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iPad Pro - Faszinierendes in der Nische

iPad Pro im Alltagstest: KONSUMENT-Redakteur Gernot Schönfeldinger hat das Gerät ausprobiert - eine Art subjektiver Kurztest. Die wiedergegebene Meinung muss nicht zwangsläufig mit VKI-Testergebnissen übereinstimmen.

Gernot Schönfeldinger (Bild: U. Romstorfer/VKI)
KONSUMENT-Redakteur
Gernot Schönfeldinger
über das iPad Pro

Wahre Fans können es nachvollziehen: das erhebende Gefühl beim Auspacken eines fabriksneuen Gerätes "designed by Apple in California“. – Das „Assembled in China“ ignorieren wir (siehe Tablet-Hersteller - Auf halbem Weg). Welches Hightech-Produkt wird eigentlich nicht dort zusammengeschraubt? – Schon die edel gestylte Verpackung setzt im Körper die erste Welle an Glückshormonen frei. Mit glänzenden Augen hebt man den Deckel ab und wirft einen scheuen Blick auf das Objekt der Begierde. Selbst der Kunststofffolie, die es umhüllt, entströmt mehr als nur die Ausdünstung der Weichmacher. Es ist der Duft des Besonderen.

Nicht geschenkt, nicht geborgt

Und dann passiert eines Tages das Unerwartete! Das lang ersehnte iPad Pro ist in der Redaktion eingetroffen – nicht geschenkt, nicht geborgt, sondern ganz regulär von uns gekauft. Der Deckel ist ab und mein erster Gedanke: "Na bumm, das ist wirklich groß!“ – körpereigene Glückshormon-Rückrufaktion inklusive. Gut, ich hab’s vorher gewusst. 12,9 Zoll sind 12,9 Zoll, also fast 33 Zentimeter Display-Diagonale. „Dünn, leicht, gigantisch“, sagt Apple und hat zumindest bei Letzterem nicht übertrieben, sofern man in bisher gewohnten Tablet-Maßstäben misst. Auch der Behauptung "dünn“ kann ich etwas abgewinnen, wenn man die Kubatur mit der drinsteckenden Leistung in Relation setzt.

Über 700 Gramm Gewicht

Klar, alles ist relativ. Aber wenn es davon Steigerungsformen gäbe, dann wäre "leicht“ in Bezug auf das iPad Pro für mich am relativsten. Sollen doch die für die Werbefotos verantwortlichen Marketingmenschen bei Apple versuchen, das Ding auch nur fünf Minuten lang mit einer Hand frei schwebend zu halten! Was ich damit sagen will: 713 Gramm (ohne Hülle) sind auf jeden Fall so viel, dass das iPad Pro seinen Platz auf dem Tisch oder auf den Oberschenkeln braucht. Das Halten mit beiden Händen ist nur dann eine Alternative, wenn die Daumen für die Bedienung ausreichen.

Fotos und Videos betrachten

Kein Laptop-Ersatz

Aber nur für ein bisschen Wischen und Scrollen ist das iPad Pro eigentlich nicht gemacht. Dass Apple-Chef Cook den Mund etwas voll genommen hat – oder sich unklar ausgedrück hat – ist ja bekannt. Laptop-Ersatz ist das iPad Pro keiner, ja kann es nicht sein, weil es ein mobiles OS und kein vollwertiges PC-Betriebssystem installiert hat. Aber es ist trotzdem vielseitiger einsetzbar als die kleineren iPads und Tablets, weil es nämlich als Einziges zum flotten Schreiben taugt. Quer gehalten, ist die eingeblendete Tastatur so großformatig, dass man mit dem Zehnfingersystem ganz gut zurechtkommt. Allerdings muss ich gleich dazusagen: Erst die „smarte“ Schutzhülle mit integrierter Zusatztastatur macht den iPad-Riesen für mich wirklich alltagstauglich.

