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Keimlinge - Große Kraft aus kleinem Korn

Sprossen sind wahre Kraftpakete. Dabei sind sie nicht nur gesund, sondern schmecken auch gut.

In der freien Natur haben sie im Frühjahr Saison. An den Küchenfenstern ihrer Anhänger räkeln sie sich jedoch verstärkt in der Winterszeit. Und ausgesprochene Fans pflegen sie das ganze Jahr über – die Keimlinge, kleine Kraftpakete mit viel Geschmack.

In unseren Breiten ist das eine relativ junge Entwicklung, die stark mit dem Aufstieg der österreichischen Naturküche und den Anfängen der „Körndlkost“ in den 70er-Jahren verbunden ist. In China hingegen ist das Genießen von Sprossen, insbesondere das von Keimlingen einiger Bohnenarten, schon seit über 5000 Jahren bekannt. Sie sind als Gesundheit spendende Nahrung geschätzt. Zu Recht, sagt die Ernährungswissenschaft, denn was da aus den kleinen Körnern heraussprießt, ist mehr als die Summe der Teile des Ausgangsproduktes.

Doch beginnen wir nochmal von vorne. Am Anfang war das Samenkorn, jene kompakte Energiereserve, die geeignet ist, die Kraft des neuen vegetabilen Lebens so lange zu speichern, bis optimale Entwicklungsbedingungen gegeben sind. Manche Körner können Jahrtausende überdauern, wie der Weizen, den man als Opfergabe in ägyptischen Pyramiden gefunden hat, oder Hafer aus dem 15. Jahrhundert, der auf einem alten Dachboden im Mühlviertel entdeckt wurde.

Mehr Inhaltsstoffe

Wenn Feuchtigkeit, Licht und mittlere Temperaturen zusammenspielen, erwachen die Samen auch nach so langer Zeit zu neuem Leben. Dabei vervielfachen sie mit Hilfe von Wasser ihr Gewicht und ihre Größe innerhalb weniger Tage. Dann beginnen die Enzyme ihr Werk und bearbeiten die konzentrierten Nährstoffreserven des Samens. Das Zwischenergebnis, der Keimling, kann sich sehen lassen: Meist ist er reicher an Mineralstoffen, Vitaminen und anderen Inhaltsstoffen als die erwachsene Pflanze. So steigt bei den Samen von Alfalfa (blaue Luzerne) durch das Keimen in den ersten 72 Stunden der Vitamin-C-Gehalt um 500 Prozent, der Provitamin-A-Gehalt um 300 Prozent und der Vitamin-E-Gehalt um 33 Prozent (siehe dazu: "Das steckt drin").

Von nussig bis scharf

Angekeimte Saaten tragen zur Deckung unseres Bedarfs an Mineralstoffen bei – vor allem Magnesium und Eisen. Durch ihre Ballaststoffe haben Keimlinge eine milde, verdauungsfördernde Wirkung. Und der Geschmack ist meist erfrischend klar, entspricht er doch in verfeinerter Weise dem der ausgereiften Pflanzen und Früchte.

So schmecken Kresse, Radieschen, Rettich und Senf würzig bis erfrischend scharf, Bockshornklee, Leinsamen, Alfalfa, Hirse und Linsen hingegen pikant. Als süßlich-mild könnte man hingegen den Geschmack von Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Reis und Dinkel beschreiben, während Sonnenblumenkerne, Kichererbsen, Sojabohnen und Kürbiskerne eher nussig-süßlich schmecken. Speziell in den Wintermonaten, wenn heimisches Gemüse durch Lagerhaltung und Konservierung viele wertvolle Inhaltsstoffe verliert, bieten sich Keimlinge als abwechslungsreiche und bekömmliche Frischkost an.

Ausnahmen: Samen der Nachtschattengewächse

Frische, knackige Sprossen lassen sich aus Samen aller essbaren Pflanzen wie Getreide oder Hülsenfrüchte ziehen. Ausnahme sind die Samen der Nachtschattengewächse (Erdäpfel, Paradeiser), die aufgrund ihres hohen Solaningehaltes giftig sind. Keimfähig ist jeder Samen, der noch nicht bearbeitet (zerkleinert, strahlungskonserviert oder Ähnliches) wurde und daher noch die kompletten Keimanlagen enthält. Saatgut, welches für das Aussäen im Garten gedacht ist, sollte jedoch nicht verwendet werden. Es ist häufig mit Schädlingsbekämpfungsmitteln, Beizmitteln oder anderen Chemikalien behandelt. Im Boden werden diese Stoffe meist mehr oder weniger rasch abgebaut, bei der kurzen Sprossenanzucht aber nicht. Am besten geeignet ist Saatgut aus biologischem Anbau.

Im Handel wird eine Vielzahl von Keimgeräten angeboten, die alle nach dem gleichen Prinzip funktionieren: Sie bestehen meist aus flachen Schalen, in denen das Keimgut verteilt wird. Von oben wird Wasser eingefüllt, welches durch ein spezielles Abflusssystem in einen Auffangbehälter abfließt. Das Material ist ein lichtdurchlässiger Kunststoff oder gebrannter Ton. Nicht zu empfehlen ist das Keimen mit Hilfe von Watte oder Vlies, da sich dort bei mangelnder Luftzirkulation leicht unerwünschte Mikroorganismen ansiedeln. Eine einfache und billige Methode ist das Keimen in Gläsern, die mit Gaze und Gummiband verschlossen werden.

