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Zusatzkrankenversicherungen - Verkürzte Wahrheit

Eine Zusatzkrankenversicherung bietet erhöhten Komfort bei der Unterbringung im Spital und bringt Vorteile bei der Arztwahl. Doch manche Versicherer versprechen mehr, als sie eigentlich dürften.

Unser Test zu Wartezeiten auf einen Opera­tionstermin (KONSUMENT 9/2011) wirbelte mächtig Staub auf. Die Tatsache, dass Patientinnen und Patienten mit einer Zusatzversicherung deutlich rascher einen notwendigen Operationstermin erhielten als Kassenpatienten, sorgte für Aufregung unter Spitalsbetreibern, Ärztevertretern und Politikern.

Ein Primar drohte uns gar mit einem gerichtlichen Nachspiel. Auch von unseren Leserinnen und Lesern gingen zahlreiche Zuschriften ein. Viele ergänzten die Ergebnisse unserer Erhebung durch eigene leidvolle Erfahrungen.

Bessere medizinische Versorgung

Doch es setzte auch Kritik: "Wenn ich schon mehr für meine Krankenversicherung bezahle, habe ich auch Anspruch auf eine bessere Versorgung", hörten wir nicht selten. Unser Einwand, dass sich die Vorteile lediglich auf Unterbringung und Arztwahl beziehen dürften, nützte wenig. Offenbar schließen viele Privatversicherte ihre Polizzen in der festen Meinung ab, sich damit auch Vorteile im ­medizinischen Bereich zu erkaufen. Dies lässt vermuten, dass die Anbieter von Zusatzver­sicherungen mit einer besseren medizinischen Versorgung werben, um ihre Produkte besser an die Kunden zu bringen.

Sieben Anbieter in Österreich

Das wäre allerdings nicht zulässig. Der Unterschied zwischen Sonderklasse und allgemeiner Gebührenklasse darf sich alleine auf die Unterbringung im Krankenhaus und die Möglichkeit, sich vom Arzt der Wahl behandeln zu lassen, beschränken. So sieht es zumindest das Gesetz vor. Wir wollten wissen, ob sich die sieben Anbieter von Krankenzusatzversicherungen in Österreich (Allianz, ­Donau, Generali, Merkur, Muki, Uniqa und Wiener Städtische) an diesen Grundsatz halten oder ob Interessenten für ein derartiges Produkt etwa mit falschen Versprechungen geködert werden.

Unseriöse Werbeaussagen, Testangebote

Unzulässige Versprechungen

Zunächst haben wir die Internetauftritte der Unternehmen unter die Lupe genommen. Bereits dabei zeigte sich, dass einige Anbieter deutlich übers Ziel hinausschießen.

Die Allianz wirbt unter dem Titel "Privatpatienten haben es besser" mit der Aussage: "Keine Wartezeit bei wichtigen Operationen." Und weiters heißt es bei der Allianz: "Mit der Krankenhaus­kosten-Versicherung der Allianz gibt es keine Wartezeit auf Ope­rationen wie ansonsten bei Bandscheibenvorfällen üblich / Mit der Sicherheit 'Ihres' Privatarztes im bequemen Komfortzimmer des Wahl-Krankenhauses."

Etwas zurückhaltender wirbt die Donau um ihre Klientel. Hier ist die Rede davon, schnell wichtige Behandlungstermine zu erhalten.

Die Generali verspricht "einen ­unkomplizierten, raschen Zugang zu stationären Heilbehandlungen" und "verkürzte Wartezeiten bei Operationen durch Wahlmöglichkeit des ­Privatspitals".

Nur wenig moderater gibt sich die Wiener Städtische: "Sie werden besser behandelt" und "Sie bekommen schneller wichtige Behandlungstermine", heißt es hier.

Auch die Uniqa deutet unter dem Slogan "Sonderklassepatient im Spital – die beste Vorsorgeform. Oder gibt es noch mehr?" gewisse Vorteile mehr als nur an: "Sie werden von ­einem fertig ausgebildeten Arzt Ihrer Wahl behandelt. Sie können den Zeitpunkt Ihrer Behandlung oder einer nicht akuten Opera­tion mitbeeinflussen."

Zumindest was die Werbung auf der Homepage angeht, geben sich Merkur und Muki seriöser. Hier finden sich keine Aussagen, die auf eine bessere medizinische Versorgung und raschere Spitalstermine hindeuten. Doch wie sieht es aus, wenn man direkt per Mail um ein Angebot für eine Zusatzversicherung bittet?

Testangebote per Mail

Dazu haben jeweils vier Testpersonen per E-Mail bei jedem Versicherer ein Angebot eingeholt (insgesamt 28 Anfragen). Angefordert wurde immer der Tarif für "die Sonderklasse im Spital". Zudem erkundigten sich die Testpersonen nach den Vorteilen, die Zusatzver­sicherten im Allgemeinen eingeräumt würden. In 18 Fällen erhielten wir ein Angebot. Zwei Mal (Allianz, Donau) kam es zu einer Absage mit dem Hinweis, dass ein persönliches Beratungsgespräch für ein Angebot unerlässlich sei. Drei Mal erhielten wir den Hinweis, dass unsere Anfrage weitergeleitet werden würde, was offenbar nicht geschah. In fünf Fällen ­wurde unsere Anfrage schlicht ignoriert.

