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Pflege daheim (Teil 1) - Helfen und helfen lassen

  • Das größte Pflegeheim ist die Familie
  • So planen und organisieren Sie die Pflege
  • Auch Pflegende brauchen Hilfe

Viele sind betroffen

Jede vierte Familie in Österreich hat einen alten oder behinderten Menschen zu betreuen. Die meisten Kranken und Hilfsbedürftigen wollen in der gewohnten Umgebung leben und von vertrauten Menschen versorgt werden.

Tatsächlich muss nur jeder fünfte Pflegebedürftige auf öffentliche Einrichtungen zurückgreifen. Das größte Pflegeheim ist die Familie: Mehr als 80 Prozent der Personen, die auf Hilfe angewiesen sind, werden von Angehörigen versorgt, auch wenn viele nicht in gemeinsamem Haushalt wohnen.

Die Pflege ist weiblich

Die Floskel vom „Abschieben ins Pflegeheim“ muss aus unserem Wortschatz dringend gestrichen werden: Die Bereitschaft, einen hilfsbedürftigen Angehörigen zu versorgen, ist nach wie vor groß. Aber Familien haben es heute ungleich schwerer, den Anforderungen gerecht zu werden. Früher dauerten Pflegeeinsätze einige Monate. Durch medizinische Fortschritte und höhere Lebenserwartung ist die Pflegedauer gestiegen – nicht selten auf Jahre und Jahrzehnte.

Kleinere Familien

Überdies ist das familiäre Netzwerk nicht mehr so eng gespannt: Die Familien sind heute klein, alle erwachsenen Mitglieder berufstätig. Fast 30 Prozent der Pensionisten haben keine Kinder, andere leben weit von den Angehörigen entfernt. Erstmals in der Geschichte werden Betagte von Personen gepflegt, die selbst bereits Großeltern sind.

Ein Viertel der Pflegenden ist über 60 Jahre alt. Vier von zehn Hauptbetreuungspersonen erleiden selbst gesundheitliche Schäden. Die größte Last tragen nach wie vor die Frauen: Vier von fünf Pflegenden sind weiblich. Sie leisten enorme unbezahlte Arbeit, die kaum als solche wahrgenommen und geschätzt wird. Müsste die Gesellschaft für diese Leistungen aufkommen, sie könnte sie nicht bezahlen.

Anzahl der Pflegebedürftigen steigt

Mit der längeren Lebensdauer steigt auch die Anzahl der Pflegebedürftigen stetig an. Bis 2010 wird sie sich auf rund 800.000 erhöht haben – und weiter steigen. Schon jetzt gibt es zu wenig Personal bei den Hilfsdiensten. Es ist längst kein privates Problem mehr. Aber die Gesellschaft lässt die Helfer oft genug im Stich.

Schwieriger Start

Wenn ein Angehöriger durch einen Schlaganfall mitten aus dem prallen Leben gerissen wird oder der Partner einen Unfall erlitten hat und vom Krankenhaus behindert heimkehrt, „sind Angehörige in einer Ausnahmesituation, in der sie professionelle Unterstützung brauchen“, berichtet Oberschwester Gertrude Pocta von der Wiener Magistratsabteilung 12 aus ihrer Erfahrung. Besonders belastend ist solch ein Schicksalsschlag für junge Menschen. Dann fällt die Zukunftsperspektive plötzlich in sich zusammen, das eigene Leben verändert sich grundlegend.

Entlassung aus dem Krankenhaus

Wenn Patienten aus dem Krankenhaus entlassen werden, ist die Überforderung der Angehörigen gleichsam vorprogrammiert – meist fehlt die organisatorische Brücke zur Pflege daheim. Es gibt nur wenige Anschlusspflegeplätze, und die Integration der Hauspflege in die Versorgung steckt noch in den Kinderschuhen. In Wien zum Beispiel gibt es nur in zwei Krankenhäusern ein spezielles Entlassungsmanagement, im Hartmannspital und im Kaiser-Franz-Josef-Krankenhaus. In Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz und der Volkshilfe wird gemeinsam mit Patienten und Angehörigen die Betreuung zu Hause geplant und auch veranlasst, was zu tun ist.

Die weitere Organisation übernimmt die frühere MA 47, die zuständig für Pflege und Betreuung ist (MA 12 und MA 47 gehören inzwischen zum Fonds "Soziales Wien").

Überrascht und überfordert

Die Erfolge werden dokumentiert und ausgewertet. „Mit dieser Einrichtung können wir den Drehtüreffekt vermeiden, der oft eintritt, weil Angehörige von der neuen Situation überrascht werden und bald überfordert sind. Dann geben sie nicht selten nach wenigen Tagen erschöpft auf und rufen den Notarzt“, meint Diplomkrankenschwester Monika Wild, Leiterin der Gesundheits- und Sozialen Dienste des Österreichischen Roten Kreuzes.

