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Kinderarbeit in Usbekistan - Baumwolle aus Kinderhand

In Usbekistan werden Schulkinder unter staatlicher Kontrolle zur Baumwollarbeit abkommandiert. Für Käufer ist die Herkunft der Baumwolle nicht leicht zu erkennen.

T-Shirts, Jeans & Co aus Baumwolle sind angenehm weich, nehmen Feuchtigkeit gut auf und sind gut waschbar: Für die industrielle Produktion von Bekleidung ist Baumwolle die am häufigsten verwendete Naturfaser. Bei der Herstellung der begehrten Faser wird die Natur allerdings erheblich belastet. Bei der Bauwollproduktion in konventioneller Landwirtschaft kommen in Relation zur Anbaufläche enorme Mengen von Düngemitteln und Pestiziden und oft noch hochgiftige Entlaubungsmittel zum Einsatz (der Anteil von Bio-Baumwolle an der weltweit gesamt angebauten Baumwolle beträgt weniger als ein Prozent). Zudem ist der Wasserverbrauch riesig.

Aralsee trocknet aus

Das hat zum Teil katastrophale Konsequenzen: Den Zuflüssen des zum Teil auf kasachischem und zum Teil auf usbekischem Territorium gelegenen Aralsees beispielsweise werden seit Jahrzehnten enorme Wassermengen für die künstliche Bewässerung von Baumwollfeldern entnommen. Der einst viertgrößte Binnensee der Welt ist mittlerweile auf ein Drittel seiner ursprünglichen Größe geschrumpft, sein Salzgehalt stark gestiegen. Einstige Hafenstädte und Badeorte liegen heute kilometerweit vom Wasser entfernt. Die intensive Bewässerung der Felder führte zur Versalzung der Böden, durch den Eintrag von Agrochemikalien sind sie obendrein kontaminiert.

Zur Feldarbeit abkommandiert

In reicheren Ländern erfolgt die Baumwollproduktion in konventioneller Landwirtschaft über weite Strecken maschinell. In Usbekistan, das der weltweit drittgrößte Baumwollexporteur ist, werden 90 Prozent der Ernte mit der Hand gepflückt, weil sich der Staat die Instandhaltung der Erntemaschinen aus Sowjetzeiten, geschweige denn eine Neuanschaffung, nicht leisten kann oder will. Menschliche Arbeitskraft, vor allem die von Kindern, ist viel billiger. Immer wieder gelangen Berichte über Kinderarbeit auf usbekischen Baumwollfeldern an die Öffentlichkeit.

Schüler und Studenten zwangsverpflichtet

Baumwolle aus  Usbekistan: Kinderarbeit ist ganz normal (Bild: Environmental Justice  Foundation)

Baumwollernte in Usbekistan: Hier werden systematisch Kinder zwangsverpflichtet. Manchen Berichten zufolge werden selbst unter 10-Jährige für die harte und gesundheitsschädliche Arbeit eingesetzt.



Demnach werden während der Baumwollernte Schulen und Universitäten geschlossen, Schulkinder und Studenten zwischen September und November zum Baumwollpflücken zwangsverpflichtet. Vorgegebene Quoten müssen dabei erfüllt werden – auch von den Kleinsten.

1 Million Kinder abkommandiert

Laut der Environmental Justice Foundation, einer Londoner Umwelt- und Menschenrechtsorganisation, waren auch noch bei der Ernte 2009 rund eine Million Kinder (ab dem Alter von 10 Jahren) zum Baumwollpflücken abkommandiert. Kinder aus weiter entfernten Regionen schlafen während des Ernteeinsatzes in barackenähnlichen Unterkünften. Von dem wenigen Geld, das sie für ihre Arbeit erhalten, werden noch die Kosten für Verpflegung sowie An- und Rückreise abgezogen. Nur eine ärztlich bescheinigte Baumwollallergie befreit von der Arbeit auf dem Feld, doch das Attest ist teuer.

