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Elektroauto an E-Ladesäule
Ein Knackpunkt hinsichtlich der Akzeptanz von Elektroautos: Ladeinfrastruktur und -dauer. Bild: aanbetta / shutterstock.com

E-Autos in der Praxis - "E-Mobilität bedeutet, anders zu denken"

| 2 Kommentare

Das Für und Wider wird nicht erst seit dem EU-Beschluss zum Ende der Verbrennungsmotoren heftig diskutiert. Wir wollten wissen, wie sich ein E-Auto in den Alltag einfügt.

An den Zahlen gemessen sind E-Autos keine große Sache. Per Ende April 2022 waren hierzulande rund 85.800 rein elektrisch betriebene Pkw zugelassen (Quelle: Statistik Austria). Das entspricht rund 1,7 Prozent des Gesamtbestands von 5,1 Millionen. Das Thema ist allerdings emotional aufgeladen, was mitunter zu hitzigen und nicht immer sachlichen Diskussionen führt. Die wollten wir hier beiseitelassen.

Es gibt nämlich auch die gar nicht so kleine Gruppe der Unentschlossenen und Zweifler, die sich nicht vorstellen können, wie sich ein E-Auto im Alltagseinsatz bewähren kann. Da wir die Antwort darauf ebenfalls nicht kannten, haben wir jemanden mit langjähriger praktischer Erfahrung gesucht und gefunden.

Ein neuer Lebensstil

Für Bauingenieur Walter Burger ist Elektromobilität schon seit 2013 Alltag. Sein grundsätzliches Interesse wurde im Jahr davor geweckt, als sein Geschäftspartner ihn mit seiner Begeisterung für ein bestimmtes E-Auto-Modell neugierig machte. Konkret handelte es sich um einen Tesla Roadster. Nach einem Wochenende mit diesem Sportwagen war auch Herr Burger begeistert.

Allerdings hätte er seine Familie darin schwer untergebracht. Zugleich war das Model S von Tesla in den USA bereits vorgestellt worden. Die ersten Kunden berichteten in den Online-Foren so begeistert, dass auch Herr Burger sich dafür entschied, ohne das Auto in natura gesehen zu haben. Damit begann für ihn zugleich ein neuer Lebensstil.

Wo laden?

Einteilung und Organisation sind laut Burger zwei wichtige Faktoren für Fahrer von Elektroautos. Wobei das Laden daheim nicht anders als der Umgang mit einem Handy sei: "Wenn man abends nach Hause kommt, steckt man es automatisch an." – Das Vorhandensein einer privaten Lademöglichkeit natürlich vorausgesetzt.

Spannend wird es unterwegs. Da es bei den Ladestationen große Unterschiede bezüglich der Kosten gibt, versucht Herr Burger, dort Strom zu tanken, wo seiner Meinung nach das Gesamtpaket stimmt. Bevor er eine längere Fahrt antritt, plant er mithilfe der App, wo er voraussichtlich haltmachen wird. Zwar hat er laut Vertrag auch die Möglichkeit, zu einer Tesla-eigenen, kostenlos nutzbaren E-Ladestelle zu fahren, aber manchmal passt eine andere Ladestation besser in die eigene Planung.

Tatsache sei nämlich, dass der Mensch mehr Pausen brauche als die Maschine, sagt Herr Burger und erzählt von der letzten Urlaubsfahrt nach Kroatien: "Die Kinder wollten unbedingt Pause machen, weil wir schon so lange unterwegs waren. Da wir sowieso in absehbarer Zeit nachladen mussten, fiel die Wahl auf eine Ladestation, die neben einem McDonald‘s war.“ Es muss ja nicht immer Fastfood sein, aber jedenfalls lässt sich das Angenehme mit dem Notwendigen verbinden.

"Man kann keine 1.000 km durchfahren, weil die Fahrsicherheit leidet, auch wenn man es selbst gar nicht merkt.“ Einmal habe er versucht, mit einer Akkuladung die 385 km vom Wintersportort bis nach Hause zu fahren. Fazit: „Es ist gelungen, aber rückblickend hätten eigentlich alle Insassen lieber eine Pause eingelegt."