Alltag nicht mehr bewältigen

Wenn alte Menschen gebrechlich werden, können kleine Handreichungen der Nachbarn und gelegentliche Hilfe der Familie lange Zeit ausreichen. Doch wenn die Alten den Alltag nicht mehr allein bewältigen können, stehen die Angehörigen vor einer ähnlich verunsichernden Situation, vor allem wenn sie weit entfernt wohnen und wenn dieses Thema in der Familie früher nie besprochen wurde.

Selbstständigkeit verlieren

Ob durch Krankheit, Alter oder Behinderung – hilfsbedürftig zu werden bedeutet einen tiefen Einschnitt ins gewohnte Leben. Die Selbstständigkeit zu verlieren und von der Unterstützung anderer abhängig zu sein, fällt jedem schwer. Angst, der Familie zur Last zu fallen, und Furcht vor der ungewissen Zukunft machen sich breit. Wie kann es weitergehen? Was ist vom Leben noch zu erwarten? Solche Fragen quälen Hilfsbedürftige wie Angehörige. Der Versuch, sich in den anderen hineinzuversetzen und über diese Gefühle miteinander zu sprechen, erleichtert die anstehenden Entscheidungen.

Die Pflege planen

Pflegeaufgaben können durchaus eine Bereicherung sein. Man sollte sich aber bewusst machen, dass sie eine große körperliche und seelische Anstrengung mit sich bringen. Es gilt zu überlegen, ob man sie sich auch zumuten kann oder will: Viele Angehörige sind selbst körperlich schwach – wer chronische Kreuzschmerzen hat, kann einen Bettlägrigen nicht umbetten. Waren die Beziehungen schon vorher kompliziert, führt die besondere Nähe fast zwangsläufig zu Konflikten und stellt das familiäre Gefüge auf die Probe.

Verantwortungsgefühl

Auch die Scheu vor zu großer Intimität kann unüberwindlich sein. Aus purem Verantwortungsgefühl Pflegearbeit zu übernehmen – „Ich kann meine Mutter doch nicht im Stich lassen!“ – ist wenig sinnvoll. In solchen Fällen ist es besser, sich um einen guten Pflegeplatz in einer Institution zu kümmern.

Pflegeplan erarbeiten

Die Entscheidung für die Pflege daheim muss von der gesamten Familie getragen sein. Jene Person, die den Aufgaben am besten gewachsen ist und eventuell Krankenpflegeerfahrung hat, sollte die Führungsrolle übernehmen. Individuelle Probleme und spezielle Bedürfnisse des Kranken sollten rechtzeitig im Spital besprochen werden. Am besten kommen alle zusammen, sobald der Entlassungstermin feststeht oder klar wird, dass die gebrechlichen Alten auf Hilfe angewiesen sind, und erarbeiten gemeinsam den Pflegeplan. Vielleicht gibt es  kreative Lösungen zur Aufteilung von Arbeit und Verantwortung.

Finanzen regeln

Treffen Sie untereinander Vereinbarungen, die klar definiert sind, aber bei Bedarf einer neuen Situation angepasst werden können. Professionelle Pflege daheim ist nicht kostenlos, deshalb ist es ratsam, im Vorhinein auch einen Finanzplan zu erstellen. Beim kostenlosen Pflegetelefon (siehe dazu: Inhaltsverzeichnis - „Unterstützung für Helfende“) gibt es dazu Informationen.

Helfer einbinden

Der nächste Schritt führt zum zuständigen Sozialstützpunkt oder Sozialsprengel der Gemeinde, im ländlichen Bereich zur Bezirkshauptmannschaft: Diese Einrichtungen informieren über die nötigen Wege, beraten Betroffene in allen Fragen und zeigen Möglichkeiten der Unterstützung auf. In den meisten Gemeinden gibt es verschiedene Betreuungsformen. Angeboten werden sie von einem Wohlfahrtsverband wie etwa Rotes Kreuz, Volkshilfe, Diakonie, Österreichisches Hilfswerk und Caritas oder privaten Vereinen, zum Teil von den Gemeinden selbst. Meist ist die Gemeinde auch für die Koordination verantwortlich und für Subventionierung und Kosten zuständig. Das ist in allen Bundesländern unterschiedlich organisiert.

