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Antibiotika - Zu schnell verordnet

Überflüssige Therapien, Medikamente und Untersuchungen können für Patienten schädliche Folgen haben. Das Projekt "Gemeinsam gut entscheiden" soll für eine bessere medizinische Versorgung in Österreich sorgen.

"Hilft‘s nix, so schadet‘s nix." Dieser Spruch aus dem Volksmund wird in medizinischen Angelegenheiten häufig strapaziert. Leider ist er so falsch wie gefährlich. Überflüssige Medikamente, Therapien und Untersuchungen, die Patientinnen und Patienten von Ärzten zugemutet werden, sind bestenfalls unwirksam. Nicht selten sind sie jedoch belastend und für die Betroffenen mit Risiken verbunden, etwa, weil es zu unerwünschten Wirkungen kommen kann. Medizinische Fachgesellschaften weisen seit Langem auf diese Problematik hin.

Unnötige Behandlungen

Im Jahr 2012 initiierte die US-amerikanische ABIM Foundation (Stiftung des American Board of Internal Medicine, des Verbandes für Innere Medizin) das Projekt "Choosing Wisely". Behandlungen und ­medizinische Tests, die immer wieder un­nötigerweise verordnet werden, sollten identifiziert und Maßnahmen entwickelt werden, wie sich diese Fehler künftig vermeiden lassen. In den USA wurden bislang rund 400 entsprechende Empfehlungen veröffentlicht.

Projekt "Gemeinsam gut entscheiden"

Inzwischen ist die Idee auch in euro­päischen Ländern, darunter Österreich, ­angekommen. 2015 startete das Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) an der ­Medizinischen Universität Graz in Koope­ration mit dem Department für Evidenz­basierte Medizin und Klinische Epidemio­logie der Donau-Universität Krems das Projekt "Gemeinsam gut entscheiden".

Ziel ist, die für Österreich relevanten Empfehlungen zu erarbeiten. In erster Linie sollen unnötige Behandlungen und Tests reduziert und ­somit die Gesundheit der Patientinnen und Patienten geschützt ­werden. Darüber ­hinaus geht es darum, unnötige Kosten für die Krankenkassen zu ver­meiden. Wir werden das Projekt "Gemeinsam gut entscheiden" in den kommenden Ausgaben von KONSUMENT begleiten und die ­wichtigsten Empfeh­lungen vor­stellen. Den ­Anfang macht das Thema Antibiotika.

Antibiotika gegen Viren machtlos

Obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, dass Antibiotika gegen "Erkältungen" – also an sich unkomplizierte Infekte der oberen Luftwege – nutzlos sind, werden sie von Ärzten immer wieder als vermeintliche Allzweckwaffe verschrieben. Sogenannte Verkühlungen werden in der Regel von Viren verursacht. Gegen Viren sind Anti­biotika machtlos. Antibiotika helfen nur, wenn sich Bakterien in den Atem­wegen ausbreiten. Dies kann etwa dann vorkommen, wenn Schleim aus den Bronchien nicht abgehustet werden kann und im Krankheitsverlauf zum Nährboden für ­Bakterien wird.

Häufige Verschreibung fördert Resistenzen

Sonst ist die Einnahme von Antibiotika sinnlos und kann sogar schädliche Folgen haben. Bei etwa einer von zehn Personen, die Antibiotika einnehmen, kommt es zu unerwünschten Wirkungen wie Übelkeit, Durchfällen oder Hautausschlägen. Eine häufige Verschreibung von Antibiotika begünstigt, dass Bakterien sich so verändern, dass sie den Wirkstoffen gegenüber unempfindlich werden. Kommt es zu einer Infektion mit derartigen Erregern, sind ­Antibiotika wirkungslos.


Die Informationen in unserem Artikel dienen ausschließlich als Grundlage für das Gespräch mit ihrem Arzt, sie können keinesfalls eine Konsultation ersetzen.

Weitere Informationen finden Sie auf "Gemeinsam gut entscheiden" - Gesundheitsprojekt.

Erkältungen

Bei einer Erkältung mit Schnupfen, Halsschmerzen und Husten sind Anti­­biotika meist nicht notwendig.

