Ein Fall für Profis
Rohes Geflügel ist ein heikles Produkt. Wir ermittelten daher beim Einkauf sowohl die Lager- als auch die Kerntemperatur. Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Proben wies eine zu hohe Kerntemperatur auf, war also schlecht gekühlt. Dass es am Einkaufstag sommerlich heiße Temperaturen hatte, ist dafür vielleicht eine Erklärung, aber sicher keine Entschuldigung. Gerade bei dieser Produktgruppe muss penibel auf ausreichende Kühlung geachtet werden.
Qualitätsklassen nicht immer eingehalten
Unmittelbar nach dem Einkauf ließen wir alle Produkte von Experten begutachten. Bei ganzen Hühnern gehört dazu auch die Überprüfung der auf der Verpackung angegebenen Qualitätsklasse. Hier fielen drei Proben auf: Bei Perutnina stellten die Gutachter eine zu starke Beschädigung der Haut im Brustbereich fest, was nicht der Güteklasse A entspricht. Bei Spar Natur pur und Titz fehlte bei den beigepackten Innereien der Magen (Muskelmagen). Für Köche ärgerlich, wenn daraus eine Geflügeleinmachsuppe werden soll.
Auf den Geruch achten
Beim Prüfpunkt Expertenverkostung nahmen sich die Profis dann das rohe Fleisch vor. Beim Huhn von Perutnina, dem billigsten Produkt im Test, stieg ihnen bereits ein fauliger Geruch in die Nase, weshalb "von einer Geschmacksprobe Abstand genommen" wurde. Und auch auf das preiswerte Hühner Filet von Napsugár Trade hatte niemand Appetit, denn es roch "sauer und faulig". Die Puten von Hubers und Farmers muffelten zwar etwas, waren nach der Zubereitung aber unauffällig. Die mikrobiologische Untersuchung ergab allerdings eine erhöhte Keimzahl, was einmal mehr beweist: Auf die Nase ist Verlass.
Salmonellen & Co
Natürlich zählten wir bei allen unseren Hühnerfleisch-Proben nicht nur die Keime, sondern fahndeten auch nach Salmonellen, Listerien und Campylobacter. Über Salmonellen wissen die meisten Konsumenten inzwischen gut Bescheid. Diese Bakterien kommen vor allem in rohen Eiern, Geflügel und Fleisch vor und können schwere Durchfallerkrankungen auslösen. Wer in der Küche sauber arbeitet und vor allem heikle Lebensmittel wie Geflügel ausreichend erhitzt, braucht sich trotzdem keine Sorgen zu machen. Hohe Temperaturen töten diese Keime zuverlässig ab.
Küchenhygiene und ausreichendes Erhitzen
Nicht ganz so stark im öffentlichen Bewusstsein verankert sind Campylobacter. Diese natürlichen Darmbewohner von Tieren sind neben den Salmonellen die bedeutendsten Erreger bakterieller Darmerkrankungen beim Menschen. Geflügelfleisch, Faschiertes und Rohmilch stellen hier die Hauptinfektionsquellen dar. 2012 waren Campylobacter die häufigsten Auslöser von Infektionen durch Lebensmittel, Tendenz stark steigend. Auch hier hilft nur eines: penible Küchenhygiene und ausreichendes Durcherhitzen.
Listerien sind in der Umwelt weit verbreitet und werden während der Herstellung oder Verarbeitung von Lebensmitteln übertragen. Besonders gefährdet sind rohe Produkte. Hitze macht auch diese Krankheitserreger unschädlich.
Mikrobiologie: bei 3 Produkten nicht in Ordnung
Drei von 21 Produkten stürzten bei unserer Untersuchung in Sachen Mikrobiologie ab. Im Huhn von Spar Natur pur steckten sowohl Campylobacter als auch Salmonellen. Ein Hinweis auf die Einhaltung der Küchenhygiene fehlte. In Perutnina ließen sich sowohl jede Menge an Milchsäurebakterien (zeigen beginnenden Verderb an) als auch Listerien nachweisen. Und auch das Hühner Filet von Napsugár Trade aus Ungarn war mit einer erhöhten Anzahl an Listerien und Campylobacter belastet: Es wurde von den Experten als gesundheitsschädlich beurteilt.
Gesetzlich in Ordnung, trotzdem Hygienemängel
Zehn weitere Proben waren nach den gesetzlichen Vorschriften zwar in Ordnung, wiesen aber trotzdem Hygienemängel auf. Sie enthielten in unterschiedlicher Kombination größere Mengen an Darmbakterien (Enterobacteriaceen), Campylobacter und nicht krank machende (apathogene) Listerien. Unsere Gutachter empfehlen den Herstellern dieser Produkte dringend, die Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen in ihren Betrieben zu intensivieren. Für Konsumenten ist hier einmal mehr die sorgfältige Einhaltung der Küchenhygiene und die komplette Durcherhitzung des Fleisches besonders wichtig.
Tierarzneimittel
Da Tierarzneimittel im Fleisch heiß diskutiert werden, haben wir auch auf diese Stoffe untersucht. Hier war der Befund großteils unauffällig. Aber in den ganzen Hühnern von AIA und Perutnina fand sich, wenn auch in sehr geringen Mengen, eine Substanz, die in Geflügelherden vorbeugend gegen eine bestimmte Durchfallerkrankung eingesetzt wird.
Diese beiden Hühner haben auch sonst Gemeinsamkeiten: Beide gehören zu den billigsten Produkten im Test. Beide kommen aus dem Ausland. „Geboren, gemästet, geschlachtet in Slowenien“ heißt es bei Perutnina. AIA wollte zur Herkunft seines Huhns überhaupt nichts sagen. Das Identitätszeichen zeigt, dass es zuletzt in Italien verarbeitet wurde. Das slowenische Huhn war zudem stark mit Krankheitserregern belastet und bereits verdorben. Nur auf den Preis zu schauen, ist bei Lebensmitteln offensichtlich nicht immer die beste Entscheidung von allen.