Kosten und Energieeffizienz

Der wohl größte Unterschied zwischen einem E-Auto und einem Verbrenner sind die laufenden Kosten. Elektroautos seien zwar in der Anschaffung teurer, aber hinsichtlich der laufenden Kosten wesentlich günstiger, weil man seltener in die Werkstatt müsse. Einen klassischen Service kenne ein E-Auto – zumindest ein Tesla – zum Erhalt der Garantie gar nicht.

"Teile der Autoindustrie möchten uns weismachen, wir könnten zum Beispiel jetzt auf der Stelle nach Paris fahren – nur noch schnell tanken und los geht’s. Das, sagen sie, sei mit einem Elektroauto nicht möglich. Theoretisch stimmt das auch", meint Herr Burger. "Doch wer von uns möchte tatsächlich so spontan in den Urlaub fahren? Bevor man für längere Zeit verreist, muss man dementsprechend viel packen. Während dieser Zeit kann das E-Auto laden und man kann letztlich genauso schnell losfahren."

Auf Kurzstrecken wird laut Burger vergleichsweise mehr Strom fürs Temperieren von Akku und Fahrgastraum gebraucht. Auf Langstrecken, wenn die Temperatur nur mehr gehalten werden müsse, falle dies viel weniger ins Gewicht. "Auch kann man das Fahrzeug – sofern die Hersteller-App dies zulässt – optimiert laden, sodass es erst kurz vorm Wegfahren fertig ist. Auf diese Weise kommt es frisch von der Steckdose, der Akku ist bereits temperiert und der Fahrgastraum entsprechend klimatisiert."

Aufgrund der in vielen E-Auto-Modellen standardmäßigen Wärmepumpe stellen auch Staus nur bedingt ein Problem dar. „Beim Verbrenner muss der Motor weiterlaufen und verbraucht Treibstoff“, so Burger. „Beim E-Auto wird die Energie nicht als Nebenverbraucher vom Hauptmotor bereitgestellt, sondern direkt aus der Batterie.“ Die Klimatisierung könne überhaupt vernachlässigt werden. Bei der Heizung sei es zwar etwas anders, aber der Hauptverbraucher, also der Motor, benötige beim Stehen keine Energie. „Es muss schon ein sehr ungünstiger Zufall sein, dass einerseits die Batterie fast leer ist und man zur selben Zeit in einen Stau kommt, in dem geheizt werden muss. Wenn dann der Verkehr wieder langsam anrollt, kommt hinzu, dass der E-Antrieb vor allem bei niedriger Geschwindigkeit sehr effizient ist. In Summe ist das Problem sicher nicht schlimmer, als wenn man mit Tankanzeige ‚Reserve‘ in einen Stau gerät.“

Berg- und Talfahrten

Auch für Bergfahrten hat Herr Burger Tipps parat: "Grob gerechnet kosten 100 Höhenmeter 4 Kilometer Reichweite, aber bergab kommen je 100 Höhenmeter wieder 3 Kilometer zurück in die Batterie. Und man benötigt, wenn man sein Auto ein bisschen kennt, beim Bergabfahren tatsächlich keine mechanische Bremse. Es funktioniert mit der Energierückgewinnung allein und schont noch dazu die Verschleißteile", erklärt Burger. Diese 4-zu-3-Regel, wie er sie nennt, hat er sowohl theoretisch berechnet als auch praktisch überprüft. Was man immer beachten sollte: Das Auto oben auf dem Berg nicht vollständig laden, denn das wäre Verschwendung. Dies gilt im Übrigen nicht nur für Ausflügler, sondern auch für alle, die auf einem Berg wohnen.