Erkältungen mit Beschwerden wie Schnupfen, Halsschmerzen, Husten, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sind überwiegend durch Viren verursacht. Nur gelegentlich kommt es nach dem eigentlichen viralen Infekt dazu, dass sich Bakterien in den Atemwegen ausbreiten.

Antibiotika sind bei von Viren verursachten Infekten wirkungslos, da sie nur Bakterien bekämpfen können. Bei einer "Erkältung" sind Antibiotika deshalb meist nicht notwendig. Das zeigen auch wissenschaftliche Studien.

Unerwünschte Wirkungen

Die Einnahme von Antibiotika führt bei einer von zehn Personen zu unerwünschten Wirkungen wie Übelkeit, Durchfällen, Hautausschlägen und bei Frauen zu Scheidenentzündungen.

Eine zu häufige Verschreibung von Anti­biotika kann auch dazu führen, dass Bakterien sich so verändern, dass sie den Anti­biotika gegenüber un­empfindlich (resistent) werden. Sollten sie dann später einmal wirklich gebraucht werden, wirken sie nicht mehr.

Eine ärztlich verordnete Antibiotikatherapie ist dann erwägenswert, wenn es bei einer Erkältung zu einem Zweitinfekt mit Bakterien kommt. Hinweise darauf sind:

  • keine Besserung innerhalb von 10 Tagen
  • die Symptome verschlimmern sich nach einer Besserung erneut
  • starke, anhaltende Halsschmerzen und eitrige Gaumenmandeln
  • anhaltende Kopfschmerzen, ein Druck­gefühl über der Stirn und um die Augen sowie eine hartnäckig verstopfte Nase
  • Fieber, Brustschmerzen und Probleme beim Luftholen
  • hohes Fieber (39 Grad Celsius und darüber)
  • Anfälle mit bellendem Husten

Kinder: Erkältung und Mittelohrentzündung

Haben Kinder Schnupfen, Husten oder Halsschmerzen, ist eine Behandlung mit Antibiotika meist nicht notwendig.

Schnupfen, Husten und Halsschmerzen sind bei Kindern meist Folge einer Infek­tion mit Viren. Antibiotika können nur bakterielle Erkrankungen bekämpfen. Sie sind bei von Viren verursachten Infekten wirkungslos. Eine Verschreibung von Anti­biotika ist deshalb meist nicht notwendig. Das wurde auch durch wissenschaftliche Studien belegt.

Die Einnahme von Antibiotika kann zudem zu Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfällen und Hautausschlägen führen. Eine zu häufige Verschreibung von Antibiotika kann auch dazu führen, dass Bakterien sich so verändern, dass sie den Antibiotika gegenüber unempfindlich (resistent) werden. Sollten sie dann später einmal wirklich gebraucht werden, wirken sie nicht mehr.

Eine ärztlich verordnete Antibiotika­therapie ist nur dann erwägenswert, wenn es bei zu einem Zweitinfekt mit Bakterien kommt. Hinweise darauf sind:

  • keine Besserung innerhalb von 10 Tagen
  • die Symptome verschlimmern sich nach einer Besserung erneut
  • starke, anhaltende Halsschmerzen und eitrige Gaumenmandeln
  • Fieber, Brustschmerzen und Probleme beim Luftholen
  • anhaltende Kopfschmerzen, ein Druck­gefühl über der Stirn und um die Augen sowie eine hartnäckig verstopfte Nase
  • hohes Fieber (39 Grad Celsius und darüber)
  • Anfälle mit bellendem Husten

Bei Kindern mit einer Mittelohrentzündung ist eine sofortige Antibiotikatherapie nur selten notwendig.

Entzündungen des Mittelohrs sind bei Kleinkindern häufig. Sie können durch Infekte mit Viren oder Bakterien verursacht werden. Häufig heilen sie nach zwei bis drei Tagen von selbst und meist folgenlos ab. Anti­biotika sind Wirkstoffe, die Bakterien bekämpfen. Bei Infekten mit Viren sind Antibiotika wirkungslos.

