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Arzt-Patienten-Gespräch - Auf den Punkt kommen

, aktualisiert am

Ärzte hört zu! Patienten kommt auf den Punkt! - Im Gespräch zwischen Patient und Arzt gehen viele Informationen verloren. Lesen Sie, was Sie zu guter Kommunikation beitragen können.

  

Die Zeiten sind vorbei, in denen Ärzte unverständliche lateinische Vokabeln vor sich hin murmelten und kategorisch bestimmten, was ein Patient zu tun und wie er sich zu verhalten hat. Erzählen ältere Menschen von ihrem letzten Arztbesuch, schwingt oft ein gewisses Erstaunen mit, wenn sie sagen: „Der Doktor war nett, er hat sogar mit mir gesprochen.“ Heute lernen Studenten an den meisten Medizinuniversitäten Gesprächsführung – die Kunst der Kommunikation.

Schon nach 18 Sekunden unterbricht der Arzt

Trotzdem: Nach rund 18 Sekunden unterbricht der Durchschnittsarzt den Durchschnittspatienten in seinem Redefluss. Nicht einmal jeder Vierte kann im Behandlungszimmer den Satz zu Ende führen, mit dem er seine Beschwerden schildern will. In mehr als zwei Drittel der Fälle lenkt der Arzt das Gespräch schon bald in eine ganz andere Richtung. Und insgesamt redet der Arzt ­etwa doppelt so lang wie der Patient.

Patienten könnten Beschwerden in 90 Sekunden ­schildern

Von Ärzten oft vorgebrachte Argumentation für dieses eigentlich ungehörige Verhalten: Der Patient findet sonst kein Ende und ­erzählt die ganze Familiengeschichte, bei Adam und Eva beginnend. Stimmt nicht, sagt die Forschung. Lässt man sie ausreden, ­gelingt es den ­meisten Menschen, innerhalb von eineinhalb Minuten ihr komplettes ­Beschwerdebild zu schildern. Hört der Arzt dann auch zu, so hilft ihm das bei der ­Diagnosefindung. Etliche Studien haben ­ergeben, dass etwa die Hälfte aller Diagnosen allein schon aufgrund der im Rahmen einer ausführlichen Befragung des Patienten ­gewonnenen Informationen gestellt werden kann.

Wenig Zeit fürs Gespräch: es liegt auch am Geld 

Den meisten Ärzten – egal ob im Krankenhaus oder in der Ordination – steht jedoch nur wenig Zeit zur Verfügung, um sich jedem einzelnen Patienten zu widmen. In Krankenhausambulanzen ist der Ansturm der Hilfe­suchenden mittlerweile so groß, dass die Wartezeiten fünf Stunden betragen können. Da bleibt für ausführliche Gespräche nicht viel Muße. Niedergelassenen Ärzten wird die sprechende Medizin im Vergleich zur sogenannten Apparatemedizin (das sind etwa Untersuchungen mit bild­gebenden Verfahren oder auch Laboruntersuchungen) äußerst gering honoriert.

Patienten reden mit Ärzten anders

Oberösterreich: 22,35 Euro – pro ­Patient und Quartal

So ­betrug beispielsweise in Oberösterreich im Jahr 2012 die sogenannte Grundleistungsvergütung für Allgemeinmediziner durch die Gebietskrankenkasse 22,35 Euro – pro ­Patient und Quartal. Sie inkludiert zwei Arztkonsultationen mit Untersuchung, sämtliche Rezeptverschreibungen, Überweisungen, Injektionen, Blutdruckmessungen, Bestätigungen für Hauskrankenpflege und so weiter. Für ein Beratungsgespräch, das länger als zehn Minuten dauert, darf der Arzt 14,05 Euro verrechnen.

Für Heikles einen Extra-Termin vereinbaren

Der Grazer Allgemeinmediziner Dr. Michael Wendler empfiehlt jedenfalls, für schwierige oder umfassende Fragen einen Extra-Termin zu vereinbaren. „Ich bin als Arzt viel gelassener, wenn ich schon vorher weiß, das kann ein aufwendigeres Gespräch werden“, sagt Wendler. Eingeschobene Akut-Termine mit der Bemerkung "Jetzt, wo ich schon da bin, hätte ich noch eine andere Frage" für knifflige Fragestellungen auszunutzen, ist keine gute Idee. Denn der Arzt fühlt sich ­unter Druck gesetzt und wird das Problem nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit gründlich abhandeln. "Meist steigt dann das schlechte Gewissen des Arztes gegenüber den anderen wartenden Patienten konti­nuierlich“, so Wendler.

