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Magnetfeldtherapie - Kassen-Magnet

Sie soll angeblich Wunder wirken. Sicher ist: Rund und gesund werden die Geldbeutel der Gerätevertreiber und Ärzte, ernsthaft Kranke riskieren eine  Verschlechterung ihres  Zustandes.

20 Jahre lang hatte ich nichts bemerkt. Doch als ich beim Laufen immer öfter Schmerzen spürte, stellte sich heraus, dass ich eine angeborene Fehlstellung der Hüfte habe. Ich musste einige Male operiert werden, weil ein Teil des Knochens abgestorben war“, berichtet Reinhard Schuster1), ein sportlicher junger Mann.

Im Bezirksblatt gelesen

„Im Bezirksblatt und in einem Tennismagazin habe ich von Magnetfeldtherapie gelesen und gehofft, dass sie mir helfen kann. Ich hätte so gern wieder wie früher Tennis gespielt! Bei der Gesellschaft für Energiemedizin wurde ich darin auch bestärkt. Aber die 37.000 Schilling (rund 2700 Euro) für eine Magnetmatte hätte ich mir damals im Notstand nicht leisten können. Als ich wieder verdient habe, ließ ich einen Vertreter kommen, und der hat mir versichert, es sei nur eine Frage der Zeit, irgendwann helfe die Matte bestimmt. Ich habe sie auf Raten gekauft und mich fast täglich draufgelegt, bis zu einer Stunde lang. Misstrauisch war ich lange nicht, denn der Oberarzt der orthopädischen Klinik Speising, den ich damals aufgesucht habe, hat auch öffentlich für die Magnetmatte geworben. Aber geholfen hat sie nicht, ich habe sie in den Keller gebracht.“

Hoffnung versetzt Berge

Die unsichtbare magnetische Kraft hat immer schon die Phantasie beflügelt, weshalb Magneten bereits in der Antike zu Heilzwecken eingesetzt worden sind. Berühmt wurde Franz Anton Mesmer, ein Zeitgenosse Mozarts, der seine Patienten mit Magneten behandelte. Sie gerieten in Verzückung und wurden dadurch von allerlei Beschwerden befreit. Das Spektakel nahm solche Ausmaße an, dass der König selbst eine Überprüfung durch die Französische Akademie der Wissenschaften anordnete: Das erste Mal in der Geschichte der Medizin wurde eine Therapie auf ihre Wirksamkeit überprüft, und schon damals stellte man fest, dass es sich um „Einbildung“ handle. „Die genaue Erforschung der Wirkungen von Magnetfeldern ist schwierig:

Schon die Messung beeinflust das Ergebnis

Schon beim Messen beeinflusst man sie,“ erklärt Primar Dr. Günter Gal vom Krankenhaus Rudolfstiftung. „Man muss die physikalischen Parameter – Magnetfeld, Schwingungsfrequenz und Schwingungsart – einzeln auf ihre Wirkung überprüfen, solche Studien sind aber teuer. Die Gerätehersteller haben kein Interesse daran, sie verkaufen auch so genug.“

Späte Studienveröffentlichung

Eine Übersicht, welche Wirkungen der Magnetfeldtherapie in seriösen klinischen Studien nachgewiesen sind, wurde vom damaligen Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz bereits vor zwei Jahren in Auftrag gegeben, aber erst jetzt veröffentlicht: Sie kratzt am Positivimage. Mitautor Dr. Wilhelm Frank: „Den versprochenen Wirkungen liegen keine entsprechenden wissenschaftlichen Belege zu Grunde. Die vielen Studien, die genannt werden, sind methodisch nicht in der Lage, den heilenden Effekt nachzuweisen.“

Magnetische Effekte

Sicher ist, dass statische Magneten keinerlei Heilwirkung haben. Pulsierende Magnetfelder können – zusätzlich zu einer Standardtherapie angewendet – bei der Entzündung von Muskeln, die das Schultergelenk bewegen, und bei Arthrosen Beschwerden lindern, die Heilung von offenen Beingeschwüren beschleunigen und Beschwerden bei gelockerten Hüftprothesen vorübergehend lindern. Ob sie Knochenbrüche ohne einoperierten Metallteil – Nägel oder Schrauben – heilen helfen, ist fraglich: Diese Effekte können allein auf der Ruhigstellung beruhen.

Scheinwirkung verbessert das Wohlbefinden

Warum aber fühlen so viele Patienten Besserung und schwören auf magnetische Armbänder, Schuheinlagen, Pflaster oder Matten? Die Hoffnung, von quälenden Beschwerden befreit zu werden, versetzt Berge, und die aggressive Werbung stärkt die Kraft der Erwartung und Suggestion. Die Wissenschaft nennt es nüchtern Placeboeffekt: Scheinwirkung. Ein Placebo kann kurzfristig das Wohlbefinden verbessern, nicht aber ernste Erkrankungen heilen.