Antibiotika sollten daher eingesetzt werden, wenn eine bakterielle Infektion wahrscheinlich ist. Das ist vor allem bei Kindern unter zwei Jahren mit einer Entzündung beider Ohren oder mit eitrigem Ausfluss aus dem Ohr der Fall. Wissenschaftliche Unter­suchungen zeigten, dass dann bei 25 bis 36 von 100 Kindern, die mit Antibiotika ­behandelt werden, Schmerzen und Fieber ­rascher zurückgehen. Die Einnahme von ­Antibiotika kann aber auch zu unerwünschten Wirkungen wie Übelkeit, Durchfällen und Hautausschlägen führen. Eine zu häu­fige Verschreibung von Antibiotika kann auch dazu führen, dass Bakterien sich so ver­ändern, dass sie den Antibiotika gegenüber unempfindlich (resistent) werden. ­Sollten sie dann später einmal wirklich gebraucht werden, wirken sie nicht mehr.

Bei Kindern mit einseitiger Mittelohrent­zündung ohne eitrigen Ausfluss ist es oft am besten, zwei bis drei Tage zuzuwarten, ob sich die Beschwerden von selbst bessern, und dann zu entscheiden, ob eine Verschreibung von Antibiotika notwendig ist. Ärzt­liche Kontrollen und eine ausreichende Schmerztherapie sind jedenfalls sinnvoll.

Vorsicht ist geboten bei Neugeborenen und Säuglingen bis zum Alter von sechs Monaten, bei jeder Verschlimmerung der Symp­tome und bei hohem Fieber.

Nasennebenhöhlenentzündung, Bakterien im Harn

Befinden sich Bakterien im Harn und treten keine Beschwerden auf (symp­tom­lose Bakteriurie) ist eine Behandlung mit Antibiotika nicht notwendig.

Eine Entzündung der Harnblasenschleimhaut wird normalerweise durch einen Infekt mit Bakterien verursacht. Blasen­entzündungen treten häufig auf und betreffen vor allem Frauen. Typische Beschwerden sind starker und häufiger Harndrang, stechende oder brennende Schmerzen beim Harnlassen und Schwierigkeiten, den Harn zu halten.

Keine Beschwerden, keine Antibiotika

Es kommt aber auch häufig vor, dass bei einem Harntest Bak­terien im Harn nach­gewiesen werden und dennoch keine Beschwerden auftreten. In diesem Fall spricht man von einer symptomlosen Bakteriurie. Dann ist keine Behandlung mit Antibiotika notwendig. In wissenschaftlichen Unter­suchungen wurde nämlich festgestellt, dass eine Behandlung mit Antibiotika die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Komplikationen oder Krankeitssymptomen nicht vermindern konnte.

Nebenwirkungen möglich

Allerdings traten bei rund 15 von 100 Per­sonen, die Antibiotika einnahmen, Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfälle oder Hautausschläge und bei Frauen auch Scheidenentzündungen auf. Bei Personen ohne Antibiotikabehandlung war dies bei 4 von 100 der Fall. Eine zu häufige Verschreibung von Antibiotika kann auch dazu führen, dass Bak­terien sich so verändern, dass sie den Antibio­tika gegenüber unempfindlich (resis­tent) werden. Sollten sie dann später einmal gebraucht werden, wirken sie nicht mehr.

Bei einer unkomplizierten akuten Entzündung der Nasennebenhöhlen sollen Antibiotika nicht routine­mäßig verordnet werden.

Akute Entzündungen der Nasenneben­höhlen werden überwiegend durch Viren und nur selten durch Bakterien verursacht. Antibiotika sind bei Infekten mit Viren wirkungslos. Deshalb helfen sie auch nur bei wenigen Personen mit akuter Nasen­nebenhöhlenentzündung. Außerdem klingen Nasennebenhöhlenentzündungen häufig von selbst rasch ab.

In wissenschaftlichen Untersuchungen zeigte sich, dass Antibiotika zu einer etwas rascheren Heilung führten. Ohne Antibiotika besserten sich die Beschwerden bei 55 von 100 Personen nach ein bis zwei Wochen, mit Antibiotika bei 60 von 100 Personen.

Bei ­jeder achten Person, die mit Antibiotika ­behandelt wurde, kam es allerdings zu un­erwünschten Wirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfällen und Hautausschlägen, bei Frauen traten auch Scheidenentzündungen auf. Eine zu häufige Verschreibung von Antibiotika kann dazu führen, dass Bakte­rien sich so verändern, dass sie den Antibiotika gegenüber unempfindlich (resistent) werden. Sollten sie dann später einmal wirklich benötigt werden, wirken sie nicht mehr.

