woher kommt das Leder?

Als wir im Jahr 2012Lederschuhhersteller - Blut ist im Schuh, war das ­auffallendste Ergebnis, dass die Marken­konzerne in der Regel keine Ahnung haben, woher das Leder für ihre Schuhe kommt. Das trifft vor allem in Indien zu, wo Tausende von Kleinbetrieben Leder für den Weltmarkt ­erzeugen.

Dieser Mangel an Transparenz macht es schwierig, Produzenten und Marken­unternehmen zur Verantwortung zu ziehen, weil sie behaupten können, die Prob­leme seien nicht in ihrem Teil der Lieferkette zu finden. Der Mangel an Transparenz steht im Widerspruch zu den Leitlinien der Vereinten Nationen für Verbraucherschutz, wonach Verbraucher das Recht haben, über das von ihnen gekaufte Produkt informiert zu werden.

Kampagne "Change Your Shoes"

Darum geht es auch bei derKampagne "Change Your Shoes" von Clean Clothes Österreich und Global 2000. Gemeinsam mit Partnerorganisationen in der EU und Asien fordern sie die Unternehmen der Leder­industrie auf, die Arbeits- und Sicherheits­bedingungen in den Produktionsländern nachhaltig zu verbessern und für mehr Transparenz zu sorgen.

Lisa Kernegger von Global 2000: "Die Unternehmen sollen hinsichtlich ihrer sozialen Kriterien und Umweltauflagen geprüft werden." "Change your Shoes" möchte Konsumenten motivieren, sich bei den Herstellern von Lederschuhen für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen.

Heimische Hersteller

Heimische Hersteller

In den letzten 30 Jahren haben fast alle ­Schuherzeuger in Österreich, Deutschland und der Schweiz zugesperrt. Einige wenige wie GEA, Hartjes oder Think! Shoes halten dagegen.

Die Waldviertler Schuhwerkstatt (GEA) in Schrems mit dem umtriebigen Heinrich Staudinger als Chef setzt auf nachhaltige Schuhproduktion, wobei damit hauptsächlich Chrom-Misch-Gerbung (frei von Chrom VI) und Produktion in Europa gemeint ist.

Viele Lehrlinge

Als Arbeitgeber ist Staudinger nicht ­gerade beliebt, aber immerhin hat er in der strukturschwachen Gegend in den letzten Jahren neue Arbeitsplätze geschaffen. 40 Prozent der heimischen Schuhmacherlehr­linge sind laut eigenen Angaben bei GEA beschäftigt.

"Da die Produktion in Österreich immer teurer geworden ist, haben wir einen Teil nach Ungarn und ­Tschechien ausgelagert", erklärt Staudinger. Das (Kuh-)Leder kommt aus Deutschland und der ­Türkei. "Ich habe die türkische Gerberei persönlich besucht, um mir ein Bild davon zu machen."

Think! Shoes mit Umweltzeichen

DerSchuh: Think! Chilli Schnürer - Der erste Schuh mit Umweltzeichen ist das erste Schuhmodell, das mit dem Österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet wurde. Es ­besteht aus komplett chromfrei gegerbtem Leder und einer Latexsohle. Die verwendeten Materialien stammen ausschließlich aus ­Europa, wo auch die Fertigung erfolgt. Aber auch die Arbeitsbedingungen müssen für das Umweltzeichen relativ hohen Standards genügen.

"Wir haben vor, die Zerti­fizierung auf unsere gesamte Kollektion auszuweiten", sagt Marketingleiterin Bianca Bardwell. Das oberösterreichische Unternehmen Think! Shoes mit dem Hauptstandort in Kopfing bezieht pflanzlich gegerbtes Leder aus Italien und lässt in Bosnien produzieren.

Anbieter nachhaltiger Schuhe

Weitere Anbieter von nachhaltigen Schuhen sind Muso Koroni, die auf vegane Schuhe spezialisiert sind, Grüne Erde oder Vega ­Nova. Das Lebensministerium hat auf der PlattformNachhaltiger Konsum zahlreiche Schuhmarken gelistet, die Nachhaltigkeitskriterien entsprechen.

Get Changed, ein Netzwerk für faire Mode, hat für seinen Good Shoe Guide über vierzig Firmen befragt, die ihren Versprechungen nach großen Wert auf ökologische und soziale Aspekte der Produktion legen. Fast alle der Firmen im Good Shoe Guide stellen ihre Schuhe in Europa her, oftmals im eigenen Atelier. Das ist nicht nur wegen der Regionalität ein Pluspunkt.

