Konsument befragte den Wiener Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Guido A.
Budik zu seinem Vorgehen bei Gehörgangsentzündung und Akuter
Mittelohrentzündung.
Konsument: Gehörgangsentzündungen entstehen, indem Keime
durch Risse in der Gehörgangshaut eindringen. Wie kommt es überhaupt zu diesen
Rissen oder Verletzungen?
Dr. Budik: Häufig ist das auf die verbreitete Unsitte
zurückzuführen, den Gehörgang mit Wattestäbchen zu reinigen. Das Ohrenschmalz
ist ein natürliches Sekret, das auch auf natürlichem Weg nach außen
abtransportiert wird – und da muss niemand nachhelfen. Wer es dennoch tut,
beraubt sich eines natürlichen Schutzes. Das Ohrenschmalz hat pflegende,
reinigende und bakterizide Funktion – eingedrungene Bakterien werden
eingefangen, abgetötet und nach außen transportiert. Ohne Ohrenschmalz trocknet
der Gehörgang aus, und es können feine Risse entstehen – die Eintrittspforten
für Bakterien. Davon abgesehen kann man mit Wattestäbchen auch leicht den
Gehörgang direkt verletzen. Wer glaubt, verschmutzte Ohren zu haben, sollte
nicht zu Reinigungshilfen greifen, sondern zur Abklärung einen HNO-Arzt
aufsuchen.
Konsument: Was ist bei einer Gehörgangsentzündung zu
tun?
Dr. Budik: Das richtet sich ganz nach der Diagnose. Es gibt
Entzündungen, die mit einer lokalen Tropfentherapie abheilen, es gibt aber auch
schwere Fälle, die eine stationäre Aufnahme und Infusionstherapie im
Krankenhauserfordern. In jedem Fall sollte der Betroffene sich ohne Gehörgangs-
und Trommelfellbefund des Arztes nicht selbst Ohrentropfen in der Apotheke
besorgen. Denn erstens ist es fraglich, ob die in seinem Fall überhaupt helfen,
und zweitens sind Ohrentropfen nicht gleich Ohrentropfen. Die einen enthalten
Kortison, die anderen Antibiotika…
Konsument: Sind Ohrstöpsel oder in den Gehörgang
gesteckte Watte nach Ihrer Meinung ein geeigneter Schutz gegen
Gehörgangsentzündungen?
Dr. Budik: Nein, man sollte prinzipiell nichts in die Ohren
geben, da deren Belüftung jederzeit erhalten werden sollte. Ohrstöpsel sind
allerdings dann unbedingt angezeigt, wenn kein Wasser ans Trommelfell dringen
darf. Das ist bei Personen der Fall, die ein Loch oder ein so genanntes
Paukenröhrchen im Trommelfell haben. Diese Patienten müssen, bevor sie duschen
oder baden gehen, vorher den Gehörgang abdichten. Und das machen sie am besten
mit Stöpseln, die von einer Hörgerätefirma für sie individuell angefertigt
wurden, denn jeder Gehörgang ist verschieden.
Konsument: Zum zweiten Problembereich, der Akuten
Mittelohrentzündung. Können Sie einen Rat geben, wie man sich oder vor allem
seine Kinder vorbeugend schützen kann?
Dr. Budik: In den meisten Fällen handelt es sich um eine so
genannte tubogene Infektion – von den oberen Luftwegen pflanzt sich die
Infektion über die Tube bis ins Mittelohr fort. Daher die Empfehlung, bei
Infektionen im Nasen- und Nasen-Rachen-Bereich frühzeitig abschwellende
Nasentropfen zu verwenden, um die Atemwege freizuhalten. Wenn die Nase frei ist,
ist auch der Nasen-Rachen-Raum frei, und die Belüftung zum Mittelohr ist
garantiert. Allerdings können Nasentropfen, wenn zu lange verwendet, auch zu
einer Schleimhautschädigung führen. Daher meine Empfehlung: nicht länger als
eine Woche, lieber noch kürzer, dafür in dieser Zeit intensiver.
Konsument: Viele Eltern haben ein Unbehagen, wenn die
Akute Mittelohrentzündung ihrer Kinder sogleich mit Antibiotika bekämpft wird.
Erstens führt das meist zu Durchfall, zweitens ist der Nutzen dieser Therapie
aufgrund neuester Studien höchst fraglich, ja sie wird sogar für eine erhöhte
Allergieanfälligkeit verantwortlich gemacht. Welche Alternativen sehen Sie?
Dr. Budik: Gerade bei Kindern hat man in den ersten 24
Stunden einer Akuten Mittelohrentzündung gute Chancen, allein mit belüftenden
Maßnahmen – sprich: mit abschwellenden Nasentropfen, die die Atemwege freihalten
– zu einer Verbesserung im Mittelohr beizutragen. In einem frühen Stadium der
Erkrankung kann man, in Absprache mit den Eltern, mit der Antibiotikagabe noch
zuwarten. Antibiotika sollten meiner Ansicht nach allerdings dann unbedingt
verordnet werden, wenn der Trommelfellbefund eindeutig auf eine bakterielle
Entzündung hinweist. Andernfalls besteht die Gefahr von weiteren Komplikationen,
die auch zu Störungen des Hörvermögens führen können.
Konsument: Einige HNO-Ärzte arbeiten auch mit
homöopathischen Mitteln und dem Anspruch, nicht die Krankheitserreger direkt
bekämpfen zu wollen, sondern vordringlich die Abwehrkräfte des Patienten zu
stärken.
Dr. Budik: Ich sehe da keinen Widerspruch. Die Zeiten, da
sich die Proponenten der beiden Richtungen, hier Allopathie, dort Homöopathie,
wild bekämpft haben, sind Gott sei Dank vorbei. Das sind zwei einanderergänzende
Schulen, die beide ihre Berechtigung haben und die dann richtig angewendet
werden, wenn beide ihre Grenzen kennen.