Mobile Krankenschwester

Eine mobile Krankenschwester oder Sozialarbeiterin des sozialen Stützpunktes wird einen kostenlosen Hausbesuch anbieten. Ein Gewinn bringender Service: Sie kann klären, ob die räumlichen Voraussetzungen für Heimpflege gegeben sind und welcher Bedarf besteht. Sie informiert darüber, wie man gute Hilfsdienste findet und einbinden kann. Überdies kann sie in der konkreten Pflege unterweisen und praktische Tipps geben. Man kann sich auch direkt bei den Wohlfahrtsverbänden erkundigen, wie man qualitativ gute Hilfe bekommen kann.

Oder Kontakt zu Menschen suchen, die mit Angeboten von privaten Helfern und gewerblichen Einrichtungen Erfahrung gemacht haben. Möglicherweise gibt es in der Nähe auch ehrenamtlich tätige Helfer. Es ist wichtig, Menschen zu finden, die effizient und professionell arbeiten und in deren Obhut man sich wohl fühlt.

Richtig pflegen

Für Angehörige und ehrenamtlich Pflegende bieten das Rote Kreuz und manche Volkshochschulen Schulungskurse an. Dort werden das erforderliche Wissen und die besten Techniken im Umgang mit pflegebedürftigen Menschen vermittelt, man erhält praktische und emotionale Unterstützung und kann mit Menschen in ähnlicher Situation Erfahrungen austauschen.

Medizinische Versorgung vom Arzt 

Die medizinische Versorgung sollte der Hausarzt übernehmen. „Leider ist das nicht selbstverständlich. Manche Allgemeinmediziner verweigern den Hausbesuch“, bedauert Oberschwester Pocta. Unter ärztlicher Anleitung darf eine mobile Krankenschwester und auch ein Angehöriger die verordneten Spritzen geben oder Verbände wechseln.

Bedürfnisse und Erwartungen

Im Mittelpunkt der Bemühungen stehen die Bedürfnisse und Erwartungen des Kranken. Er sollte immer das letzte Wort haben. Es gilt, sich in seine Lebenswelt hineinzuversetzen und sie zu respektieren: nicht mitleiden, sondern mitfühlen. Das Ziel der Pflege muss sein, die noch verbliebenen Fähigkeiten bestmöglich zu nützen und die Selbstständigkeit zu unterstützen. Pflegebedürftige sollten immer zur Mitarbeit angeregt werden, auch wenn es dann ein wenig länger dauert: Sich selbst kämmen, die Hände waschen, die Haut eincremen oder selbstständig essen erhält die Beweglichkeit, stärkt die Muskulatur und das Selbstwertgefühl.

Freunde einspringen lassen

Wer Hilfe leistet, sollte auch an seine eigene Entlastung denken und von Beginn an Nachbarn und Freunde einbeziehen: Sie können bei der Adaptierung der Wohnung helfen oder Besorgungen erledigen. Wichtig sind ihre regelmäßigen Besuche am Krankenbett, denn Kontakte zu anderen Menschen halten „im Leben“. Ebenso wichtig ist es, dass Nachbarn und Bekannte gelegentlich für Pflegende einspringen, um ihnen einen Theaterbesuch oder Ausflug zu ermöglichen, damit sie wieder Kraft schöpfen und entspannen können.

Im Oktober  lesen Sie zum Thema "Pflege daheim" über Finanzierung der Hauspflege (Hilfsmittelkosten, Pflegegeld), soziale Absicherung der Pflegenden (Hospizkarenz, Weiterzahlung in die Pensionsversicherung), private Hilfsdienste und deren Qualität.

Welche sozialen Dienste es gibt

Diese Dienste werden von den Gemeinden koordiniert und subventioniert:

 

Heimhilfen führen hauswirtschaftliche Tätigkeiten aus, bereiten kleine Mahlzeiten zu, helfen beim Anziehen und der Körperpflege

 

Besuchs- und Begleitdienste leisten Gesellschaft, lesen vor, begleiten auf Spaziergängen oder behördlichen Wegen.

Wäschedienst übernimmt die Wäschepflege.

Essen auf Rädern liefert die Mahlzeiten ins Haus.

Diese Einsätze werden über die Krankenkassen verrechnet:

 

Hauskrankenpflege wird von diplomierten Krankenpflegerinnen oder Pflegehelfern durchgeführt. Schwestern führen vom Arzt verordnete Tätigkeiten durch, wechseln Verbände, setzen Injektionen, versorgen Wunden, verabreichen Medikamente. Pflegehelfer sind für die Körperpflege, das Umlagern und Ähnliches zuständig. Für Nachtbereitschaftsdienste fehlt den subventionierten Anbietern meist das Personal.

 

Akutbetreuung in Notsituationen – etwa nach der Spitalsentlassung und auch nachts – wird nur von wenigen Organisationen angeboten, etwa den Johannitern.

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