„Am besten keinem trauen …“
KONSUMENT sprach mit Donovan Dunker, dem Gründer und Betreiber des ältesten noch unabhängig existierenden Hotel-Bewertungsportals hotelkritiken.de, über seine Einschätzung des „Kriegs der Sterne“.
Welchen Sternen-Klassifizierungen kann man trauen?
Eigentlich keinen – es sei denn, man weiß, was oder wer dahintersteckt. Ich schätze, dass es global derzeit nur vier bis fünf ernst zu nehmende Sterne-Klassifikationssysteme gibt.
Welchem würden Sie persönlich am ehesten glauben?
Jenem, das wir in Deutschland und auch Sie in Österreich haben, den Hotelstars. Dieses steht jetzt in 15 Ländern zur Verfügung.
Dabei fällt aber auf, dass sich viele Hotels überhaupt nicht offiziell klassifizieren lassen. Warum?
Ein Grund ist sicher die – an sich begrüßenswerte – Strenge der Klassifizierungsrichtlinien. Also, selbst wenn Sie ansonsten ein Spitzen-Hotel sind, aber daneben auch nur drei Mini-Super-Sparpreis-Zimmer mit 12 Quadratmetern anbieten, werden sie damit „offiziell“ zum 1-Stern-Hotel für den gesamten Betrieb. Das will natürlich kein Hotelier, also bleibt man lieber offiziell unklassifiziert oder bastelt sich seine eigene Klassifizierung.
Manche Klassifikationen sind auch von den steuerlichen Gegebenheiten des Landes abhängig. So lassen sich etwa viele Hotels in Frankreich (nicht Mitglied der Hotelstars Union, Anm.) gar nicht klassifizieren oder trachten, unter 5 Sternen zu bleiben. Andernfalls würde für die Gäste Luxussteuer fällig.
Hotels bewerten sich also selbst?
Jedes Hotel kann sich selbst ohne weiteres klassifizieren. Es darf nur nicht behaupten: „Ich bin klassifiziert nach offizieller XY-Norm“; das ginge nicht. Ansonsten kann sich aber jeder Beherbergungsbetrieb so viele Sterne verpassen, wie er will, und sich sozusagen selbst zertifizieren. Das machen auch relativ viele.
Werden solche Selbstzertifizierungen von den Branchenverbänden geahndet?
Nicht wirklich. Denn wer sollte hier aktiv werden? Es ist doch jeder Betrieb Mitglied in entsprechenden Branchenverbänden und -vereinigungen seines Landes. Und deren Funktionäre werden wohl kaum gegen die eigenen Mitglieder vorgehen, schließlich möchten sie ja wiedergewählt werden.
Also gehen die Verbände den umgekehrten Weg und stellen lieber die Vorteile der offiziellen Klassifizierung dar, statt gegen Selbstzertifizierungen vorzugehen. Solange sich der Betrieb nicht unautorisiert ein offizielles Emblem ans Portal heftet, wird hier kaum etwas passieren.
Auch Reiseveranstalter vergeben in Katalogen und auf Websites Sterne oder ähnliche Symbole. Wie beurteilen Sie deren Zuverlässigkeit?
Besser, denn Reiseveranstalter wollen Ärger vermeiden. Sie sehen sich die Betriebe vor Ort an, bevor Kontingente eingekauft werden. Entweder mit eigenen Mitarbeitern oder durch sogenannte Incoming-Agenturen.
Dazu muss man aber wissen: Es kann durchaus sein, dass ein und dasselbe Hotel selbst in den Katalogen eines konkreten Reiseveranstalters etwas unterschiedlich eingestuft wird. So haben etwa die Reisekunden aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Luxemburg vergleichbare Ansprüche – aber schon die Franzosen ganz andere. Deshalb werden die Bewertungen in den Katalogen tendenziell dem Erwartungsniveau des Landes angepasst, in dem der Katalog erscheint.
Ist somit beispielsweise „3-Stern-“ nicht in jedem Land gleich „3-Stern-Betrieb“?
Nein. Zwar gibt es keinen festen „Umrechnungsschlüssel“. Man wird aber sagen können: Wenn Sie vom Niveau eines 3-Stern-Hotels in Österreich oder Deutschland ausgehen, sollten Sie etwa in Spanien 3,5 bis 4 Sterne, in der Türkei 4,5 und in Tunesien keinesfalls unter 5 Sternen buchen, um den gewohnten heimischen 3-Sterne-Standard erwarten zu können.