Baumwoll-Hauptabnehmer ist Europa

Laut Environmental Justice Foundation zählt Europa zu den Hauptabnehmern usbekischer Baumwolle. Wir haben uns bei der usbekischen Botschaft um eine offizielle Stellungnahme betreffend Kinderarbeit bei der Baumwollernte bemüht. Schließlich ist Kinderarbeit in Usbekistan gesetzlich verboten. Auch die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO (einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen) betreffend das Verbot der schlimmsten Formen von Kinderarbeit sowie das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (15 Jahre, unter bestimmten Voraussetzungen 14 Jahre) hat der Staat mittlerweile ratifiziert. Doch trotz wiederholter Bemühungen war es unmöglich, der Botschaft eine Stellungnahme zu entlocken.

Wie reagieren Markenfirmen?

Wie reagieren die Markenfirmen?

Welche Aktivitäten setzen Bekleidungsindustrie und Modehandel? Wird sichergestellt, dass der Rohstoff Baumwolle frei von Kinderarbeit ist? Wir haben bei einigen Unternehmen der Textil- und Modebranche (Benetton, C&A, Fruit of the Loom, H&M, KiK, Nike, Peek&Cloppenburg) sowie bei den Versandhandelshäusern Lands’ End und Otto/Universal Versand nachgefragt, woher die Baumwolle stammt, die in ihren Zulieferbetrieben (Spinnereien, Nähereien) verarbeitet wird, und ob diese Baumwolle nachweislich ohne Kinderarbeit produziert wurde (siehe Tabelle).

Problem ist allen Unternehmen bewusst

Eines vorweg: Das Problem ist allen Unternehmen bewusst. Niemand hat versucht, die Verhältnisse in Usbekistan zu relativieren oder lapidar festgestellt, dass ihn das nichts angehe. Dennoch ließen die Antworten zu wünschen übrig. Drei der neun befragten Firmen sind auf das Thema Kinderarbeit in Usbekistan gar nicht eingegangen, sondern haben uns nur ihren allgemeinen Verhaltenskodex (Code of Conduct) für ihre Lieferanten zugesandt. Die anderen gingen immerhin auf die Problematik ein und legten auch dar, mit welchen Maßnahmen versucht wird, sicherzustellen, dass keine Baumwolle aus Usbekistan in ihre Beschaffungskette gelangt.

Verbot an Zulieferer

Teilweise begnügt man sich mit dem Aussprechen eines Verbotes: Er weise seine Lieferanten an, keine Baumwolle aus Usbekistan zu verwenden, ließ uns ein Anbieter wissen. Es gibt allerdings auch einen sensibleren Zugang: So erklärten etwa H&M und Nike, nicht ausschließen zu können, dass ihre Lieferanten auch usbekische Baumwolle verarbeiten – aber man tue sein Möglichstes, um die Menge gering zu halten.

Für den Rohstoff nicht zuständig

Dahinter steckt ein Grundsatzproblem der Bekleidungsindustrie: Fast alle großen Modeketten haben in den letzten Jahren dem Druck der Öffentlichkeit nachgegeben und ihre Lieferanten verpflichtet, gewisse Mindeststandards bei der Produktion einzuhalten; das Verbot von Zwangsarbeit oder von Kinderarbeit gehört da fast immer dazu. Das betrifft aber nur die ersten Stufen der Beschaffungskette, in der Regel haben die Konzerne nur ihre direkten Lieferanten im Visier. Das können Nähereien, vielleicht auch Spinnereien sein, also Betriebe, in denen die Baumwolle weiterverarbeitet wird. Dort gibt es in der Regel auch halbwegs seriöse Kontrollen durch Vertreter der Konzerne oder (besser) durch unabhängige Audit-Agenturen.

