Hartwig Kirner ist seit 2007 Geschäftsführer von Fairtrade Österreich. Im Interview nimmt er Stellung zum Austritt Josef Zotters aus dem Fairtrade-System und verweist auf die Verantwortung der Konsumenten.
KONSUMENT: Es gibt immer wieder Kritik an Fairtrade. Zuletzt war der Austritt des Schokolade-Unternehmers Josef Zotter aus dem Fairtrade-System ein Thema. Sein Kritikpunkt: Mangelnde Transparenz aufgrund des Mengenausgleichs bei Fairtrade-Schokolade.
Hartwig Kirner: Dazu sei zuerst gesagt, dass wir niemanden zwingen, Mengenausgleich zu betreiben, die Salzburger EZA Fairer Handel GmbH zum Beispiel verwendet rückverfolgbaren Kakao in ihren Produkten. Zweitens: Fairtrade hat den Mengenausgleich nicht erfunden, er ist auch in der herkömmlichen Kakaoproduktion gang und gäbe. Es handelt sich hier um eine sehr arbeitsteilige Industrie, kaum ein großer Hersteller produziert die Schokolademasse selbst.
Können Sie das Prinzip des Mengenausgleichs, auch Massenbilanzierung genannt, erklären?
Bei Kakao, Zucker, Orangensaft und Tee ist die physische Rückverfolgbarkeit nicht überall möglich, da bei der Verarbeitung konventionelle und fair produzierte Rohstoffe vermischt werden können. Die Mehrkosten für eine Trennung der Rohstoffe wären hier erheblich, würden aber nicht beim Bauern ankommen, weil sie in der Produktion versickern. Das Ziel von Fairtrade ist jedoch, dass es den Bauern besser geht. Die Fairtrade-Bauernfamilien und Beschäftigten auf Plantagen profitieren von denselben Fairtrade-Vorteilen.
Woher kommt die Kritik am Mengenausgleich?
Der Denkfehler liegt darin zu glauben, dass letztendlich nur 20 Prozent Fairtrade-Kakao in einer Tafel Schokolade sind, aber das stimmt so nicht. Die gesamte Menge an Kakao für eine Fairtrade-Schokolade muss auch bei Mengenausgleich bei Fairtrade-Bauern eingekauft werden. Anders ist es bei der Bio-Zertifizierung – dort macht es tatsächlich einen Unterschied.
Fairtrade ist also nicht gleich Bio?
Nein, nicht automatisch. Es gibt einen großen Markt für Produkte, die nicht das Bio-Gütesiegel haben. Und nicht jeder Bauer will umstellen, auch deshalb, weil die Zertifizierung für ärmere Bauern nicht leicht zu erreichen ist.