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Kinderschuhe - Eingezwängt

Anders als bei früheren Tests passt inzwischen die Größenauszeichnung. Doch die meisten Schuhe sind viel zu schmal geschnitten.

Spagat zwischen Mode und Passform

Im Frühjahr und im Herbst müssen fast alle Eltern mit ihren Kindern ausrücken, um passende Treter für den Nachwuchs zu besorgen. Eine echte Herausforderung, denn selbst wenn im Familienrat daheim besprochen wurde, dass das Wichtigste an Schuhen eher die Passform und weniger das Aussehen ist: Am Ende eines langen Einkaufstages tragen viele Kids blinkende Schuhmonster in Gruselfarben oder Plastikbomber in Pink mit Glitzersteinchen stolz nach Hause, die zwar cool aussehen, aber am Fuß keine sonderlich gute Figur machen.

Ob ein Schuh passt, darüber wird nicht nur zwischen Eltern und Kindern gestritten. Auch bei den Schuherzeugern gehen die Meinungen auseinander. Während die einen den Schwerpunkt auf das Aufgreifen modischer Trends legen, versuchen andere den Spagat zwischen optischen Ansprüchen und kindgerechter Passform.

Kinderfüße stellen besondere Ansprüche an Schuhe

Seit Jahrzehnten betonen Orthopäden, aber auch Schuhmacher, dass Kinderfüße besondere Ansprüche an Schuhe stellen. Die Knochen wachsender Kinderfüße sind weich und verformbar. Anders als Erwachsenenfüße sind sie gegen Druck relativ schmerzunempfindlich. Daher können die Sprösslinge beim Probieren von Schuhen auch keine zuverlässige Auskunft geben, ob ihnen das gewählte Modell passt.

Dazu kommt: Selbst bei gleicher Länge sind Kinderfüße unterschiedlich breit und hoch. Daraus ergibt sich, dass Kinderschuhe eine angemessene Weite haben müssen. Und sie dürfen im Vorderbereich weder zu flach noch zu spitz sein, um die empfindlichen Zehen nicht einzuengen.

Gütesiegel für Kinderschuhe

Gütesiegel für Kinderschuhe

Versuche, dieses Wissen auch in die Praxis der industriellen Schuherzeugung einfließen zu lassen, gab und gibt es. Einer davon hieß Austropoint und wurde vom inzwischen emeritierten Orthopäden Univ.Prof. Dr. Herbert Kristen zusammen mit den österreichischen Schuhherstellern umgesetzt.

Kinderschuhe mit diesem Gütesiegel wurden nicht nur in unterschiedlichen Weiten angeboten, sondern mussten auch verschiedene Qualitätskriterien erfüllen. Von der österreichischen Schuhindustrie ist nicht viel übrig geblieben und damit auch Austropoint längst Geschichte.

Weiten-Maß-System WMS

Das ebenfalls vor Jahrzehnten für Deutschland entwickelte Weiten-Maß-System WMS (w = weit, m = mittel, s = schmal) gibt es dagegen noch. Es enthält Richtlinien für eine kinderfußgerechte Passform mit verschiedenen Weiten und wird als Gütesiegel vom Hauptverband der deutschen Schuhindustrie an qualifizierte Kinderschuhhersteller vergeben. Rasend beliebt ist dieses Zeichen bei den Schuherzeugern nicht.

Superfit, Richter und Elefanten

Gerade drei unserer getesteten Schuhe tragen das WMS-Siegel, und zwar Superfit, Richter und Elefanten. Der deutsche Schuhriese Reno dagegen hat ein eigenes System entwickelt und bietet mit der Marke Bama ebenfalls Schuhe in unterschiedlichen Weiten an.

Länge passt, Breite nicht

Veränderungen seit 2007

Unser letzter Kinderschuhtest liegt bereits einige Jahre zurück (siehe KONSUMENT-Test Kinderschuhe 9/2007). Auffälligstes Ergebnis damals: Bei den meisten Schuhen stimmten die Größenangaben nicht. Sie waren meist kleiner als angegeben. Und sie waren oft zu schmal geschnitten. Nun gingen wir erneut auf Einkaufstour, um zu überprüfen, ob sich daran etwas geändert hat. Obwohl die Saison dafür bereits vorbei ist, nahmen wir auch einige wenige Stiefel mit, denn der nächste Winter kommt bestimmt.