Risiko unbekannt

Leichtsinnig verschweigen manche Anbieter, dass die Methode auch gesundheitliche Risiken birgt. So weiß man bis heute nicht sicher, ob Magnetfelder nicht Tumorzellen zum Wachsen anregen und eine Krebsbehandlung stören können. Magnetfelder beeinflussen auch elektrische Geräte. Alois Hardegger1) aus dem kärntnerischen St. Jakob im Rosenthal wusste das nicht und bezahlte die Anwendung mit der Verschlechterung seiner Gesundheit. Bei einer Gasthausveranstaltung „hat der Vertreter der Schweizer Firma Provitalis magnetische Decken angeboten.

Linderung von Durchblutungsstörungen erhofft

Er schwärmte, dass die sogar von russischen Kosmonauten erprobt worden sind. Und weil meine 80-jährige Nachbarin im Massageinstitut in Wernberg regelmäßig zur Magnetbehandlung gegangen ist und dort für jede Behandlung 1200 Schilling (87 Euro) bezahlte, waren wir bereit, für die Decke 13.000 Schilling (945 Euro) auszugeben. Auch beim Hausarzt kostet eine Behandlung 650 Schilling (47 Euro).“
Hardegger erhoffte sich eine Linderung seiner Durchblutungsstörungen. „Vierzehn Tage später“, erzählt er, „war ich zur jährlichen Kontrolle meines Herzschrittmachers bestellt, und da hat sich herausgestellt, dass der nicht mehr richtig funktionierte – vermutlich wegen der Magneten. Man hat mir einen neuen Herzschrittmacher einoperieren müssen und der Arzt meinte, ich sollte die Magnetdecke nicht mehr verwenden. Trotzdem bestand der Firmenvertreter darauf, dass eine Verwendung bedenkenlos sei.“

Wer haftet für Schäden ?

Verunsichert suchte Herr Hardegger die Praxis von Dr. Johannes Suntinger im Schloss Kölnhof in St. Veit auf, um sich Klarheit zu verschaffen. Dieser Arzt ist weithin bekannt, denn in vielen Inseraten der Firma „MAS future systems“, die verschiedene Magnetfeldgeräte verkauft, war bis zum vergangenen Oktober sein Konterfei abgebildet. Inzwischen hat ihm die Disziplinarkommission der Ärztekammer diese lukrative Werbung untersagt. Dr. Suntingers Honorar für den Rat an Herrn Hardegger, die Decke nicht mehr zu benutzen: 720 Schilling (52 Euro). Empört wandte sich der Kunde nochmals an die Herstellerfirma. „Die verwies mich an den Vertrieb, die Firma A.M. Promotion in Hörbranz, die für die Werbeveranstaltungen zuständig ist. Dorthin habe ich die Decke und meine Rechnungen fürs Krankenhaus geschickt. Seitdem habe nichts mehr gehört.“
Für den Schaden des Patienten will keiner haften – nicht der Gerätehersteller, nicht der Händler.

Ein boomender Markt

Europaweit buhlen 60 Gerätehersteller um Kunden, in Österreich teilen sich elf Firmen den Markt. Unter ihnen ist die Firma MAS durch ihren außergewöhnlich aggressiven Werbefeldzug aufgefallen, der den Umsatz in einem Jahr auf das Dreifache explodieren ließ. Immerhin werden bei insgesamt 144 verschiedenen Beschwerden oder Krankheiten positive Wirkungen in Aussicht gestellt – von Asthma bis Impotenz, von Gedächtnisschwund bis Hexenschuss, von Depression bis Verstopfung. Die steirische Ärztekammer hat diese Firma wegen irreführender Werbung und Geschäftsstörung geklagt, das Verfahren läuft. Die Firmenleitung versucht einem Geschäftseinbruch vorzubeugen und hat ihre Laienvertreter angewiesen, sich zur „Zusammenarbeit“ an Ärzte zu wenden.

Verkaufsstrategien

Der Marktführer vita.life baut längst auf die vertrauensbildende Wirkung und tragende Rolle der Ärzte – und setzt damit jährlich fast eine Milliarde Schilling (72,67 Mio. Euro) um. Der Erfolg der Firma beruht auf dem raffinierten Vertriebssystem. Es ist einem Pyramidenspiel ähnlich: Je mehr Geräte ein Arzt verkauft und je mehr Verkäufer er „betreut“, desto mehr Prozent Provision streift er ein. Eine Geldmaschine für alle Beteiligten – bis auf die Patienten.
Der Präsident der österreichischen Hausärzte, Dr. Christian Euler, wendet selbst zwar keine Magnetfeldtherapie an, aber er kann „nichts Skandalöses darin sehen, wenn Ärzte am Geschäft mitprofitieren.“ Ärzten ist jedoch die „Verschreibung, Abgabe und Beschaffung“ von Medizinprodukten nach § 108 des Medizinprodukte-Gesetzes verboten, und bei Verstößen drohen Verwaltungsstrafen bis zu 200.000 Schilling (rund 14.500 Euro). Theoretisch. Denn das wurde bisher noch nie ausjudiziert.

