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Unerwünschte Wirkung - Wenn Medikamente krank machen

Medikamente können auch unerwünschte Wirkungen hervorrufen. Wie können ­Nebenwirkungen erkannt werden und wie geht man am besten damit um?

„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.“ Der Satz ist fast jedem von uns geläufig. Doch Hand aufs Herz: ­Machen Sie sich über unerwünschten Wirkungen von Medikamenten tatsächlich ­Sorgen? Angebracht wäre es allemal, denn die Zahl der Patientinnen und Patienten, die in Österreich jedes Jahr durch Nebenwir­kungen schwere gesundheitliche Schäden erleiden oder gar daran sterben, dürfte in die Tausende gehen.

Vor- und Nachteile einer Behandlung

Vielleicht wollen wir von den Gefahren für unsere Gesundheit auch deshalb gar nichts wissen, weil wir die vom Arzt verschriebene Arznei dann womöglich gar nicht mehr einnehmen würden. Das soll mit diesem Artikel keinesfalls bezweckt werden. Andererseits kann das Wissen um mögliche Nebenwirkungen wichtig sein, etwa wenn es darum geht, Vor- und Nachteile einer Behandlung gegeneinander abzuwägen.

Wirkung und Nebenwirkung

Vorweg sollte man sich darüber im Klaren sein, dass jedes medizinische Präparat, das einen Nutzen bringt, auch eine schädliche Wirkung haben kann. Im Umkehrschluss gilt fast immer: Jedes Mittel, das absolut frei von Nebenwirkungen ist, hilft höchstwahrscheinlich auch nicht gegen die Erkrankung, gegen die wir es anwenden. Wenn also in Inseraten oder bezahlten Artikeln von der sagenhaften Wirkung eines Präparates ­gegen dieses oder jenes Gebrechen die Rede ist und damit geworben wird, dass dabei garantiert keinerlei Nebenwirkungen auf­treten, dann sollte unser Misstrauen geweckt sein. Und wir sollten uns die Ausgaben für das vermeintliche Wundermittel gründlich über­legen. Die Wahrscheinlichkeit ist nämlich hoch, dass es den Anbietern weniger um ­unsere Gesundheit als vielmehr um ihren Profit geht.

Medikamente können Symptone bzw. Krankheiten verschlimmern

Die Bandbreite unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) ist groß. Sie reicht von Hautrötungen (z.B. nach einer Spritze) über sogenannte systemische Reaktionen (wie Schwindelgefühl oder Übelkeit) bis hin zu massiven Organschäden, die tödlich enden können. Medikamente können Krankheiten verschlimmern oder aber gerade jene Symp­tome auslösen, gegen die man das Medi­kament einnimmt. Bekanntes Beispiel sind Kopfschmerztabletten, die bei lang andauernder Einnahme Kopfschmerzen verur­sachen können. Auch aller­gische Reaktionen zählen zu den unerwünschten Wirkungen, da auch sie als Folge der Therapie auftreten können.

Wechselwirkungen beachten

Akzeptanz

Je nach Schwere der Erkrankung sind wir mehr oder weniger bereit, Nebenwirkungen zu akzeptieren. Geht es um Leben und Tod, etwa bei einer Chemotherapie gegen Krebs, nehmen wir sogar besonders gefährliche ­Reaktionen in Kauf. Bei Halsschmerzen oder Kopfweh sieht es wieder ganz anders aus. Plagt uns aber eine Migräne schier unerträglich, hat das auch Auswirkungen auf unsere Toleranzschwelle.