Wie man merkt, gehöre ich der schreibenden Zunft an und kann verstehen, dass nicht jeder die gleiche Lust in sich trägt, seine Gedanken aufs virtuelle Papier zu bringen. Da ist aus meiner Sicht auch ganz okay so. Deshalb stellt sich einem nicht unerheblichen Teil der Leserschaft wohl die ur-österreichische Frage: „Za wos brauch i des?“ – Ganz ehrlich: Ich habe auch keine Antwort darauf.

Fotos und Videos betrachten

Ja, das Display macht das Betrachten von Fotos und Videos zum optischen Genuss. Die vier eingebauten Lautsprecher fegen klangmäßig jedes andere aktuelle Tablet vom Platz und die Prozessorgeschwindigkeit degradiert die Konkurrenz zur Formel Seifenkiste. Spezielle Apps bescheren Grafikern und Musikern Glücksmomente und wer ohne Beamer eine Präsentation eindrucksvoll in Szene setzen möchte, dem wird das mit dem iPad Pro leidlich gelingen. Irgendetwas Faszinierendes hat bis jetzt jeder, dem ich es vorgeführt habe, an dem Gerät gefunden.

Etwas fehlt

Aber: Als sich in den rund 650 Quadratzentimetern Display die Deckenleuchten des Büros blendend hell widerspiegelten, als diese 650 Quadratzentimeter auf meinem Schoß liegend die neugierigen Blicke der anderen Bahnreisenden auf sich zogen, und als sich eben diese 650 Quadratzentimeter binnen Kurzem flächendeckend mit Fingerabdrücken füllten, da wusste ich, dass mir etwas Entscheidendes fehlte.

Ohne Touchpad, ohne Maus

Smart Keyboard nennt Apple die Kreuzung aus Cover und Tastatur, die dank Apples neuem magnetischen Smart Connector ohne Bluetoothverbindung auskommt und erlaubt, das iPad Pro wie den Bildschirm eines Laptops schrägzustellen. Platziert man es auf dem Schoß, merkt man, dass die Schwerpunktverteilung nicht optimal ist, aber es kippt letztlich doch nicht nach hinten.

Ohne Touchpad, ohne Maus

Wer MacBook-Tastaturen kennt, wird sich am Smart Keyboard sofort zu Hause fühlen. Vieles lässt sich per Tastendruck und über Shortcuts steuern. Was anfangs irgendwie abgeht, sind Touchpad oder Maus. Ganz ohne Fingertapser auf dem Display geht es leider doch nicht. Aber letztlich gewöhnt man sich an diese genauso wie an die „gemischte“ Bedienung.

Übrigens habe ich nicht das originale Smart Keyboard im Einsatz, weil es – nur Apple weiß warum – lediglich in der englischsprachigen QWERTY-Variante ohne Umlaute existiert. An meinem iPad Pro hängt ein Alternativprodukt namens „Create“ der Firma Logitech. Mit seinen 150 Euro auch kein Schnäppchen und nur wenig günstiger als das Original, aber ein hochwertiges Produkt, dessen Verwendung Spaß macht. Nicht nur wegen der coolen beleuchteten Tasten!

Teuer, teuer

Den Wermutstropfen aller Apple-Geräte gibt es freilich auch hier: den Preis. Ab 899 Euro ist man dabei. Unser Modell mit 128 GB Speicherplatz und mobiler Datenverbindung hat stolze 1229 Euro gekostet. Nackt wie Apple es schuf. Nicht einmal ein Paar Ohrstöpsel lassen sie springen.

Was soll ich abschließend sagen? Wer das iPad Pro tatsächlich braucht, wird es wohl auch kaufen und wird damit zufrieden sein. Wer einfach nur ein iPad haben möchte, wird in der Regel mit einem der kleineren Modelle das Auslangen finden. Wer hingegen auf der Suche nach einem vollwertigen Computer ist, sollte nicht vom Weg abschweifen und sich unter den Laptops umschauen. Unterm Strich ist das iPad Pro ein Nischenprodukt, auf das vielleicht manche gewartet haben mögen, aber sicher nicht die breite Masse.

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