Produktion in Deutschland oder England

Bei der Produktion in Deutschland oder England kann man auch ohne Zertifikat relativ sicher sein, dass die Arbeitsbedingungen europäischen Standards entsprechen, wenn auch nicht immer alle Gesetze eingehalten werden. Zudem gilt in allen EU-Ländern die ­REACH-Verordnung, welche die Verwendung besonders toxischer Stoffe verbietet.

Zusammenfassung

  • Herstellung in Europa: Leider haben Gütesiegel Seltenheitswert. Kaufen Sie daher vornehmlich Schuhe aus europäischer Produktion. Da können Sie zumindest sicher sein, dass sowohl ökologische als auch soziale Mindeststandards eingehalten werden.
  • Spontankäufe vermeiden: Wie oft haben Sie schon Schuhe gekauft, die nach ein paar Mal Tragen im Schuhkastl verschwinden? Am nachhaltigsten agiert, wer seine Schuhkäufe reduziert. Lieber einmal ein Paar hochwertige ­Schuhe ­kaufen, die auch reparierbar sind, als mehrere Billigprodukte.
  • Nicht blind vertrauen: Stellen Sie Schuhproduzenten lästige Fragen über die Herstellung der Schuhe.

Buchtipp: "Nachhaltig leben"

Durch das eigene Konsumverhalten einen Beitrag zu einer "besseren" Welt zu leisten, ist der Wunsch vieler Verbraucher. Doch welche Möglichkeiten hat der Einzelne, dies im Alltag umzusetzen? Unser Buch gibt Tipps und Anregungen für all jene, die ganz individuell zu einem verantwortungsvollen Lebensstil finden wollen.

www.konsument.at/nachhaltig-leben

Aus dem Inhalt

  • Lebensmittel: fair und natürlich
  • Lifestyle: modisch, aber ökologisch
  • Mobilität, Tourismus, Freizeit
  • Nachhaltigkeit im Haushalt
  • Abfall vermeiden, Ressourcen schonen
  • Trend: gemeinsam nutzen statt besitzen

160 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Nachhaltig leben (Bild:VKI)

Leserreaktionen

"Wir bemühen uns redlich"

Ich kann ganz gut verstehen, dass es eine Enttäuschung ist, wenn man „plötzlich“ davon erfährt, dass Waldviertler auch in Ungarn und Tschechien erzeugen lassen. Tatsache ist, dass wir seit 1994 mit ungarischen Firmen kooperieren. Wir haben daraus nie einen Hehl gemacht.

Ganz im Gegenteil: Wir berichten immer wieder (manchmal sogar ganzseitig) über diese Auslandskooperationen in unserem GEA Album. Soweit ich weiß, gibt es in Österreich keine einzige Schuhfabrik, die alles in Österreich produziert. Ich kann das gut verstehen. Denn es ist fast unmöglich, alles hier zu machen. Nicht nur aus preislichen Gründen. Es fehlen uns schlicht und einfach die Fachkräfte. Es stimmt, es gäbe noch viel mehr zu tun. Aber alles geht nicht, und es gelingt auch nicht immer alles.

Aber eines kann ich garantieren – nämlich, dass wir uns immer redlich bemühen. 1. um Qualität unserer Produkte, 2. um den fairen Umgang mit unseren Kunden, 3. um Fairness mit unseren MitarbeiterInnen und auch mit unseren Kooperationspartnern im Ausland.

Heini Staudinger
Geschäftsführer GEA, Waldviertler Werkstätten
(aus KONSUMENT 6/2016)

Misstrauisch

Bisher habe ich meine Schuhe bei GEA gekauft. Nachdem ich nun lesen musste, das die Waldviertler auch viel aus dem Ausland beziehen und sogar dort fertigen lassen, bin ich sehr enttäuscht.

Auf Grund der öffentlichen Diskussionen des Herrn Staudinger zum Thema Geld wurde ich in den letzten Jahren zu dem Konzept immer misstrauischer. Leider haben sich durch Ihren Artikel die letzten Befürchtungen bestätigt. Meines Erachtens sollte Herr Staudinger darauf achten, durch seine Taten und Produkte zu überzeugen und nicht durch Worte (sonst wäre er in der Politik besser aufgehoben).

Natürlich sind diese Unternehmen wie GEA oder Think! noch die Einäugigen unter den Blinden. Aber trotzdem nicht das, wie ich mir fair produzierte Schuhe vorstelle. Da werde ich mich dann wieder auf die Suche machen müssen.

Günter Renner
Pasching
(aus KONSUMENT 5/2016)

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

CO2-Kompensation: Fragen und Antworten

CO2-Kompensation: Fragen und Antworten

FAQ: Der CO2-Zertifikatehandel ist zuletzt massiv in die Kritik geraten. Lügen wir uns mit diesem Modell in die eigene Tasche? Hier die Antworten auf die brennendsten Fragen.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang