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Erntehelfer aus Ungarn, Rumänien, ... - Ausbeutung auf Österreichs Feldern

Während der Erntezeit werden auf heimischen Bauernhöfen bevorzugt Erntehelfer aus Ostländern eingestellt. Ausbeuterische Arbeitsbedingungen stehen an der Tagesordnung.

Arbeitszeiten von bis zu 16 Stunden täglich, bei einem Stundenlohn von 4,50 Euro. Der Ungar Istvan Kis (Name geändert) pendelte im Herbst 2016 täglich von seiner Heimat ins nahegelegene Burgenland, um dort bei der Weinlese mitzuhelfen. "Ich musste täglich von 7 bis 17 Uhr arbeiten, während der Erntezeit oft bis 23 Uhr."

Erntehelfer: Fragwürdige Arbeitsbedingungen

Erntehelfer; Bild: Sezonieri-Kampagne / Lisbeth Kovacic

Der Ungar pflückte nicht nur Trauben, sondern beaufsichtigte auch die Traubenpresse, reinigte die Halle, füllte Most um. "Zum Desinfizieren des Tanks musste ich auf eine hohe Leiter klettern, die nicht gesichert war."

Kis, der in Ungarn als Sozialberater gearbeitet hatte und kein Deutsch, aber perfekt Englisch spricht, lernte den Weinbau bereits durch seinen Großvater kennen.

Auf dem burgenländischen Bio-Weingut, das ihn beschäftigte, waren die Hygienebedingungen seinem Ermessen nach unzumutbar. "Im selben Raum, wo die Traubenpresse stand, wurden auch Tiere geschlachtet."

Kis war zwar als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter gemeldet, bekam jedoch weder Überstunden noch Wochenendzuschläge ausgezahlt.

Ausbeutung ist die Regel

Während der Erntezeit ist es auf vielen österreichischen Bauernhöfen üblich, Erntehelfer aus angrenzenden EU-Ländern zu beschäftigen. "Ausbeutung ist dabei eher die Regel als die Ausnahme, egal ob Bio oder herkömmliche Landwirtschaft", weiß Lilla Hajdu von der Produktionsgewerkschaft PRO-GE im Burgenland. "Es werden gezielt Arbeiter ausgewählt, die kein Deutsch sprechen – aber dennoch oft überqualifiziert sind."

Laut Kollektivvertrag für DienstnehmerInnen in den bäuerlichen Betrieben Burgenland steht den Arbeitnehmern ein Monatslohn von 1.177,92 Euro zu, das ist ein Stundenlohn von 6,80 Euro (brutto). Die Gewerkschaft unterscheidet zwischen Erntehelfern, die bis zu sechs Wochen angestellt werden und Saisonarbeitern, deren Vertrag bis zu sechs Monaten läuft.

Keine bundesweiten Gesetze

"Ein Grundproblem ist, dass Landarbeit nicht Bundes-, sondern Ländermaterie ist", meint PRO-GE Rechtsschutzsekretärin Susanne Haslinger. "Es gibt ein Landarbeitsgesetz und daraus resultieren neun Landarbeitsordnungen, in denen die arbeitsrechtlichen Grundsätze näher geregelt sind. Auch die Kollektivverträge sind länderweise abgeschlossen."

Gewerkschaft handelt nach Protest

Gewerkschaft handelt nach Protest

Im Jahr 2013 hatte in der Tiroler Gemeinde Thaur ein Protest von 50 Erntehelfern aus Serbien und Rumänien für Aufsehen gesorgt und damit den Stein ins Rollen gebracht. Die Erntehelfer demonstrierten für mehr Löhne und Sozialleistungen. Ein rumänischer Arbeiter kritisierte, dass man bis zu 15 Stunden täglich gearbeitet hatte, sechs Tage die Woche. Dafür hatten die Erntehelfer 1000 Euro im Monat bekommen. Nach Interventionen der Gewerkschaft und der Landarbeiterkammer wurde das ausstehende Geld schließlich ausgezahlt. "Es ist eine österreichweite Problematik", so Hajdu.

3,50 pro Stunde, keine Absicherung

"Die Landarbeiter erhalten oft pauschale Löhne, der Schnitt liegt zwischen 3,50 und 6,50 Euro pro Stunde." Sozialversicherung oder die Meldung beim Finanzamt würden oft mit 'kreativen Lösungen' umgangen. "Viele Arbeitgeber stellen zwei unterschiedliche Abrechnungen aus – eine für den Arbeitnehmer und eine korrekte für den Fall von Kontrollen", kritisiert Hajdu, selbst gebürtige Ungarin.

Bei Krankheit, Urlaub oder Arbeitsausfall aufgrund von schlechtem Wetter gibt es keinen Lohn. "Schwangerschaft, Unfall oder Krankheit sind Anlässe, um Leute zu kündigen."

Zu niedrige Produktpreise

Arbeitszeitaufzeichnungen über Teilzeitarbeit, wo die Leute angeblich pünktlich das Feld verlassen, stünden an der Tagesordnung. "Tatsächlich arbeiten sie zwölf, dreizehn Stunden. Fünf, sechs oder sieben Tage die Woche", so Haslinger, die von der Dreistigkeit mancher Obst- und Gemüsebauern immer wieder überrascht ist: "Diese Fälle zeichnen sich durch ein Ausmaß an Sturheit und Uneinsichtigkeit der Arbeitgeber aus, wie ich es außerhalb der Landwirtschaft nicht kenne." Die Gewerkschafterinnen sehen das Problem aber auch bei zu niedrigen Preisen, die Bauern für ihre Produkte erhalten, hier sei der Handel gefragt.

