Wir haben die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) mit Ergebnissen unserer Erhebung konfrontiert und um Stellungnahme gebeten.
Konsument: Wie werden Ärzte für die Abrechnung mit der Krankenkasse eingeschult?
WGKK: Im Zuge der Neuinvertragnahme erhalten alle Vertragsärzte eine Einschulung, die neben verschiedenen administrativen Informationen auch Abrechnungsangelegenheiten (Honorarordnung) inkludiert. Im Rahmen des Projektes SBP (Service-Beratung-Partnerschaft) finden nach Vorliegen der ersten Quartalsabrechnung persönliche Gespräche mit den Ärzten statt. Zeigen sich in der Abrechnung Auffälligkeiten, werden diese mit dem Arzt geklärt. Über Änderungen in der Honorarordnung werden die Ärzte per Rundschreiben informiert.
Konsument: Unsere Stichprobe ergab, dass in jedem Fall zusätzliche Leistungen verrechnet wurden. Ist das üblich?
WGKK: Es ist hinlänglich bekannt, dass im Zusammenhang mit der VU häufig nicht nur die VU-Positionen, sondern auch Leistungen aus dem kurativen Katalog abgerechnet werden. Das hat mehrere Gründe: Zum einen ist eine strikte Trennung zwischen VU und Krankenbehandlung häufig nicht möglich (besonders im Hinblick auf unseren langen Abrechnungszeitraum von drei Monaten). Hinzu kommt die mitunter nicht geringe Patientenbegehrlichkeit sowie die Tatsache, dass viele Ärzte den VU-Umfang als medizinisch nicht ausreichend erachten. Auch die Gesundenuntersuchung, die von der MA 15 angeboten wird, beinhaltet einen größeren Untersuchungsumfang als das reine VU-Programm.
Konsument: Aber offenbar kommt es auch zu Fehlern.
WGKK: Bei der Unmenge an Abrechnungsdaten sind Abrechnungsmängel nicht vermeidbar. Diese Fehler werden bereits maschinell (bei der Erfassung der Daten) wie auch im Rahmen nachfolgender Kontrollen bereinigt. So ist es bei Vertragspartnern schon vorgekommen, dass Laborparameter und EKG-Untersuchungen, die im Zusammenhang mit der VU gemacht wurden, vom Honorar abgezogen wurden.
Von den Vertragsärzten mit kurativem Einzelvertrag werden zusätzlich zur VU im Laufe eines Quartals in beinahe allen Fällen zusätzliche Leistungspositionen (mit zumindest Fallpauschale und Hausarztzuschlag) in Rechnung gestellt. Ob diese in unmittelbarem Zusammenhang mit der VU stehen, kann nur bei Prüfungen im Einzelfall festgestellt werden.
Konsument: Ist man sich bei den Versicherungsträgern bewusst, dass Ärzte die VU als zu wenig weitgehend erachten?
WGKK: Der Umfang der von der Vorsorgeuntersuchung umfassten Leistungen wurde vom Hauptverband gemeinsam mit der österreichischen Ärztekammer festgelegt, um neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Vergütet werden nur vollständig ausgefüllte Befundblätter. Die Vorsorgeuntersuchung wird gut honoriert, was wiederum einen Anreiz für die Ärzte darstellt, Vorsorgeuntersuchungen durchzuführen. Ärzte, die eine "Durchuntersuchung" (was immer darunter zu verstehen ist) ohne Verrechnung der Vorsorgeuntersuchung machen, nehmen finanzielle Einbußen in Kauf.
Es ist der Kasse bekannt, dass der Umfang der VU von einzelnen Ärzten als zu gering erachtet und der Untersuchungsgang um einzelne Leistungen (z.B. EKG, weitere Laborbefunde) erweitert wird; Konstellationen dieser Art werden im Rahmen der laufenden Vertragspartnerkontrolle immer wieder überprüft. Für die Versicherungsträger stellt sich nicht so sehr die Frage, wie und nach welchem Muster ein Patient "durchuntersucht" wird (solange die Untersuchungsqualität stimmt), sondern ob neben dem vereinbarten VU-Programm routinemäßig Leistungen zusätzlich in Rechnung gestellt werden, die keinen medizinischen Zusatznutzen bringen, aber kostenintensiv sind. Werden neben der VU auch kurative Leistungen abgerechnet, so sind diese meist mit verschiedenen Diagnoseangaben begründet. Wurden ungerechtfertigte Zusatzleistungen verrechnet, kommt es zu Honorarkorrekturen.
Konsument: Wir stellten fest, dass, obwohl sich der Patient für eine VU anmeldet, keine VU ausgeführt und auch nicht abgerechnet wird.
WGKK: Es gibt bei den Allgemeinmedizinern und Internisten auch Ärzte, die tatsächlich keine Vorsorgeuntersuchungen abrechnen. Ein Grund mag sein, dass sich diese Ärzte mit dem administrativen Aufwand, der mit der VU verbunden ist, nicht auseinandersetzen wollen. Hinzu kommt, dass nicht jede Vorsorgeuntersuchung sinnvoll ist: So soll z.B. die Durchführung der VU unterbleiben, wenn der Proband in den letzten zwei Quartalen in ärztlicher Behandlung war und sich die Untersuchung mit den Interventionen der VU im Wesentlichen deckt; dies ist auch Vertragsbestandteil, der aus medizinischer Sicht durchaus großen Sinn macht.
Naturgemäß können wir nur die in Rechnung gestellten Leistungen der Vertragsärzte datenmäßig auswerten. Aus den Abrechnungsdaten kann nicht abgeleitet werden, ob Patienten eine VU wünschen, diese vom Arzt aber nicht erbracht wird. Sollte der Arzt anstelle der VU einzelne kurative Leistungen abrechnen, kann das daher statistisch nicht erfasst werden. Wir können auch keinerlei seriöse Schätzungen abgeben, wie oft es vorkommt, dass Patienten irgendwelche Wünsche äußern (nicht nur im Bezug auf die VU, sondern generell), denen dann seitens der Ärzteschaft nicht nachgegangen wird. Dies ist übrigens nicht negativ zu werten: Es liegt im Verantwortungsbereich der Ärzte, auch die Patientenbegehrlichkeit zu hinterfragen und – aus medizinischer Sicht – nicht automatisch jedem Patientenwunsch nachzukommen, da der Patient viele Aspekte nicht richtig einschätzen kann.
Generell kann aber festgehalten werden, dass der überwiegende Teil der Vertragsärzte die VU korrekt verrechnet. Wenn ein Versicherter beim Arzt um eine VU bittet, wird der Arzt eine Untersuchung durchführen und die entsprechenden Leistungspositionen (VU und/oder kurativ) in Rechnung stellen.