Für den Rohstoff nicht zuständig

Mit dem Rohstoff für ihre Produkte hingegen haben sich die Markenfirmen bislang kaum beschäftigt. Sie wissen oft nicht einmal, woher die Baumwolle kommt. Manches weiß man natürlich schon: So zum Beispiel, dass die Verarbeitungsbetriebe in Bangladesch und Vietnam hauptsächlich aus Usbekistan beliefert werden. Und viele Modeartikel in europäischen Boutiquen tragen die Aufschrift "Made in Bangladesh" oder "Made in Vietnam". Nur C&A hat eigenen Angaben zufolge seine Audit-Organisation SOCAM angewiesen, ihre Kontrolltätigkeit auf in der Beschaffungskette vorgelagerte Betriebe auszuweiten. Konkrete Informationen darüber stehen jedoch nicht zu Verfügung.

Den Weg der Baumwolle kontrollieren

Andere Unternehmen arbeiten derzeit daran, die Nachverfolgbarkeit der Baumwolle über die gesamte Beschaffungskette zu verbessern und auf diese Weise zu verhindern, dass sich Baumwolle aus Usbekistan in die eigene Produktionskette "verirrt". Alle diese Bemühungen stehen noch ziemlich am Anfang, und so gibt es natürlich auch noch keine Kennzeichnung für Baumwollprodukte. Weder wird die Herkunft der Baumwolle angegeben, noch wird eine Garantie dafür gegeben, dass keine Kinderarbeit im Spiel war. Fazit: Insgesamt haben C&A sowie H&M am ausführlichsten bzw. konkretesten geantwortet.

Fairtrade-Logo bietet Sicherheit

Dennoch: Für Konsumenten, die ohne Kinderarbeit erzeugte Baumwolle tragen wollen, bleibt der Einkauf bei allen "Großen" der Textil- und Modebranche eine unsichere Angelegenheit. Nur das Fairtrade-Logo bietet Sicherheit. Es wird nur Baumwolle verarbeitet, die nachweislich unter fairen Arbeitsbedingungen, somit auch ohne Kinderarbeit, erzeugt wurde. Fairtrade-Produkte und ihre Bezugsquellen sind unter www.fairtrade.at > "Produkte/Shops" zu finden. Es handelt sich vor allem um Produkte engagierter kleiner Unternehmen. Viele davon sind gleichzeitig "bio". Bei ihrer Herstellung wird auch auf den gigantischen Schadstoffeinsatz verzichtet, der für konventionelle Baumwolle erforderlich ist.

Tabelle: Keine Baumwolle aus Usbekistan?

Zusammenfassung

  • Verhaltenskodex für Partnerfirmen. Die meisten Unternehmen legen in ihrem Verhaltenskodex für Zulieferbetriebe ein Verbot von Kinderarbeit fest. Dieser Kodex gilt aber in der Regel nur für die direkten Vertragspartner (z.B. Nähereien) und nicht für deren Zulieferer, die Baumwollproduzenten.
  • Kein sichtbarer Beweis. C&A hat seine Zulieferer verpflichtet, keine usbekische Baumwolle für C&A zu verarbeiten. H&M hat begonnen, von seinen Textillieferanten in Bangladesch Ursprungsangaben für Rohstoffe zu verlangen. Doch das geht aus der Etikettierung nicht hervor und ist daher für Konsumenten nicht zu erkennen.
  • Herkunft nicht gekennzeichnet. Woher die Baumwolle stammt, aus der Textilien gefertigt sind, ist auf "herkömmlichen" Etiketten nicht angegeben. Kleidung "Made in Bangladesh" oder "Made in Vietnam" ist mit großer Wahrscheinlichkeit aus usbekischer Baumwolle hergestellt.
  • Fairtrade-Logo. Für jene, die Wert auf faire Bedingungen in der Baumwollproduktion legen: Produkte mit dem Fairtrade-Logo sind nachweislich ohne Kinderarbeit entstanden.