Qualität: wenig zu bekritteln

Nach dem Einkauf wurden alle Schuhe auf ihre Qualität überprüft. Hier gab es wenig zu bekritteln. Ob Leder oder Synthetik: Die meisten der eingesetzten Materialien waren atmungsaktiv. Der Sohlenaufbau (Boden) entsprach den Anforderungen für Kinderschuhe. Auch die Verarbeitung passte. Saubere und flache Nähte waren beim Großteil der Schuhe Standard.

Länge passt, Breite nicht

Anders als beim letzten Test wurden die Schuhe diesmal nicht innen vermessen. Um zu überprüfen, ob die angegebenen Größen stimmen, wurden alle Modelle aufgeschnitten. Anschließend erfolgte die Vermessung der Innensohle (Brandsohle) sowohl in der Länge als auch in der Breite. Ergebnis: Auf die Größenangaben ist inzwischen Verlass! Eine echte Überraschung.

Weniger gut fielen die Ergebnisse bei der Breite aus. Nach wie vor sind die meisten Kinderschuhe einfach zu schmal geschnitten. Das ist extrem ärgerlich. Schon bisher mussten sich die, wie man aus Vermessungen weiß, zunehmend breiteren österreichischen Kinderfüße in zu schmale Schuhe zwängen. Nun sind auch die deutschen Kids dran.

Kinderfüße werden nachweislich breiter

Mit einer groß angelegten Studie wurde inzwischen nachgewiesen, dass auch in unserem Nachbarland die Füße der Kinder breiter werden. Den Schuherzeugern, die immer öfter in China, Indien oder Vietnam sitzen, ist diese Tatsache aber offensichtlich egal. Verbesserungsbedarf sehen wir auch bei der Kennzeichnung. Selbst wenn der Kunde nun meist die Größe bekommt, die er verlangt: Die Angabe der Weite ist bei Kinderschuhen nach wie vor ein Minderheitenprogramm.

Orthopädische Beurteilung

Verbesserungsbedarf

Neben der Vermessung wurden alle Schuhe auch orthopädisch beurteilt. Und hier hagelte es leider jede Menge schlechter Noten. Dass Innen- und Außenknöchel auf unterschiedlicher Höhe liegen, scheint sich noch nicht bis in alle Schuhfabriken durchgesprochen zu haben. Sieben Schuhe zeigten hier Mängel. Schlecht sieht es auch bei der Fersengestaltung aus. Nur in zwei Modellen wird durch eine leichte Mulde der Fuß optimal geführt. Alle anderen Schuhe geben der Ferse wenig oder gar keinen Halt.

Mängel bei der orthopädische Beurteilung

Mit Sprengung oder Gelenkstück wird der Übergang vom Ballen- zum Fersenauftritt bezeichnet. Bleibt der Fuß auch beim Abrollen fest im Schuh, hat er genügend Halt und gleicht beim Gehen die Spannung der Muskulatur vor und hinter dem Sprunggelenk aus. Gibt der Schuh keine Unterstützung, weil er sich verbiegt, kann das zu einer Überlastung der Muskeln bis hin zu Kreuzschmerzen führen.

Ein gesunder, kräftiger Kinderfuß hält vieles aus. Ein schwacher Fuß dagegen ist gefährdet. Gibt der Schuh keinen Halt, kann es zur Entwicklung eines Senk- oder Spreizfußes kommen, der nur noch mit orthopädischen Einlagen ausgeglichen werden kann. Eine kostspielige Angelegenheit, die immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Ärzten und Sozialversicherungsträgern führt. Warum werden hier eigentlich nicht die Schuherzeuger in die Pflicht genommen?

Qualität kostet

Qualität kostet

Neben der Sprengung ist auch der Ballenbiegepunkt wichtig. Er muss genau dort liegen, wo der Fuß sich biegt – bei den Zehengrundgelenken im Ballenbereich. Unsere besten Schuhe im Test schneiden bei diesen beiden Kriterien fast alle sehr gut ab. Mit rund 60 bis 90 Euro gehören Superfit, Richter, Waldviertler und Timberland allerdings auch zu den teuersten Modellen.

Zu dünne Sohlen

Entsetzt hat uns, wie dünn manche Sohlen sind. Bei Testverlierer Agaxy reicht bereits ein Rosendorn für einen Durchstich. Dieses Ausmaß an Verletzungsgefahr lässt sich auch mit den 10 Euro, die dieser Schuh bei Deichmann kostet, nicht schönreden.

