Wie geschmiert gelaufen
In den 1970er- und 80er-Jahren, als das Geschäft mit den Lebensversicherungen so richtig zu boomen begann, wurden als Gesamtverzinsung aus Garantiezins und Gewinnbeteiligung in der Regel sieben bis acht Prozent versprochen. Ein tolles Geschäft für alle Beteiligten, denn die Wirtschaft wuchs beständig, die Zinsen waren hoch, und so konnten die Versicherer mit relativ sicheren Veranlagungen ihrer Kundengelder nicht nur die hohen Verwaltungs- und Vertriebskosten locker hereinspielen, sondern auch die Renditen im Bereich von vier Prozent auszahlen.
Jetzt geht’s an die Reserven
Das System begann zu stottern, als das Wirtschaftswachstum zurückging, und gerät jetzt in der Folge von Wirtschafts-, Finanz-, Schulden- und sonstigen Krisen gewaltig ins Wanken. Bislang betrifft das in erster Linie die prognostizierten Gewinnbeteiligungen: Da die Geldmarktzinsen gesunken sind und auf dem Kapitalmarkt nicht mehr so leicht Rendite zu machen ist, können die vor Jahren prognostizierten Gewinne bei Weitem nicht realisiert werden. So kommt es, dass Versicherte bei der Auszahlung ihrer Polizze oft um Tausende Euro weniger erhalten als erwartet.
Und das ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht das Ende: Derzeit greifen wohl manche Versicherer bereits auf ihre Reserven zurück, um die Auszahlungen noch leisten zu können. Grund dafür sind die vielen Altverträge im Bestand der Versicherungsgesellschaften mit drei oder sogar vier Prozent Garantiezins. Diese Höhe ist im derzeitigen Marktumfeld nicht mehr zu erwirtschaften. Bei Neuabschlüssen liegt der Garantiezins nur noch bei höchstens 1,75 Prozent.
Garantiezins: nicht unantastbar
Theoretisch kann es sogar passieren, dass nicht einmal der garantierte Zins zur Gänze ausgezahlt wird. Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sieht vor, dass ein Versicherer im Fall einer drohenden Pleite Rückkäufe und Vorauszahlungen auf Polizzen untersagen oder Verpflichtungen aus der Lebensversicherung herabsetzen kann, um Zahlungsschwierigkeiten zu überwinden. Sprich: Wenn’s eng wird, können vertraglich garantierte Leistungen auch rückwirkend und mit dem Segen der Finanzmarktaufsicht „adaptiert“ werden.
Hausgemachte Probleme
Allein den Kapitalmarkt dafür verantwortlich zu machen, greift zu kurz. Denn wie sich im Wertpapierbereich zeigt, gäbe der Markt bei geschickter Veranlagung durchaus noch genügend her. Allerdings wollten und wollen bei dem Produkt „Lebensversicherung“ zu viele Beteiligte am Kuchen mitnaschen. So kritisieren wir seit Jahren die unglaublich hohen Vertriebs- und Verwaltungskosten, die in keinerlei Weise nachvollziehbar sind oder offengelegt werden.
Kostensenkungsprogramme in Diskussion
Die deutschen Branchenkollegen zeigen hier bereits Einsicht und diskutieren massive Kostensenkungsprogramme, die neben einer Reduktion der Gewinnbeteiligung vor allem die Versicherer selbst und deren Aktionäre betreffen sollen. Hierzulande neigt man eher noch dazu, das Risiko zur Gänze den Kunden umzuhängen. Wie ein Branchenvertreter meinte, „muss sich bei den Garantiezusagen was tun, denn so geht es nicht mehr weiter“.
Prämien sinken stark
Gut möglich, dass es so nicht mehr weitergeht und den Versicherern mangels Reform- und Öffnungswillens eine ganze Sparte wegbricht. Im vergangenen Jahr verringerte sich das Prämienvolumen bei den Lebensversicherungen um fast 7 Prozent, die Einmalerläge sanken um fast 19 Prozent. Und die Situation wird in den kommenden Jahren für die Versicherer nicht leichter: Aufgrund neuer Eigenkapitalvorschriften (Solvency II) muss ein Teil des erzielten Veranlagungsgewinns in die Bildung von mehr Eigenkapital der Assekuranzen fließen.
Abstand von Neuabschlüssen
Das bedeutet laut einigen Versicherern niedrigere Ausschüttungsquoten für die Inhaber von Lebensversicherungspolizzen – falls es dann überhaupt noch Kundschaft gibt, die sich ein derartiges Produkt anhängen lässt. Wir raten bis auf Weiteres von Neuabschlüssen ab, denn wie es ein deutscher Branchen-Intimus formulierte: „Selbst wenn die Zinsen steigen, dauert es sehr lange, bis die Anlagen wieder positiv werden!“