Hygiene besonders wichtig

Ob Einmachglas oder Keimgerät, das Prinzip ist überall gleich: Die Samen müssen nach mehrstündigem Einweichen in reichlich Wasser in der Regel zweimal täglich mit frischem Wasser gespült werden. Wichtig ist, dass die Samen nicht im Wasser stehen, deswegen sollten sie nach dem Spülen gut abtropfen. Bei zu feuchtem Klima bilden sich schnell Fäulnisbakterien, die an ihrem muffigen Geruch und an der leicht schleimigen Oberfläche zu erkennen sind. Wenn die Keimlinge nach etwa zwei bis acht Tagen die gewünschte Größe erreicht haben, nochmals gründlich mit kaltem Wasser abspülen. Das gilt für die Keime von Weizen, Roggen, Gerste, Mungobohnen, Linsen, Luzerne, Senf, Sesam und Sonnenblume. Bei Sprossen von Erbsen, Sojabohnen und Kichererbsen raten Fachleute eindringlich, die Keime vor dem Essen auf jeden Fall zu blanchieren, also mit kochend heißem Wasser zu übergießen. Von gekeimten Gartenbohnen sollten Sie dagegen überhaupt die Finger lassen. Hier werden nämlich beim Keimen gesundheitsschädliche Stoffe nicht oder nur teilweise abgebaut, wie etwa Trypsin-Inhibitoren (hemmen bestimmte Eiweiß abbauende Enzyme im Körper) oder Hämagglutinine (können in größeren Mengen zum Verklumpen der roten Blutkörperchen führen).

Samen - Keimlinge - Sprossen

×
Schale 1
Schale 1 Samen im Wasser quellen lassen. |
Schale 2
Schale 2 Keimlinge regelmäßig spülen. |
Schale 3
Schale 3 Sprossen ernten. |
Schale 1
Schale 2
Schale 3

… dass sich beim Keimen auch unerwünschte Stoffe bilden?

Leider werden beim Keimen nicht nur erwünschte Stoffe gebildet. Je nach Pflanzenart und -alter enthalten Keimlinge unterschiedliche Mengen an Nitrat. Verglichen mit anderen Gemüsen zählen die Keimlinge zu den mittel bis hoch belasteten Gemüsesorten. Nur Treibhausgemüse bringt in der Regel noch mehr Nitrat auf den Tisch. Entschärft wird diese Problematik dadurch, dass üblicherweise nur kleine Mengen verzehrt werden. So lässt sich das Nitratproblem jedoch entschärfen:

Eher länger keimen lassen als zu kurz (Nitrat baut sich nach einigen Tagen wieder ab). Keimlinge ans Licht stellen oder Wachstumslampen benutzen.

… wie und wo Sie Keimlinge verwenden können?

  • Keimlinge aus Getreide, Sonnenblumen- und Kürbiskernen für’s Müsli
  • Rettich-, Senf-, Alfalfa- und Kressesprossen für herzhafte Gerichte
  • Keimlinge aller Hülsenfrüchte für bissfeste Eintöpfe und Gemüsegerichte
  • Roggen-, Mungobohnen-, Hafer- und Sonnenblumensprossen für fruchtige Nachspeisen

Generell sind alle Keimlinge dazu geeignet, aufgewärmte sowie Fertig- und Halbfertiggerichte mit frischen Vitaminen aufzuwerten!

Inhaltsstoffe von Weizen und gekeimtem Weizen (100 Gramm)

 

Weizen

Weizen nach viertägiger Keimdauer

Eiweiß

10,62 g

10,50 g

Ballaststoffe

12,70 g

15,60 g

Fett

1,61 g

2,46 g

Kohlenhydrate

58,75 g

45,50 g

Vitamin B1

0,32 mg

0,35 mg

Vitamin B2

0,08 mg

0,37 mg

Vitamin B6

0,12 mg

0,23 mg

Vitamin C

0 mg

38,70 mg

Vitamin E

4,76 mg

6,93 mg

einfach ungesättigte Fettsäuren

0,23 g

0,26 g

mehrfach ungesättigte Fettsäuren

1,08 g

1,67 g

Bockshornklee

Ansetzen: Samen abspülen, fünf bis acht Stunden einweichen, abgießen, bei 21 Grad C keimen lassen, täglich zweimal spülen
Ernte: nach zwei Tagen
Ergiebigkeit: 1 EL Samen ergibt 2 EL Keimlinge
Bemerkung: möglichst sofort verwenden

Weizen

Ansetzen: Körner spülen, über Nacht einweichen, abgießen, bei 21 Grad C keimen lassen, täglich ein- bis zweimal spülen
Ernte: nach etwa drei Tagen
Ergiebigkeit: 1 EL Samen (etwa 25 g) ergibt zirka 2 bis 3 EL Sprossen
Bemerkung: keimen im Dunkeln besser, am zweiten Tag ins Licht stellen

Sojabohnen

Ansetzen: abspülen, zwölf Stunden einweichen, bei 21 Grad C keimen lassen, täglich zwei- bis dreimal spülen
Ernte: nach vier Tagen
Ergiebigkeit: 1 Tasse Bohnen ergibt 200 bis 300 Keimlinge
Bemerkung: vor dem Verzehr unbedingt blanchieren

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