Zusammenarbeit mit Behörden

Initiative Sezonieri

Um ausländische Erntehelfer in Österreich besser zu informieren und zu unterstützen, gründete die PRO-GE gemeinsam mit Aktivisten in der Landarbeit die Initiative "Informationsportal für SaisonarbeiterInnen" (rumänisch für Saisonarbeiter). Die Kampagne wird im Burgenland, in der Steiermark, in Tirol und in Niederösterreich, gemeinsam mit lokalen Nichtregierungsorganisationen durchgeführt.

Ziel der Kampagne ist es, Erntehelfer über ihre Rechte zu informieren und die bestehenden rechtlichen Regeln zu gewährleisten. Dazu gehören angemessene Bezahlung, Arbeitsschutz sowie menschenwürdige Behandlung und Unterbringung.

Keine Frist für Hilfe

Plakate und Broschüren in ungarischer, serbischer und rumänischer Sprache machen die Erntehelfer auf ihre Rechte aufmerksam; regelmäßig gibt es auch Aktionen, bei denen Gewerkschafter und Aktivisten die Erntearbeiter direkt auf den Feldern ansprechen. Innerhalb der Sezonieri-Kampagne gibt es für die Hilfesuchenden keine Fristen, um von der Gewerkschaft Hilfe zu erlangen.

"Üblicherweise gilt ein Minimum von sechs Monaten Mitgliedschaft, um den kostenlosen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können", erklärt Hajdu. Für Erntehelfer jedoch gilt die Mitgliedschaft ab Tag eins. "Gerichtlich ist alles sehr langwierig", ergänzt Susanne Haslinger.

Klagen und Kooperationen

"Wenn wir etwas einklagen, dauert das Monate bis Jahre. Das ist natürlich schwierig, denn in der Zwischenzeit sind die Betroffenen oft schon wieder zuhause." Die Gewerkschafterinnen betonen, dass die Zusammenarbeit mit Behörden wie Krankenkasse oder der land- und forstwirtschaftlichen Inspektion unerlässlich seien.

"Wenn klar ist, die Arbeitnehmer können keine Probleme mit der Fremdenpolizei bekommen, weil sie EU-Bürger sind, dann ist das ein guter Weg. Denn Behörden können schnell reagieren."

Vor Ort im Seewinkel

Vor Ort im Seewinkel

Wir waren bei einer Feldaktion der Sezonieri-Aktion dabei. Im burgenländischen Seewinkel wurden Landarbeiter und -arbeiterinnen auf den Feldern, in Hallen und Folientunnels angesprochen und mit Infofoldern versorgt. Das Interesse war überall groß – "endlich seid ihr da" zeigte sich eine Ungarin erleichtert.

Informationsbedarf groß

"Können wir uns anonym melden?" Die Zurückhaltung war allgegenwärtig. Offensichtlich war die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, groß. Denn bei fast allen Arbeitsgruppen, war ein Vorarbeiter oder gar der Bauer anwesend. Bis auf eine Ausnahme, wo wir sogleich vertrieben wurden, ließen sie es mehr oder weniger wohlwollend zu, dass die Infofolder verteilt wurden, die Dolmetscherin konnte mit ein paar Leuten einige Worte wechseln. Mehr nicht. Nicht wenige hätten gerne ihr Herz geöffnet oder genauere Informationen erhalten. Doch es blieb bei vorsichtigen Anfragen. "Ich kann jetzt nicht reden."

Name muss nicht angegeben werden

Immerhin aber haben Dutzende Arbeitskräfte, hauptsächlich aus Ungarn und Rumänien, jetzt die Möglichkeit, die Sezonieri-Kampagne zu kontaktieren und um Rat zu fragen – anonym. Und auch für die Arbeitgeber sei es wichtig zu sehen, dass jemand da ist, der sich um die Rechte der Arbeitskräfte kümmert, so ein Gewerkschaftsfunktionär der PRO-GE. Viele seien selbst nur mangelhaft über Gesetz und Kollektivvertrag informiert.

Foodcoops: Fixe Mitarbeiter

Gemeinsam einkaufen und landwirtschaften

Es gibt rund 60 Foodcoops in ganz Österreich, deren Mitglieder den Einkauf von ökologischen Lebensmitteln gemeinschaftlich bei regionalen Bauern organisieren. "Grundsätzlich sind gerechte Arbeitsbedingungen für Lohnarbeitskräfte für alle Foodcoops ein Hauptkriterium bei der Auswahl von Lieferanten", so ein Foodcoop-Sprecher. Als Maßstab dafür wird in der Regel der Kollektivvertrag genommen.

Fixe Mitarbeiter

"In der Praxis haben wir keine großen Möglichkeiten, das zu überprüfen, letzten Endes müssen wir uns auf das Wort des Bauern oder der Bäuerin verlassen". Allerdings hätten alle bekannten Betriebe fixe Mitarbeiter, die seit mehreren Jahren jede Saison dabei sind, in der Regel aus Tschechien, Slowakei und Ungarn.

Solidarische Landwirtschaft

Der Ochsenherz: solidarisches Landwirtschaftsprojekt ist ein gemeinschaftlich organisierter Demeter Landwirtschaftsbetrieb in Gänserndorf. Das Vorbild für diese Wirtschaftsform ist die Community Supported Agriculture (CSA) aus den USA. Österreichweit gibt es derzeit 26 Landwirtschaftsbetriebe, die nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft organisiert sind.

Am Gärtnerhof Ochsenherz finanzieren und unterstützen etwa 300 Menschen als Ernteteiler Anbau und Pflege des Gemüses, mit dem die Gärtner die ganze Gemeinschaft versorgen. "Bei uns sind zum Großteil Österreicher und ein rumänisches Ehepaar angestellt – allerdings das ganze Jahr über", sagt Monika Mühr von Gela Ochsenherz.

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