Dazu kommen einfach unterschiedliche „Notensysteme“ in den Ländern: Wer bei Ankunft im gebuchten 4-Stern-Hotel in der Türkei nur einen Stern am Portal prangen sieht, mag vorerst erschrecken. In Wahrheit bedeutet das in nationaler Notation aber „Erste-Klasse-Ferien-Ressort“, das System steht dort also Kopf, sofern sich der Hotelier auch an sein einheimisches Publikum wendet und nicht die mitteleuropäische Lesart übernommen hat.
Wie sieht der „Krieg der Sterne“ nun bei den Internet-Bewertungsportalen aus?
Sehr unterschiedlich. Es gibt solche, wie unser hotelkritiken.de, die mit 0 bis 6 Sternen bewertet, andere mit 1 bis 5, wieder andere mit 1 bis 10 Sternen. Vor allem Letzteres ist problematisch, weil selbst bei nur durchschnittlichen Bewertungen immer an die 5 Sterne erreicht werden, was zu entsprechenden Assoziationen beim Betrachter führen mag, der diese Anzahl eben mit „sehr gut“ verbindet, obwohl nur „durchschnittlich“ gemeint ist.
Gibt es eigentlich noch Unterschiede zwischen Bewertungs- und Buchungsportalen?
Kaum. Die meisten, die wie wir mit dem Anspruch einer unabhängigen Bewertungsplattform angetreten sind, wurden mittlerweile von rein kommerziell orientierten Unternehmen aufgekauft. Und die müssen in erster Linie Reisen und Unterkünfte verkaufen, Bewertungen interessieren sie an sich herzlich wenig. Diese sind nur unter dem Gesichtspunkt der Verkaufshilfe und der großen Zahl von Relevanz: Je mehr Bewertungen, desto mehr Interessenten auf der Plattform, umso mehr Verkäufe. Und je verzahnter Bewertung und sofortige Buchungsmöglichkeit sind, desto besser. Wir hingegen trennen das aber: Auf hotelkritiken.de können Sie zwar Bewertungen abgeben, verlassen aber die Site, wenn Sie buchen wollen.
Wie kommen die Hotels eigentlich auf die Portale?
Entweder sie haben einen direkten Verwertungsvertrag mit dem Portal oder Konsumenten geben eine Wertung ab, reklamieren also sozusagen das Hotel in das Portal hinein, beziehungsweise der Portalbetreiber übernimmt einfach die Daten aus der Datenbank eines Reiseveranstalters. Der Hotelbetreiber kann sich auch selbst anmelden, was der Grund dafür ist, dass man auf Bewertungsportalen auch viele Hotels findet, die noch nie eine Bewertung erhalten haben – aber dennoch vom Portal aus buchbar sind.
Wie seriös schätzen Sie Bewertungen im Internet ein?
Ich persönlich traue keiner. Und das ist nicht beschränkt auf Hotel- oder Reiseportale. Das gilt auch für Produktbewertungen in Einkaufsportalen etc. Das ist eine Marketingmaschine.
Wir haben mit der Zeit gelernt: Wenn man wirklich aufpasst und allen auf die Finger klopft, die Eigenwerbung betreiben oder gefälschte Bewertungen abgeben, dann kommt man gar nie auf die Masse an Bewertungen, die auf vielen Portalen ausgewiesen werden.
Welcher normale User setzt sich eine halbe oder ganze Stunde hin, um eine Bewertung zu schreiben? Der eine oder andere vielleicht gelegentlich. Aber Hunderttausende oder gar Millionen? Ich halte es für ausgeschlossen, diese gigantischen Zahlen mit echten, unabhängigen Schreibern zu erreichen. Mein Ziel ist es deshalb nach wie vor, verlässliche Informationen zu bieten. Denn von der Menge her werden wir mit den Marketingmaschinen der Milliardenkonzerne, die wirklich Geld machen wollen, so und so nicht mitkommen.
Wie wirken sich negative Bewertungen auf den Verkauf von Reisen oder auf Hotelbuchungen aus?
Wir haben das einmal zwei Jahre lang versucht und gesehen: Alles was in den Bewertungen weniger als 5 Sterne (von 6 möglichen, Anm.) hatte, ist absolut unverkäuflich. Keine Chance. Diesen Versuch haben wir aber eingestellt, da sich hier zu viele Leute einmischen wollten – vor allem, wenn es negative Bewertungen gab. hotelkritiken.de wird deshalb nebenberuflich von einer Handvoll Leute betrieben, die Kosten werden aus herkömmlicher Internet-Werbung gedeckt, nicht aus dem Verkauf von Reisen oder aus Hotelbuchungen. Qualität geht also vor Quantität. Denn mit den Mitteln der Milliarden-Konzerne kann ohnehin keiner mithalten.