Mit Ärzten reden Patienten anders

Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Als Patient gilt es, möglichst klar auf den Punkt zu kommen, was zweifellos nicht immer ­einfach ist. Der Wiener Sprachwissenschaftler Florian Menz hat mithilfe von Video- und Tonaufnahmen herausgefunden, wie Arzt-Patient-Gespräche in der Praxis ablaufen. So sprechen Patienten mit Ärzten ganz anders über ihre Beschwerden als mit Nichtmedizinern. In spontanen Unterhaltungen abseits des Patienten-Arzt-Gesprächs stellen sie ­beispielsweise ihre Schmerzen wesentlich subjektiver dar.

Ärzte erfahren vieles nicht

"Sie kommunizieren vermehrt alltagsbezogene Faktoren wie den Einfluss der Erkrankung auf den sozialen Kontakt oder die psychische Belastung durch Schmerzen“, sagt Menz. Dabei schildern sie auch, was sie selbst zur Schmerzlinderung tun. "All diese Eindrücke erfährt der Arzt üblicherweise nicht“, sagt der Sprachwissenschaftler. "Dabei wären genau diese Aussagen möglicherweise wichtige Informationen für die Behandlung bzw. für die Kooperation des Patienten mit dem Arzt.“

Ärzte überhören oft, was Patienten sagen wollen

Zudem überhören Ärzte oft, was Patienten ­ihnen sagen wollen, ohne es direkt auszu­drücken. Eine Änderung der Lautstärke oder ein Räuspern des Patienten deutet an, dass ihm etwas besonders wichtig ist – doch darauf wird nicht eingegangen. Im schlimmsten Fall kann das Aneinander-vorbei-Kommunizieren sogar dazu führen, dass Fehldiagnosen gestellt oder wesentliche Punkte übersehen und dadurch falsche oder unzureichende Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden.

Sagen Sie das Wichtigste zuerst

Eine weitere Problematik sieht der Grazer Allgemeinmediziner Wendler in folgendem Fall: Ein Patient kommt mit mehreren Prob­lemen gleichzeitig zum Arzt: "Übliche Gewohnheit der Patienten ist es, zuerst mit den kleinen Wehwehchen anzufangen, dann mit weiteren gängigen Beschwerden weiterzumachen und am Schluss das echt große ­Problem zu präsentieren. Dann ist oft das eingeplante Zeitkapital aufgebraucht und der Hauptbrocken wird unter Druck abgehandelt.“

Stimmung des Arztes erkunden

Freilich hat dieses Verhalten oft emotionale Gründe. Meist wird unbewusst mit den kleinen Beschwerden die Situation, die Stimmung und die Kommunikations­bereitschaft des Arztes erkundet, bevor das, was einen wirklich bedrückt, zur Sprache ­gebracht wird. Auch aus Scham werden ­bestimmte Probleme erst am Ende angeschnitten.

Alle Themen auf den Tisch

"Aber viel einfacher ist eine Konsultation im allgemeinmedizinischen Alltag zu strukturieren, wenn es dem Patienten ­gelingt, die Themen, die er zu besprechen wünscht, gleich zu Beginn auf den Tisch zu legen“, sagt Wendler. Etwa: „Heute habe ich drei Probleme, mit denen ich zu Ihnen komme, Herr Doktor: Mein Heuschnupfen ist heuer so arg, seit drei Monaten kann ich nicht schlafen, und mein Großzehennagel ist angelaufen.“

Frauen stufen Schmerzen herab und neigen zur Verharm­losung

Und noch ganz andere Dinge beeinflussen die Kommunikation. Für das Gespräch, aber auch für die Behandlung spielt es keine ­unbedeutende Rolle, ob es sich um einen Patienten oder eine Patientin handelt.

Frauen stufen Schmerzen herab und neigen zur Verharm­losung

Sprachspezialist Florian Menz konnte in einer Untersuchung nachweisen, dass die Art, wie über Schmerzen in der Brust gesprochen wird, sehr stark vom Geschlecht des Patienten abhängt, was in der Folge auch die ­Diagnose beeinflusst. Frauen stufen ihre Schmerzen herab und neigen zur Verharm­losung, während Männer bei ein und demselben Krankheitsbild (beispielsweise bei koronarer Herzkrankheit) eher dramatisieren. Außerdem schildern Frauen ihre Schmerzen eher diffus und beschreiben, in welcher Lebenssituation sie auftreten – etwa: "Es fängt an, wenn ich mein Enkelkind hoch­hebe.“

Männer berichten exakter über Dauer und Schmerzstärke

Männer dagegen berichten viel stärker symptomorientiert. Ein Stechen oder Pochen beschreiben sie mit exakter Dauer und Schmerzstärke – zuweilen klingt es, als ­würden sie das Nichtfunktionieren einer ­Maschine schildern. „Dies ist schon deshalb relevant, weil die Art und Weise, wie Männer ihre Schmerzen darstellen, viel stärker den Erwartungen der Ärzte entspricht und sie damit tendenziell eine angemessenere medizinische Behandlung erhalten“, sagt Menz.

