Während der Pandemie konzentrierte sich in den Spitälern alles auf COVI-19. Patienten mit anderen Erkrankungen wurden zum Teil vernachlässigt. Patientenanwälte fordern Maßnahmen, um die Grundversorgung auch in der Krise sicherzustellen.
Der Fall
Es ist Sonntag, der 15. März 2020. Ein Tag vor dem COVID-19-Lockdown in Österreich. Herr P. bricht in seiner Wohnung zusammen. Nach einigen Minuten ist die Rettung da, wenig später auch der Notarzt. Die Einsatzkräfte kümmern sich umsichtig und kompetent um den Patienten und bringen ihn ins nächstgelegene Krankenhaus. Gegen 20 Uhr ruft Herr P. seine Tochter an, sie möge ihn aus dem Spital abholen. Als sie eine Stunde später eintrifft, findet sie ihren Vater spärlich bekleidet, allein, in einem Rollstuhl sitzend im Eingangsbereich der Abteilung vor. In der Hand hält er seinen Entlassungsbrief. Kein Arzt oder Pfleger kann Auskunft über den Zustand von Herrn P. geben.
Auf der Heimfahrt im Auto beginnt Herr P. zu krampfen und ist kurzzeitig nicht ansprechbar. Zum zweiten Mal kommt die Rettung und bringt ihn wieder ins Krankenhaus. In der Nacht benachrichtigt ein Arzt die Tochter, dass Herr P. in einem sehr schlechten Zustand sei. Er müsse nun allerdings isoliert werden, da am Nachmittag ein Corona-Fall ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Herr P. könne sich sonst anstecken. Erst einen Tag später wird der ganze Ernst der Lage erkannt: Der Patient wird in einem lebensbedrohlichen Zustand mit dem Hubschrauber in die Universitätsklinik geflogen und notoperiert.
Die Intervention
Die Tochter wendet sich an die Patientenanwaltschaft. Sie beklagt, dass ihr Vater medizinisch und menschlich vernachlässigt worden sei. Er wurde als Notfallpatient nicht ausreichend untersucht, bekam nichts zu trinken und wurde in einem nicht hinreichend temperierten Raum ohne Ansprechpersonen abgestellt. Auch erforderliche Maßnahmen, um eine mögliche Ansteckung mit dem Coronavirus zu verhindern, wurden nicht getroffen. Die Patientenanwaltschaft leitet die Überprüfung des Falles ein. Das Ergebnis ist noch offen.
Fazit
Die Corona-Pandemie hat die Gesundheitseinrichtungen überrascht und auf eine harte Probe gestellt. Während für eine gewisse Zeit die gesamte Aufmerksamkeit auf mögliche COVID-Fälle gerichtet war, wurde anderen Fällen zu wenig Beachtung geschenkt. Die Patientenanwaltschaften fordern, dass auch während der Pandemie alle Maßnahmen ergriffen werden, um die Grundversorgung sicherzustellen.
Es müsse ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der COVID-Bekämpfung und der Aufrechterhaltung einer bestmöglichen medizinischen Betreuung aller behandlungsbedürftigen Patienten gefunden werden. Die allfälligen Kollateralschäden müssten in den Planungen mitberücksichtigt werden.