Einlegesohle leider oft fixiert

Noch immer ist beim Großteil der Schuhe die Einlegesohle fixiert. Das ist ärgerlich, weil gerade sie eine einfache Möglichkeit bietet, zu überprüfen, ob der Schuh passt. Sohle raus, Kind draufstellen, fertig. Geradezu vorbildlich ist hier Timberland. Auf seiner Einlegesohle findet sich zusätzlich eine Markierung. Sie gibt an, bis wohin die Zehe reichen darf, damit die Größe stimmt – zur Nachahmung wärmstens empfohlen.

Testtabelle: Kinderschuhe

Ein Kinderschuh - viele Anforderungen

Ausreichend lang. Die richtige Schuhlänge setzt sich aus der Fußlänge und einer Zugabe von 12 mm zusammen. Die Zugabe bezeichnet jenen Teil, den der Schuh vor den Zehen länger ist als der Fuß. Diese zusätzlichen 12 mm sind einerseits Wachstumreserve (Zuwachsraum), andererseits Schubraum. Jeder Fuß schiebt sich beim Gehen etwas nach vorne. Ist im Schuh nicht genügend Platz, werden die Zehen bei jedem Schritt zurückgestaucht.

Angemessen breit. Neben der richtigen Länge muss der Schuh auch in der Breite stimmen. Breite Füße in enge Schuhe zu quetschen tut weh und sieht auch nicht sonderlich gut aus. Schmale Füße finden in zu breiten Schuhen keinen Halt und rutschen nach vorne. Dort werden die Zehen gestaucht, während gleichzeitig im Fersenbereich der Fuß aus dem Schuh rutscht.

Punktgenau. Ein Schuh muß die natürliche Abrollbewegung des Fußes unterstützen. Nur dort, wo der Ballen ist, darf sich der Schuh biegen. Stimmt die Lage der Ballenpunkte von Schuh und Fuß nicht überein, wird die Ferse aus dem Schuh gehebelt.

Zusammenfassung

  • Auf den Zeh gefühlt. Lässt sich beim Anprobieren die Einlegesohle nicht aus dem Schuh nehmen, machen Sie die Daumenprobe. Zwischen der längsten Zehe und der Fußspitze muss eine Daumenbreite Platz sein.
  • Nicht einzwängen. Breite Füße brauchen breite Schuhe. Die nächste Größe zu nehmen bringt nichts, weil die Schuhe dann zu groß sind, der Fuß nach vorne rutscht und die Zehen gestaucht werden.
  • Zu biegsam. Ein Schuh mit einer Sohle, die sich in alle Richtungen biegen lässt, kann Kinderfüße schädigen. Er gibt dem Fuß keinen Halt und auch beim Abrollen keine Unterstützung.
  • Löchrig. Ständig durchlöcherte Socken im Zehenbereich weisen auf zu kleine Schuhe hin. Löcher bei den Fersen sind ein Warnsignal dafür, dass der Fuß im Fersenbereich zu wenig Halt hat. 

Testkriterien

Eingekauft wurden insgesamt 18 Kinderschuhe in den Größen 31/32 und 34/35. Der Großteil davon waren Halbschuhe, nur wenige Modelle Stiefel. Unsere Testkäufer besuchten gemeinsam mit ihren Kindern sowohl Filialen von Schuhketten als auch von Diskontern.

Qualität, Kennzeichnung, orthopädische Beurteilung

Alle Schuhe wurden auf Qualität und Kennzeichnung untersucht und anschließend orthopädisch beurteilt. Die Bewertung der Qualität – Obermaterial, Boden (Sohlenaufbau), Verarbeitung – erfolgte durch einen Sachverständigen für Kinderschuhe. Die Überprüfung der Kennzeichung nach WMS (Weiten-Maß-System) und die orthopädische Beurteilung wurde durch einen Facharzt für Orthopädie vorgenommen. Er beurteilte Knöchelhöhe der Schuhe, Fersengestaltung, Sprengung (Übergang vom Ballen- zum Fersenauftritt), Ballenbiegepunkt, Schutzfunktion der Sohle und Beschaffenheit der Einlegesohle.

Gewichtung

So wurden die einzelnen Prüfpunkte gewichtet:

Qualität (30 %)

  • Obermaterial (30 %)
  • Boden (40 %)
  • Verarbeitung (30 %)

Kennzeichnung (20 %)

  • Länge (50 %)
  • Breite (30 %)
  • Deklaration (20 %)

Orthopädische Beurteilung (50%)

  • Knöchelhöhe (10 %)
  • Fersengestaltung (20 %)
  • Sprengung (10 %)
  • Ballenbiegepunkt (40 %)
  • Schutzfunktion Sohle (10 %)
  • Einlegesohle (10 %)

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