Protokoll führen sinnvoll

Doch was ist, wenn sich Nebenwirkungen nicht so einfach zuordnen lassen, weil sie etwa erst mit zeitlicher Verzögerung auf­treten? Wollen wir Für und Wider einer Medikamenteneinnahme abwägen, müssen wir die UAW erst einmal als solche erkennen. Deshalb ist es sinnvoll, eine Art Protokoll zu führen. Dieses sollte eine Beschreibung der Nebenwirkungen enthalten. Außerdem sollten folgende Fragen beantwortet werden: Wann treten die unerwünschten Wirkungen auf und wie lange halten sie an? Verschwinden die Nebenwirkungen, wenn das Medi­kament abgesetzt wird, und treten sie bei neuerlicher Ein­nahme wieder auf? Das ist wichtig, damit eine ­Nebenwirkung eindeutig dem Medikament zugeordnet werden kann. Und es hilft uns bei der Entscheidung, ob wir das Mittel ­weiter nehmen wollen und wann eine Einnahme zu verantworten ist. Letzteres ist ­relevant, wenn Nebenwirkungen unseren Alltag beeinträchtigen – zum Beispiel, wenn ein Schwindelgefühl das ­Lenken von Fahrzeugen oder die Arbeit mit Maschinen zu gefährlich macht. Von Vorteil ist die Erfassung aber auch, weil sich Auftreten und Verlauf der UAW verändern können. Sie können etwa an Intensität verlieren (oder gewinnen), erst spät im Therapieverlauf oder gar erst nach Therapieende auftreten.

Wechselwirkungen

Ebenfalls wichtig ist, Wechselwirkungen zu erfassen. Dabei geht es nicht nur um das ­Zusammenspiel zwischen verschiedenen Medikamenten, sondern auch um Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln. Unerwünschte Reaktionen treten bei bestimmten Wirkstoffen etwa im Zusammenhang mit Fruchtsäften oder Milchprodukten auf. ­Zudem kann die Wirksamkeit des einge­nommenen Medikaments reduziert oder ­verstärkt werden. Deshalb ist es nützlich, festzuhalten, welche Nahrungsmittel vor oder nach der Medikamenteneinnahme konsumiert wurden. Wechselwirkungen können auch eine Reaktion auf den Genuss von ­Alkohol oder Nikotin sein.

Skala der Gebrauchsinformation

In der Gebrauchsinformation der Medikamente ist auch immer angegeben, wie häufig beschriebene Nebenwirkungen auftreten. Diese werden während der Entwicklungs­phase des Medikaments in sogenannten randomisierten kontrollierten Studien erfasst. Dabei werden einander sehr ähnliche Gruppen von Personen unterschiedlich behandelt und erhalten entweder das Medikament oder ein Scheinmedikament (Placebo). Meist wissen weder die Patienten noch die in die Studie involvierten Ärzte, welches Präparat gegeben wird (Doppelblindstudie). Die Skala in der Gebrauchsinformation reicht von „sehr häufig“ bis „sehr selten“:

  • Sehr häufig: Eine oder mehrere unter 10 Personen sind betroffen (≥ 10 %).
     
  • Häufig: Eine bis zehn von 100 Personen sind betroffen (1 – 10 %).
     
  • Gelegentlich: Eine bis zehn von 1.000 Personen sind betroffen (0,1 – 1 %).
     
  • Selten: Eine bis zehn von 10.000 Personen sind betroffen (0,01 bis 0,1 %).
     
  • Sehr selten: Eine von 10.000 Personen ist betroffen (< 0,01 %).

Zu beachten ist dabei: So gerne jeder auch wissen möchte, wie häufig eine unerwünschte Wirkung bei einer Person seines Alters, Geschlechts und Gesundheitszustandes auftritt, so unmöglich sind exakte Vorhersagen, da die dazu notwendigen Informationen in der Regel nicht vorliegen. Oft sind die Studien nicht umfangreich genug oder sie liefen nicht lange genug, um genau erfassen zu können, wie häufig seltenere unerwünschte Ereig­nisse auftreten. Ebenfalls begrenzt sind die ­Aussagen, wenn es um Auswirkungen geht, die erst nach Jahren oder Jahrzehnten auf­treten, wie Organschäden oder Krebserkrankungen. Zudem sind bestimmte Gruppen ­normalerweise aus Studien ausgeschlossen, etwa Kinder, Schwangere, sehr betagte Menschen oder Patienten, die unter mehreren ­Erkrankungen gleichzeitig leiden.

