Kann Händewaschen mit antibakterieller Seife im Haushalt das Erkrankungsrisiko verringern?
Wir sagen: Antibakterielle Seifen schützen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht besser vor Infektionen als herkömmliche Produkte. Die desinfizierenden Inhaltstoffe erhöhen jedoch möglicherweise das Risiko für Antibiotikaresistenzen, zudem schädigen sie die Umwelt.
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Kaum kündigt sich die Grippesaison an, werden wir verstärkt mit Werbung für "antibakteriell" wirksame Seifen und Waschlotionen konfrontiert. Die in Apotheken, Supermärkten und Drogerien erhältlichen Hygieneartikel enthalten meist die Wirkstoffe Triclosan oder Triclocarban. Diese Desinfektionsmittel können viele Krankheitserreger abtöten oder zumindest deren Vermehrung verhindern.
Seifen, Deos, Duschgels oder Zahnpasta
Mittlerweile werden sie auch Deodorants, Duschgels, Zahnpasten oder Mundspülungen beigemischt. Den Konsumenten wird suggeriert, dass antibakterielle Produkte das Risiko vermindern, sich etwa einen grippalen Infekt einzufangen. Fundierte wissenschaftliche Beweise für diese Behauptung sucht man allerdings vergebens.
Zwei große Arbeiten – eine davon im Armenviertel einer pakistanischen Stadt, die andere in einem Stadtteil New Yorks – zeigten, dass sich das Ansteckungsrisiko für verschiedenste Infektionskrankheiten nicht vermindert, wenn man im Haushalt anstatt herkömmlicher Seifen antibakterielle verwendet.
Zu viel Triclosan könnte gesundheitsschädlich sein
Einzig triclosanhaltige Zahnpasta kann eine Spur besser vor Karies und Zahnfleischentzündungen schützen als herkömmliche Zahnpasten. Der Haken dabei: Triclosan hat nicht nur antibakterielle Eigenschaften, es ist auch dem weiblichen Geschlechtshormon Östrogen nicht unähnlich. Nimmt man zu große Triclosan-Mengen auf, könnte dies möglicherweise gesundheitsschädlich sein.
Wissenschaftler sehen diesbezüglich insbesondere bei Mundspülungen und Körperlotionen ein Problem, zumal Triclosan, solange keine endgültige Bewertung möglicher Gesundheitsgefahren durch den Stoff vorliegt, ohne große Einschränkungen eingesetzt werden darf. So findet sich das Desinfektionsmittel außer in Kosmetika auch in Textilien und Kunststoffen, darunter Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen.
Aus Lebensmittelverpackungen verbannen
Den Wissenschaftlern des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung ist insbesondere Letzteres ein Dorn im Auge. Sie sprechen sich klar dafür aus, Triclosan zumindest aus Lebensmittelverpackungen und -behältnissen zu verbannen. In Verruf ist Triclosan aber auch deshalb, weil Wissenschaftler schon seit Längerem vermuten, dass die massenhafte Verwendung der Substanz Bakterien dagegen resistent werden lässt.
Antibiotikaresistenzen, Ablagerungen in der Umwelt
Das Mittel könnte zudem – ein direkter Nachweis steht noch aus – auch Resistenzen gegen verbreitete Antibiotika fördern, da Mikroorganismen lernen, für sie schädliche Stoffe schneller wieder auszuscheiden. Eindeutig ist hingegen, dass Triclosan das Ökosystem in Gewässern beeinflussen und etwa Wasserpflanzen schädigen kann. Theoretisch kann der Stoff auch Algen, Krebse und Fische beeinträchtigen. Er reichert sich bevorzugt in den sandigen Böden von Gewässern an, da er kaum auf natürlichem Wege abgebaut wird und auch in Kläranlagen nicht unschädlich gemacht werden kann.
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