Restreichweite oft unzuverlässig

Unerlässlich ist für Herrn Burger eine zuverlässige Prognose, mit welchem Akkustand er am Ziel ankommen wird. Das gibt ihm ein Gefühl der Sicherheit. Aufgrund seiner Erfahrungen mit seinem ebenfalls elektrischen Dienstwagen weiß er, dass nicht jede Software gleich gut arbeitet: "Der Dienstwagen bezieht weder die Routendaten mit ein noch Randbedingungen wie die Außentemperatur. Somit ist die Anzeige der Restreichweite sehr unzuverlässig." Aus diesem Grund kann er die Unsicherheit vieler Menschen gegenüber der Elektromobilität nachvollziehen. Hier gibt es für ihn noch Nachholbedarf seitens der Hersteller.

Vor allem auch für Vielfahrer

„Viele denken, das Zweitauto für Kurzstrecken könne elektrisch sein. Ja schon, aber vor allem das Auto, das viel bewegt wird, sollte elektrisch sein“, so Burger. „Echte Vielfahrer mit 50.000 Kilometern Jahresfahrleistung und mehr sind ständig an der Tankstelle, und das oft dann, wenn sie sowieso keine Zeit haben. Genau diese Gruppe berichtet, dass sie das E-Auto zu Hause, im Büro und an den häufig angefahrenen Destinationen einfach einsteckt und somit von dort immer mit vollem Akku startet. Und die Zeit, die dann dennoch an der Ladesäule verbracht wird, ist übers Jahr gesehen geringer als jene, die sie früher an der Tankstelle waren.“

Wo wird’s schwierig?

"Wenn man weder am Arbeitsplatz noch zu Hause aufladen kann und auf die öffentlichen Stationen angewiesen ist. Das kostet Zeit und Geld, im Schnitt etwa doppelt so viel wie das Aufladen zu Hause. Und wenn zu viele Leute bloß öffentlich laden können, nehmen sie jenen die Kapazitäten weg, die unterwegs sind und sie gerade dringend bräuchten."

Herr Burger versucht keinesfalls, andere zu bekehren, und kann sich durchaus auch für andere Antriebstechniken begeistern. Eine Einschränkung seines Alltags sieht er durch das E-Auto nicht gegeben. Klar sein müsse allerdings, dass der Umstieg auf ein E-Auto eine Umstellung bedeute. Mehr noch: "E-Mobilität bedeutet, anders zu denken." Er selbst hat seine schon vor neun Jahren getroffene Entscheidung jedenfalls nicht bereut und den Umdenkprozess längst hinter sich. Elektromobilität ist für ihn somit ein selbstverständlicher Teil seines Familien- und Berufslebens.

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2 Kommentare

Lademöglichkeiten auf Urlaubsreise in AT

wrzmly, 22. August 2022, 19:08

...und dann wars das, also die Sache mit dem E-Auto. Schnelllader in Österreich - zB auf den Weg nach Kärnten - Mangelware. Aber: 2,5 Stunden Wartezeit damit man einen von den drei Ladeplätzen bekommt (der vierte war nur auf der App angezeigt, real war das ein Betonblock, sonst nix). Oder nach Kroatien: anstellen hinter sieben deutschen E-Autos....Oder 3,7 kW Ladesäule, mit Parkzeitbegrenzung von 1,5 Stunden. Fazit: Wir können E-Mobilität (zumindest noch) nicht. Kanns kaum erwarten, dass der Leasingvertrag endet.

preis

doced, 22. Juli 2022, 16:07

realistisch betrachtet ist für die meisten Autofahrerinnen ein Elektroauto einfach im Ankauf nicht leistbar - die "preiswerteren" Kleinwagen können weder Anhänger ziehen noch sonstige Lasten transportieren und mit etwas schlechteren Strassen / Wegen umgehen, womit sie im ländlichen Bereich nicht vernünftig einsetzbar sind ... tja und in der Stadt braucht es dann den Garagenplatz mit Lademöglichkeit ... bitteschön das ist WESENTLICH teurer als ein "Verbrenner" und es ist ziemlich asozial den Zugang zu Individualverkehr zunehmend nur mehr Besserverdienerinnen zu ermöglichen
dr. edmund l. j. rinnerbauer

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