Zulassungsrichtlinien

Magnetfeldgeräte sind Medizinprodukte und müssen nach europäischen Richtlinien zugelassen werden. Doch es wird nur ihr gefahrloses Funktionieren überprüft; ein Nachweis, dass sie genau die heilende Wirkung entfalten, die der Gerätehersteller in Aussicht stellt, ist nicht nötig. Laut Dr. Wolfgang Ecker vom Gesundheitsministerium besteht nur die Chance, „dass sich der internationale Standard für Prüfstellen auch in Europa durchsetzen wird.“ Dann – vielleicht irgendwann – müssen die Geräte zeigen, was sie wirklich können.

Aggressive Werbung

Auf die Wirkung von Magnetfeldgeräten zu vertrauen, kann nicht nur für Patienten, sondern auch für Angehörige schlimme Folgen haben. So berichtet Frau Augustine Wirtitsch aus Mallnitz, dass ihrer psychisch kranken Tochter die Magnetfeldmatte förmlich aufgedrängt wurde. „Die Vertreterin, Frau Edith Meier1), war sogar bei uns zu Hause. Sie hat meiner Tochter Mut gemacht, dass sie ‚durch ständige Entgiftung‘ von ihren Medikamenten loskommen kann. Das war Musik in den Ohren meiner Tochter. Einige Monate später stellten wir eine Veränderung in ihrem Verhalten fest, und es kam neuerlich zu einer schweren Psychose. Meine Tochter musste wieder im Krankenhaus-Zentrum untergebracht werden. Sie kann weder für sich selbst noch für ihre drei Kinder sorgen.“
Frau Meier trat damals als „Magnetfeldtherapeutin“ auf, hat eigenmächtig „behandelt“ und sogar Medikamente abgegeben.

Keine Info über die Höhe der Provision

Sie bestätigt, vom ärztlichen Leiter und der MAS-Geschäftsinhaberin entsprechend „eingeschult“ worden zu sein. Die Höhe ihrer Provision will sie nicht verraten, „die richtete sich nach der Anzahl der verkauften Matten. Aber davon konnte ich nicht leben, deshalb bin ich froh, jetzt wieder eine Anstellung als Sonderschullehrerin zu haben.“

Rezeptpflicht kommt

„Konsument“ hat bereits vor einem Jahr die Verkaufsstrategie der Magnetfeldgeräteerzeuger angeprangert, Konsumentenschützer haben eine parlamentarische Anfrage gestellt. Doch erst steigender öffentlicher Druck hat das Ministerium bewogen, das Problem anzugehen und die Anwendung von Magnetfeldgeräten der Rezeptpflicht zu unterwerfen. Vor drei Monaten hat das die steirische Ärztekammer nochmals dringend gefordert. Diese Verordnung soll nun endlich verabschiedet werden – dann wird an Laien gerichtete Werbung verboten sein. Eine zweite Verordnung zum Vertrieb der Geräte soll angeblich im Frühsommer in Kraft treten: Dann werden Werbepartys, Werbefahrten und Messeauftritte nicht mehr erlaubt sein. Der Haken an der Rezeptpflicht: dadurch wird die Magnetfeldtherapie insgesamt als Heilmethode anerkannt, wenn ihre Anwendung nicht wesentlich eingegrenzt wird.

Zukünftige Vorgehensweise

Die weitere Entwicklung ist abzusehen. Das Geschäft wird sich vom freien Markt zu den Arztpraxen verlagern: Werden nicht Ärzte, die ein Gerät in der Praxis stehen haben, weiter zur Behandlung raten? Manche mögen selbst an die Heilsversprechen glauben, andere bewusst zur Beruhigung ein Placebo einsetzen, wieder andere ratlos sein, weil es bis heute keine offizielle Stellungnahme der Ärztekammern oder des Obersten Sanitätsrates dazu gibt, wann eine Heilwirkung zu erwarten ist. Sicherlich sind alle daran interessiert, dass ihr Gerät sich amortisiert. Deshalb ist anzunehmen, dass auch künftig leidende Patienten für allerlei „Behandlungen“ zur Kasse gebeten werden. Wer wird einem ärztlichen
Rezept schon misstrauen?

1) Name von der Redaktion geändert

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  • Angaben zu den versprochenen Wirkungen (im Idealfall schriftlich; Inserate, Prospekte, andere Unterlagen, die dem Kauf zu Grunde lagen).

Zunächst werden wir mit den Firmen direkt Kontakt aufnehmen; wenn das nicht den gewünschten Erfolgt bringt, werden wir rechtliche Schritte prüfen.

Wenden Sie sich unter dem Kennwort  „Magnetfeldtherapie“ an folgende Adresse:
Testmagazin „Konsument“, Linke Wienzeile 18, 1061 Wien
E-Mails: leserbriefe@konsument.at

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