Eine vierköpfige Familie verbrachte 1997 einen All-Inclusive-Club-Urlaub in der Türkei. Nach einer Woche Aufenthalt erkrankte die zehnjährige Tochter der Familie an einer schweren Salmonellenvergiftung und war bis zum Ende des vierzehntätigen Urlaubes mit 40 Grad Fieber, Kreislaufzusammenbrüchen, Durchfall und Erbrechen ans Bett gefesselt. Der Urlaubsgenuß war dahin.
Schmerzensgeld vom Reiseveranstalter eingeklagt
Die geschädigte Konsumentin klagte den Reiseveranstalter vor dem Landesgericht Linz (LG Linz) zum einen auf Zahlung von Schmerzengeld. Sie forderte weiters ideellen Schadenersatz für die entgangene Urlaubsfreude. Das Gericht ging davon aus, dass die Erkrankung ihre Ursache in den im Club angebotenen Speisen hatte und der Reiseveranstalter für das Verschulden des örtlichen Hoteliers bzw des Küchenchefs einzustehen hat. Das Gericht sprach der Klägerin Schmerzengeld zu; den Ersatzanspruch für die entgangene Urlaubsfreude wies das Erstgericht ab.
Fall ging zum Europäischen Gerichtshof
Das Berufungsgericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vor. Der EuGH hielt fest, dass aus Art. 5 der Pauschalreiserichtlinie folge, dass bei Reisemängeln auch immaterielle Schäden für entgangene Urlaubsfreude zu ersetzen seien. Damit war die Sensation perfekt: Bis jetzt waren österreichische Gerichte davon ausgegangen, dass entgangene Urlaubsfreude nicht ersatzfähig sei, weil es keine gesetzliche Regelung gäbe. Jetzt sieht der EuGH die Notwendigkeit, den Ersatz solcher Schäden sehr wohl zu gewähren.
In der Folge war strittig, ob es erst einer gesetzlichen Regelung in Österreich bedürfe, um tatsächlich Geldersatz für entgangene Urlaubsfreude zuzusprechen. Das Bundesministerium für Justiz hatte eine solche Regelung erst für 1.1.2003 angekündigt. Sollten also Reisende in der bevorstehenden Reisesaison - mangels gesetzlicher Umsetzung - keine Ansprüche auf Ersatz immaterieller Schäden geltend machen können?
Voraussetzung: erhebliche Beeinträchtigung
Das aktuelle Urteil des LG Linz beendet diese Spekulationen: Es legt das bestehende österreichische Rechte, aus wie es die Richtlinie des EuGH vorsieht. Das bedeutet: Jeder Reisende kann bereits jetzt Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude geltend machen. Die Voraussetzung: Der Reisezweck muss vereitelt oder erheblich beeinträchtigt worden sein. Wenn man statt Urlaub zu machen, die Tage im Krankenbett verbringt, ist dies fraglos der Fall. Deutsche Gerichte sehen es auch als erhebliche Beeinträchtigung an, wenn die Reisemängel - bewertet nach der Frankfurter Liste - über fünfzig Prozent Reisepreisminderung rechtfertigen.
400 Euro zusätzlich für Brechdurchfall
Das Gericht sprach dem Mädchen einen ideellen Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude in Höhe von 400 Euro zu. Damit orientierte sich das Gericht an der deutschen Rechtsssprechung, die zwischen 25 und 50 Euro Ersatz pro Tag zuspricht.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) begrüßt diese Entscheidung: Wir empfehlen geschädigten Reisenden - wenn der Reisezweck erheblich beeinträchtig wurde - auch Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreude geltend zu machen. Der VKI rät Verbrauchern in solchen Fällen, die Mängel vor Ort (nachweisbar) zu rügen, Reisemängel und Schäden gut zu dokumentieren (Fotos, Videos, Name-Adresse von Zeugen) und - nach Rückkehr von der Reise - die Ansprüche (mit eingeschriebenem Brief) zu beziffern und gegen den Reiseveranstalter geltend zu machen. Der VKI steht geschädigten Reisenden mit Rat und Tat zur Seite (Hotline 01/588770).
Reiseveranstalter wehren sich
Der VKI begrüßt auch die Ankündigung des Bundesministeriums für Justiz, den Schadenersatz für entgangene Urlaubsfreuden ausdrücklich gesetzlich regeln zu wollen. Rechtsklarheit ist auch im Interesse der Verbraucher wünschenswert. Der VKI spricht sich aber vehement dagegen aus, den Wünschen der Reisebranche folgend für Verbraucher vor Ort eine strenge Rügepflicht einzuführen und überdies für die Anmeldung von Ansprüchen kurze Fristen vorzusehen. Solche Schikanen für Reisende führen nur dazu, dass bei Gericht statt über das Vorliegen von Mängeln im Vorfeld darüber gestritten wird, ob man „rechtzeitig" und „formvollendet" gerügt hat. Diese Regelungen haben sich in Deutschland nicht bewährt und sollten österreichischen Verbrauchern und Gerichten erspart werden.