Bei leichten Krankheitsverläufen kann ab­gewartet werden, ob die Beschwerden sich von selbst bessern. Bei schweren Krankheitsverläufen hingegen ist eine rasche Behandlung mit Antibiotika notwendig. Zeichen für einen solchen schweren Verlauf sind hohes Fieber, Schwellung um die Augen, Haut­rötung, starker Gesichtsschmerz, Lichtempfindlichkeit und Nackensteife.

Interview: Dr. Anna Glechner und Dr. Karl Horvath

Interview mit Dr. Anna Glechner vom Department für Evidenz­basierte Medizin und Klinische Epidemiologie der Donau-Universität Krems und Dr. Karl Horvath vom Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) an der Medizinischen Universität Graz.

Dr. Anna Glechner - Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie der Donau-Universität Krems (Bild: Andrea Reischer)                Dr. Karl Horvath - Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV) an der Medizinischen Universität Graz (Bild: Bernhard Bergmann)
Dr. Anna Glechner   Dr. Karl Horvath

Beide sind die für die Koordination und wissenschaftliche Leitung des Projektes "Gemeinsam gut entscheiden" zuständig.

Was ist das Ziel von "Gemeinsam gut ­entscheiden"?
Die Initiative soll eine Überversorgung bei medizinischen Tests und Therapien vermeiden und trägt daher zu mehr Qualität in der medi­zinischen Versorgung bei.

Wie gehen Sie vor, um das zu erreichen?
Wir haben gemeinsam mit der deutschen Technikerkasse mehr als 400 bereits vorhandene Empfehlungen aus den USA geprüft. Zirka ein Drittel davon stufen wir als sicher und verlässlich ein.

Aus dieser Liste von verlässlichen Empfehlungen wählt als erste Fachgesellschaft die Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie fünf wichtige Empfehlungen für ältere Patientinnen und Patienten in Österreich aus.

Was sind die entscheidenden Kriterien für diese Auswahl?
Entscheidende Kriterien sind etwa das ­Ausmaß des möglichen Schadensaspektes, die Bedeutung für das österreichische Gesundheitssystem oder die Umsetz­barkeit. Aus meiner Sicht wird es eine ­wesentliche Aufgabe von "Gemeinsam gut entscheiden" sein, innerhalb der Medizin­berufe, aber auch in der Öffentlichkeit ein entsprechendes Bewusstsein dafür zu wecken, dass mehr nicht immer besser ist.

Warum sind unnötige Untersuchungen und Therapien trotz guter medizinischer ­Ausbildung und vorhandener wissenschaft­licher Grundlage immer noch so ein großes Problem?
Eine schwierige Frage. Wir haben nieder­gelassene Ärztinnen und Ärzte dazu befragt.­ Häufig wurden als Gründe die Angst vor rechtlichen ­Konsequenzen genannt und der Umstand, dass es dafür keine Empfehlung der österreichischen Fachgesellschaften gibt.

Buchtipp: "100 Medikamente"

Dass ein Arzneimittel amtlich zugelassen ist, bedeutet noch nicht, dass es grundsätzlich sinnvoll ist. Über Risiken und Nebenwirkungen informiert Sie nicht nur ihr Arzt oder Apotheker: In diesem neuen KONSUMENT-Buch erfahren Sie die wichtigsten Informationen über 100 Bestseller aus der Apotheke.

Ein unabhängiges Expertenteam bewertet die in Österreich gängigsten Präparate. Außerdem: Die wichtigsten Hinweise zu Wechsel- und Nebenwirkungen und Vorsichtsmaßnahmen sowie spezielle Tipps und Warnungen für die Anwendung bei Schwangeren, Kindern und älteren Menschen

www.konsument.at/100medikamente

Aus dem Inhalt

  • Wie verträglich ist das Mittel?
  • Lindert es die Symptome, ist es nachhaltig von Nutzen?
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216 Seiten, 19,90 € + Versand

 

100 Medikamente Buch, (Quelle: VKI)

 

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