Arzt hört nicht zu? Sprechen Sie es an

Ob Mann oder Frau, alt oder jung – nur wenige Patienten sitzen entspannt im Ordinationsraum, und das Gespräch mit dem Arzt ist alles andere als eine zwanglose Plauderei. Sich vorzubereiten und zu Hause schon zu überlegen, was man besprechen will, ist deshalb hilfreich. Und wenn man das Gefühl hat, der Arzt hört überhaupt nicht zu? „Dann sollte man das auf jeden Fall thematisieren“, rät ­Patientenanwalt Gerald Bachinger.

Lesen Sie auch Aufklärung beim Zahnarzt (Kommentar) 4/2008

Liste: das Arzt-Gespräch vorbereiten

Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Deshalb sollte man sich nicht darauf verlassen, dass der Doktor schon alles fragen wird, was er wissen muss. Um nicht zu vergessen, was man eigentlich erörtern will, und weil die Zeit der Ärzte begrenzt ist, empfehlen Patientenanwälte eine gute Vorbereitung auf das Gespräch:

  • Stichwortliste: Machen Sie sich zu Hause eine Stichwortliste und nehmen Sie sie zum Arzt bzw. ins Krankenhaus mit.
  • Unterlagen mitnehmen: Wenn Sie im Internet oder in Zeitungen Informationen gefunden haben, die Sie für wichtig erachten, streichen Sie die Stellen an, die bedeutsam sind. Nehmen Sie die Unterlagen mit, aber überlassen Sie die Diagnose dem Arzt.
  • Befunde: Nehmen Sie sämtliche Befunde und Krankenhausentlassungsbriefe der letzten Zeit mit sowie eine Liste jener Medikamente, die Sie derzeit einnehmen (dazu gehören auch frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel).
  • Wie lange? Fragen Sie gleich zu Beginn, wie lange der Arzt Zeit für Sie hat.
  • Begleitung: Lassen Sie sich von einer Ihnen nahestehenden Person begleiten. Vier Ohren hören mehr als zwei.
  • Keine Umschweife: Kommen Sie gleich auf den Punkt, sprechen Sie Ihre Beschwerden ohne Umschweife an.
  • Erwartung: Sagen Sie Ihrem Arzt, was Sie von einer Behandlung erwarten.
  • Befürchtungen: Sprechen Sie Ihre Ängste und Befürchtungen klar an.
  • Nutzen und Nebenwirkungen: Fragen Sie nach dem Nutzen der vorgeschlagenen Behandlung, nach möglichen Nebenwirkungen und Alternativen sowie danach, welche Auswirkungen die Therapie auf Ihr Alltagsleben haben kann.
  • Mein Beitrag? Fragen Sie, was Sie selbst zur Lösung Ihres Gesundheitsproblems beitragen können.
  • Schreiben: Machen Sie sich Notizen.

Buchtipp: "Umgang mit Ärzten"

Der mündige Patient: selbstständig und kompetent soll er sein. Doch auf welche Informa­tionen kann der medizinische Laie vertrauen? Wie findet er überhaupt den richtigen Arzt? Unser Buch gibt Hilfestellung und zeigt, welche Möglichkeiten bestehen, die (Mit-)Verantwortung als Patient konstruktiv wahrzunehmen.

www.konsument.at/aerzte

Aus dem Inhalt

  • Seriöse Information erkennen
  • Den richtigen Arzt finden
  • Was hilft bei der Therapieauswahl?
  • Arztgespräch und Spitalsaufenthalt
  • Der Nutzen von Selbsthilfegruppen
  • Hilfe bei Behandlungsfehlern

132 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Umgang mit Ärzten (Bild:VKI)  

Leserreaktionen

Zuhören wird nicht bezahlt

Der Klassiker ist für uns Urologen die erektile Dysfunktion. Der Patient ist fertig, steht schon an der Tür mit der Schnalle in der Hand und dann kommt der Satz: „Da wäre noch etwas ...“. Und der Urologe weiß, was jetzt kommt: Erektionsprobleme, deren ausführliche Abhandlung, Beratung und Therapie keine Krankenkasse bezahlt, die aber sehr viel Zeit kosten. Und das Wartezimmer ist voll.

Nicht nur der Patient hat Probleme, auch der Arzt. Er lebt auch davon, dass seine Arbeit bezahlt wird, nicht nur handwerkliche und geistige, sondern auch Zuhören. Das wird viel zu oft vergessen, am liebsten von den Kassen, dafür wird nämlich nahezu nichts bezahlt.

Dr. Thomas Loebenstein
FA für Urologie und Andrologie
E-Mail
(aus KONSUMENT 8/2013)

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