(unerwartete) Nebenwirkungen

Rasch auf den Markt

Neue Medikamente werden erst nach einem langwierigen Verfahren für den Gebrauch zugelassen. Im Rahmen des Zulassungsver­fahrens wird zwar die Qualität und Sicherheit der Arznei geprüft, dennoch kann es (wie im vorangegangenen Absatz dargelegt) keine hundertprozentige Sicherheit geben – auch deshalb, weil ein zeitlicher Druck bestehen kann, Erfolg versprechende Neuentwicklungen möglichst rasch auf den Markt zu bringen. Patienten, die etwa an einer lebensbedroh­lichen Erkrankung leiden, gegen die es noch keine wirksamen Medikamente gibt, gehen eher Risiken für Nebenwirkungen ein, auch wenn diese noch wenig einschätzbar sind. Doch unabhängig davon, ob ein Mittel bereits lange auf dem Markt ist oder ob es sich um ­eine Neuentwicklung handelt: Im Sinne der Medikamentensicherheit sollten unerwünschte Wirkungen immer in der Ordination und/oder in der Apotheke gemeldet werden. Für unerwartete Nebenwirkungen (also solche, die nicht im Beipacktext stehen) besteht nämlich eine Meldepflicht. Arzt und Apotheker leiten diese Informationen dann an die jewei­ligen Zulassungsbehörden weiter.

(unkalkulierbare) Nebenwirkungen

Derzeit werden im Schnitt pro Jahr ein bis zwei Medikamente aufgrund unkalkulier­barer Nebenwirkungen vom Markt genommen. Für eines von fünf neuen Medikamenten müssen die Warnungen zu Sicherheits­aspekten im Lauf der Jahre verändert werden. Doch nicht nur nach der Einnahme von ­Medikamenten können unerwünschte Wirkungen auftreten, sondern auch als Folge von nichtmedikamentösen Therapien wie Naturheilverfahren oder bei der Einnahme von ­Nahrungsergänzungsmitteln. So können ­etwa bestimmte Vitamine in hohen Dosen großen Schaden anrichten.

Vorab über Vor- und Nachteile informieren

Deshalb ist es wichtig, bereits im Vorfeld Vor- und Nachteile einer Therapie einigermaßen abschätzen zu können; unabhängig davon, ob es sich um Medikamente oder um Alter­nativverfahren handelt. Voraussetzung dafür ist wiederum, dass man vom Arzt umfassend über Nutzen und Risiken aufgeklärt wird. Der ärztliche Rat ist aber genauso unverzichtbar, wenn man eine Behandlung abbrechen möchte, aus welchen Gründen auch immer. Das Absetzen eines wichtigen Medikamentes kann nämlich schädlicher sein als unerwünschte Wirkungen.

Und noch etwas sollten Sie sich zum Grundsatz machen: Halten Sie Ihren behandelnden Arzt immer auf dem Laufenden, wenn Sie zusätzlich zur vor­geschlagenen Therapie weitere Mittel (egal ob Medikamente oder andere Präparate) ­einnehmen, denn nur er kann die möglichen ­Gefahren für Ihre Gesundheit abschätzen.

Nebenwirkungen melden

Patientinnen und Patienten können Nebenwirkungen von Medikamenten direkt beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (AGES Medizinmarktaufsicht) elektronisch melden; dazu auf www.basg.gv.at „Pharmakovigilanz“ anklicken.

Zusammenfassung

  • Nebenwirkungen protokollieren. Um unerwünschte Wirkungen einordnen zu können, sollte man versuchen, diese möglichst genau zu beschreiben. Halten Sie fest, wann sie auftreten und wann sie wieder verschwinden.
     
  • Nebenwirkungen melden. Neben­wirkungen sollten immer mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Geben Sie dabei immer an, wenn Sie neben den verordneten Medikamenten noch andere Arzneien oder Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Nehmen Sie die Präparate am besten mit in die Ordination.
     
  • Medikamente nicht einfach ab­setzen. Besprechen Sie sich zuvor mit dem behandelnden Arzt, wenn Sie ein Medikament absetzen möchten.

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