Stellungnahmen

  • Benetton: Teilte uns mit, nicht in Usbekistan zu produzieren. Der Konzern verpflichtet seine Vertragspartner zur Einhaltung der lokalen Gesetze und der Bestimmungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, sofern diese in die lokale Rechtsprechung aufgenommen sind.
  • C&A Mode KG: Hat seine Lieferanten verpflichtet, keine usbekische Baumwolle für C&A-Produkte zu verarbeiten. Das gilt insbesondere für Betriebe in Bangladesch. Die Einhaltung werde durch Kontrollen überprüft, wird versichert, allerdings ohne konkrete Angaben dazu. Auf die Frage, ob es einen Nachweis dafür gebe, dass keine Kinder für die Arbeit eingesetzt werden, lautete die Antwort: "Nein. Wir stehen mit unserem Namen ein."
  • Fruit oft the Loom: Hat uns ohne weitere Bemerkung den sogenannten "Fruit-Code“ zugesandt, einen Verhaltenskodex für Lieferanten bzw. für die seitens des Unternehmens geführten Produktionsbetriebe. Auf unsere Fragen zur Herkunft der verarbeiteten Baumwolle und nach Baumwolle aus Usbekistan ging das Unternehmen nicht ein.
  • H&M: Bezieht nach Möglichkeit keine usbekische Baumwolle. Dies zu vermeiden, sei aber – u.a., weil H&M keine direkten Beziehungen zu Baumwollhändlern hat – sehr schwierig. Seit 2010 wird von Textillieferanten aus Bangladesch die Angabe des Ursprungslands von Baumwolle, Garnen und Gewebe verlangt, die für H&M-Aufträge verwendet werden. Zudem wird untersucht, welche Methoden zur Rückverfolgung bis zum Ursprung in großem Rahmen angewendet werden können.
  • KiK-Textilien: Der Textildiskonter verweist auf seinen Code of Conduct, die Einhaltung des Verhaltenskodex werde von externen Auditgesellschaften kontrolliert, so KiK. Da die vertraglichen Beziehungen jedoch ausschließlich die Konfektionierung beträfen, seien die Möglichkeiten, auf den Einkauf der Rohstoffe Einfluss zu nehmen, sehr beschränkt, heißt es. Seit 2009 seien die Lieferanten jedoch angewiesen, für KiK-Produkte keine usbekische Baumwolle zu verwenden.
  • Land’s End: Das deutsche Versandhaus für Freizeitkleidung hat uns Auszüge aus dem "Code of Vendor Conduct" zugesandt, in dem die Anforderungen für Lieferanten definiert werden. Auf unsere Fragen wurde jedoch nicht eingegangen.
  • Nike: Der Sportartikelhersteller gibt an, keine Baumwolle aus Usbekistan zu beziehen. Derzeit wird daran gearbeitet, die Rückverfolgbarkeit bis zum Ursprung der Baumwolle über die gesamte Beschaffungskette zu optimieren, um sicherzustellen, dass nicht versehentlich usbekische Baumwolle in die Beschaffungskette gelangt.
  • Otto-Group (Otto/Universal Versand): Die Rohbaumwolle für die eigenen Textilprodukte wird von Unito, einer Konzerntochter, weltweit eingekauft. Dass die Produkte auch Beimischungen usbekischer Baumwolle enthalten, lässt sich laut Unito "auf Grund des internationalen Baumwollhandels" nicht ausschließen. Lieferanten haben den Verhaltenskodex einzuhalten und darauf zu achten, dass auch Subunternehmer sich daran halten. In Risikoländern wird die Einhaltung der Standards überprüft.
  • Peek & Cloppenburg (P&C): Verweist auf seine Mitgliedschaft bei der Business Social Compliance Initiative (BSCI), einer Initiative europäischer Einzelhändler und Importeure zur Einführung und Überprüfung von Sozialstandards. Da P&C nicht direkt Baumwolle einkaufe, beschränke sich der direkte Einfluss von P&C auf die Lieferanten, so die Stellungnahme.

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