Die Pubertät ist die Zeit für das erste Mal. Die Jugendlichen werden zwar im Internet und in anderen Medien von sexuellen Inhalten überschwemmt. Ihr Wissen über Liebe, Sex und Verhütung hält sich jedoch in Grenzen.
Lehrer kennen ein untrügliches Zeichen dafür, dass ihre Schützlinge in die Pubertät gekommen sind: Die Mädchen fangen an, sich zu schminken und üben den Hüftschwung. Die Burschen schauen plötzlich nicht mehr durch ihre Mitschülerinnen hindurch, sondern gewinnen ganz eindeutig Interesse an ihnen. Freilich machen sich auch körperliche Anzeichen bemerkbar. Bei den Burschen sprießen Haare auf dem Kinn, bei den Mädchen knospt es unterm T-Shirt. Und das oft schon mit 11, 12 Jahren, wesentlich früher als in vorangegangenen Generationen. Das veranlasst viele Erwachsene zu dem Schluss, die Heranwachsenden hätten auch schon in viel jüngerem Alter den ersten Sex.
Teenagerschwangerschaften rückläufig
Stimmt nicht, ergeben einschlägige Befragungen. Die deutsche Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BZgA hat 2010 herausgefunden, dass die meisten Heranwachsenden ihren ersten Geschlechtsverkehr zwischen 15 und 16 haben, an die 30 Prozent sind mit 17 noch „jungfräulich“. Und: In mehr als 90 Prozent der Fälle sind die Jugendlichen beim ersten Sex fest befreundet oder gut miteinander bekannt. Auch die Zahl der Teenagerschwangerschaften ist nicht gestiegen. Im Gegenteil: Sie ist seit 2001 konstant rückläufig. Laut Statistik Austria hatten im Jahr 2009 drei Prozent der Neugeborenen eine Mutter, die jünger als 20 Jahre war, 14 Mädchen wurden in einem Alter von unter 15 Jahren Mutter. Das ist im internationalen Vergleich wenig.
Sex- und Vulgärvokabeln
Allerdings, und das mag mit ein Grund sein, warum Mädchen und Jungen in der Pubertät heute oft mit dem Etikett der sexuell verwahrlosten „Generation Geil“ belegt werden, ist ihre Sprache gespickt mit Sex- und Vulgärvokabeln. Sie kommen ihnen leicht über die Lippen, wenngleich sie meist gar nicht wissen, was sie da so daherreden. Erforscher der Jugendkultur vermuten die Ursache im durch das Internet einfacher gewordenen Zugang zu Pornographie. Seiten wie YouPorn sind allgemein zugänglich, wenige Eltern wissen, mit welchen Einstellungen am Computer gewisse Websites gesperrt werden können. Und selbst wenn – PCs gibt es heute in so gut wie jedem Haushalt, und was zu Hause der elterlichen Zensur zum Opfer gefallen ist, können die Jugendlichen sich anderswo ansehen.
Vorgegebene Muster
Durch diese Inhalte werden auch ganz bestimmte Bilder von Sexualität vermittelt. Es entstehen Skripts im Kopf der Heranwachsenden, wie Soziologen das nennen, Muster, die die jungen Leute als gegeben hinnehmen: Frauen sind immer verfügbar und willig; Oral- und Analsex sind ein Muss; ebenso wie die Totalrasur im Intimbereich. Die Bilder und Skripts erzeugen aber auch einen gewissen Druck bei den Jugendlichen, sagt die Sexualpädagogin und Soziologin Sabine Ziegelwanger von der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung ÖGF. Sie besucht Wiener und niederösterreichische Schulen und Jugendzentren, um 13- bis 16-Jährige über Pubertät, Liebe, Sex, Verhütung und alles, was damit zusammenhängt, aufzuklären.
Natürlichen Zugang zum Körper fördern
Was ihr dabei auffällt, ist die Diskrepanz zwischen dem, was die jungen Menschen tagtäglich an Sex-Inhalten sehen und hören, und dem, was sie tatsächlich wissen und benennen können. „Da denkt man sich oft: Das gibt es nicht“, sagt Ziegelwanger, die genau in jenem Zurechtrücken von Mythen ihren Auftrag sieht. „Die Jugendlichen freuen sich, dass jemand kommt, der offen und ehrlich das Thema Sex mit ihnen besprechbar macht.“ Immer wieder überrascht ist Ziegelwanger, dass vor allem Mädchen schier sprachlos sind, was ihre eigene Sexualität und Geschlechtsorgane betrifft. „,Da unten‘ sagen sie dann. Dabei wissen wir aus der Prävention sexueller Gewalt, dass es ganz wichtig ist, einen natürlichen Zugang zur Geschlechtlichkeit zu haben, Körperteile benennen zu können und auch zum eigenen Körper Zugang zu bekommen, Selbstbewusstsein zu entwickeln. Da sind die Eltern gefordert, ihre Kinder, vor allem Mädchen, positiv zu unterstützen.“