Unkorrekte Versprechungen, Zwei-Klassen-Gesellschaft

Unkorrekte Versprechungen

Auch in den Angeboten, die wir per Mail erhielten, fanden sich nicht gesetzeskonforme Versprechungen. In rund einem Drittel aller Fälle wurde mehr oder weniger deutlich mit Hinweisen geworben, die eine bessere medizinische Versorgung in Aussicht stellen. In der Mail ­eines Allianz-Beraters heißt es etwa: "... der wichtigste Vorteil ist, dass Sie enorm verkürzte Wartezeiten bei dringenden und notwendigen Behandlungen haben. Des Weiteren haben Sie in Vertragskrankenhäusern freie Arztwahl, 2-Bett-Zimmer und vor allem den besten Zugang zur besten Medizin."

Ein anderer Allianz-Berater wirbt mit "keine Warte­zeiten auf wichtige Operations- und Behandlungstermine". Von der Donau erhielten wir ebenfalls ein ­Angebot mit dem Hinweis "kürzere Warte­zeiten auf OPs". In den Angeboten der Gene­rali findet sich die Aussage: "Ihr weiterer ­Nutzen: Freie Wahl des Arztes bzw. des Spitals, beste und modernste Heilmethoden, bevorzugte Behandlung und keine Warte­zeiten in Spitälern." Und ein Uniqa-Berater versprach ebenfalls raschere OP-Termine.

Korrekte Angebote

Korrekt verhielten sich hier die Berater der Wiener Städtischen. In keinem der vier unterbreiteten Angebote findet sich ein Hinweis auf eine schnellere Behandlung oder bessere medizinische Versorgung. Ebenfalls inhaltlich in Ordnung sind die drei Rückmeldungen, die wir von der Muki-Versicherung erhielten. Von der Merkur-Versicherung kam nur eine Reaktion, in der keine falschen Versprechungen gemacht wurden.

Zwei-Klassen-Gesellschaft

Fazit: Die Werbeargumente einiger Versicherer – sowohl die Antworten auf unsere E-Mail-Anfragen als auch die Darstellung auf den Homepages betreffend – verleiten in der Tat zu der Annahme, dass der Abschluss einer Zusatzkrankenversicherung eine bessere und raschere Behandlung mit sich bringt. Be­finden wir uns also tatsächlich auf dem Weg in eine Zwei-Klassen-Medizin? Die Antwort, die wir von einer Allianz-Agentur erhielten, lässt jedenfalls tief blicken. In dem Antwortschreiben heißt es ganz unverblümt: "die Leistungen der Krankenkassen (Anm. d. Red.: gemeint sind hier die gesetzlichen Krankenkassen) werden noch schlechter und die Zwei-Klassen-Gesellschaft wird in diesem Bereich mehr forciert."

Vorteile der Zusatzversicherung

Welche Vorteile die Österreicher im Abschluss einer Zusatzversicherung sehen, zeigt eine Gallup-Umfrage unter 1.000 Personen vom Herbst 2011. An erster Stelle wurde "eine bessere medizinische Versorgung" genannt (36 %). Jeder Fünfte würde eine private Versicherung abschließen, weil er sich um den Ausfall der gesetzlichen Krankenkasse sorgt.

17 Prozent glauben, dass Sonderklassepatienten eine bessere Betreuung und Pflege erhalten. Erst an vierter Stelle (13 %) wird mit "besserer Komfort" eine Leistung genannt, die wirklich mit einer Zusatzversicherung verknüpft sein sollte. Jeder Zehnte würde sich gerne privat versichern, um die Wartezeit auf eine Behandlung zu verkürzen. Nur fünf Prozent sehen in der tatsächlich mit der Sonderklasse verbundenen freien Arztwahl einen Vorteil, der für eine Zusatzversicherung spricht.

Zusammenfassung

  • Unterbringung, Arztwahl. Wer eine Zusatzkranken- oder Sonderklasse­versicherung abschließt, erwirbt sich damit Vorteile bei der Unterbringung im Spital (Ein- oder Zweibettzimmer, Ver­pflegung). Über diese sogenannte Hotelkomponente hinaus besteht auch ein Recht auf freie Arztwahl.
  • Medizinische Leistungen. Eine Zusatzkrankenversicherung erstreckt sich nicht auf die Qualität der medizinischen Versorgung, diese muss für alle Patientinnen und Patienten gleich sein.
  • Kürzere Wartezeiten. Versprechungen, der Abschluss einer Zusatzkrankenversicherung würde die Wartezeiten auf OP-Termine verkürzen, sind unseriös. Das Krankenversicherungssystem in Österreich sieht diesbezüglich keine Vorteile für privatversicherte Patientinnen und Patienten vor.

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