"Hoffnung wirkt immer." - KONSUMENT im Gespräch mit Dr. Martina Kronberger-Vollnhofer, MSc (Pall. Care),
Kinderhospizbeauftragte für Österreich, Geschäftsführerin und Ärztin bei MOMO, einem mobilen Kinderhospiz in Wien.
KONSUMENT: Was bedeutet der Name MOMO und seit wann gibt es das mobile Kinderhospiz?
Kronberger-Vollnhofer: Der Name stammt von Michael Ende und seinem berühmten Roman „Momo“, der
1973 erschienen ist. Dort bringt ein Mädchen namens Momo den Menschen die von den grauen Herren gestohlene Zeit zurück. Momo ist immer da, sie nimmt sich Zeit für ihre Freunde und kann gut zuhören. Alles Fähigkeiten, die auch in der Hospizarbeit wichtig sind. Wir können unseren Patienten zwar nicht Lebenszeit zurückgeben, aber für eine Verbesserung ihrer Lebensqualität sorgen. MOMO gibt es seit März 2013. Unser mobiles Kinderhospiz ist eine gemeinsame Gründung von Caritas, Caritas Socialis und der mobilen Kinderkrankenpflege MOKI in Wien.
Wie kommen Eltern, die für ihr schwer krankes Kind Hilfe brauchen, zu Ihnen?
Meist erfolgt der Kontakt über Spitäler und zwar schon lange bevor das betroffene Kind in die häusliche Betreuung entlassen wird. Damit sind wir von Anfang an Teil des Betreuungsteams und haben genügend Zeit, uns gemeinsam mit den Pflegenden von MOKI-Wien zum Beispiel um die Beschaffung von Hilfsmitteln oder von Medikamenten zu kümmern. Dass Eltern direkt bei uns anrufen, weil sie von uns gehört haben oder wir ihnen empfohlen wurden, kommt eher selten vor. Aber selbstverständlich gibt es auch diese Möglichkeit.
Wer sind Ihre Patienten?
Die meisten der von uns betreuten Kinder wurden viel zu früh geboren und sind aufgrund von Komplikationen meist schwer behindert. Andere leiden unter angeborenen neurologischen oder muskulären Erkrankungen sowie Herz- oder Nierenerkrankungen. Einige sind nach einem schweren Unfall stark beeinträchtigt. Natürlich kümmern wir uns auch um Kinder mit Krebserkrankungen, aber davon ist nur ein kleiner Teil unserer Schützlinge betroffen.
Gibt es Unterschiede in der Betreuung von schwer kranken oder sterbenden Kindern und Erwachsenen?
Ja, und zwar große, denn die Palliativversorgung von Kindern funktioniert ganz anders. Hier werden Patienten betreut, die an einer lebensverkürzenden oder lebensbedrohenden Krankheit leiden. Ein vorzeitiger Tod ist möglich – es kann aber auch Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis es so weit ist. Unsere Arbeit hat daher mehr mit dem Leben als mit dem Sterben zu tun. Der Tod wird bei der Diagnose thematisiert und selbstverständlich immer auch dann, wenn die Familie darüber sprechen möchte. Im Zentrum unserer Arbeit steht aber die Lebensqualität, und zwar nicht nur jene des kranken Kindes, sondern auch jene der Geschwister, für die häufig zu wenig Zeit und damit auch Aufmerksamkeit bleibt. Außerdem geht es auch darum, wie die Eltern unter solchen Umständen weiter ein Paar sein können. Versorgung bedeutet in diesem Fall daher nicht nur medizinische und pflegerische Betreuung, sondern auch Unterstützung bei der Bewältigung von schwierigen psychosozialen Situationen.
Wer arbeitet bei MOMO?
Derzeit sind bei uns vier Ärztinnen – davon drei Kinderärztinnen und eine Palliativmedizinerin – beschäftigt. Außerdem eine Sozialarbeiterin und eine Koordinatorin für die ehrenamtlichen Mitarbeiter. Wir haben etwa 35 ehrenamtliche Mitarbeiter. Jene, die als Hospizbegleiter tätig sein wollen, müssen einen Kurs für Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung absovieren. Daran schließt sich ein Aufbaukurs für die Begleitung von Kindern und ihren Familien an. Jeder unserer Ehrenamtlichen betreut jeweils eine Familie. Zu unserem Team gehören aber auch eine Seelsorgerin und demnächst eine Psycho- bzw. Kinderpsychotherapeutin sowie eine Physiotherapeutin. Die Pflege vor Ort übernimmt bei uns die mobile Kinderkrankenpflege MOKI-Wien.
Wie viele Familien betreuen Sie?
Momentan haben wir 35 Familien in intensiver Betreuung. Die wichtigste Frage ist für uns immer: Was erwartet eine Familie von uns? Was braucht sie? Sind Ressourcen vorhanden, die genützt und ausgebaut werden können? Zu Beginn unserer Tätigkeit sind wir oft vor Ort. Wenn alles gut klappt, ziehen wir uns zurück und kommen z.B. nur noch einmal im Monat. Bei Krisen wird die Betreuung dann wieder intensiviert. Auch der Fokus in der Betreuung wechselt: Manchmal stehen medizinische Probleme im Vordergrund, dann wieder psychosoziale Aspekte. Auch die regelmäßige ehrenamtliche Hospizbegleitung hat einen hohen Stellenwert. Sie gibt Sicherheit und stellt eine Verbindung mit dem gesamten Betreuungsteam her.
Mit welchen Kosten müssen die Eltern rechnen?
Für Leistungen, die die mobile Kinderkrankenpflege MOKI-Wien erbringt, müssen die Eltern einen Selbstbehalt übernehmen. MOMO selbst finanziert sich ausschließlich über Spenden.Unsere Betreuung ist für die Familien mit keinen Kosten verbunden.
Was passiert, wenn es zu Hause nicht mehr geht?
Da die Palliativversorgung für Kinder noch im Aufbau begriffen ist, gibt es derzeit noch kein stationäres Kinderhospiz. Im Landeskrankenhaus Mödling stehen insgesamt 3 Palliativbetten zur Verfügung. Mit dieser Abteilung, aber auch mit den anderen Kinderabteilungen in den Wiener Spitälern gibt es eine sehr gute Kooperation, sodass die Kinder in Krisensituationen jederzeit stationär aufgenommen werden können. Das gilt auch, wenn ein stationärer Aufenthalt ansteht, um verschiedene Untersuchungen oder Eingriffe geplant durchzuführen.
Wie betreuen Sie, wenn ein Kind sterben muss?
Manchmal ist unsere Betreuung auch sehr kurz und wir begleiten das Kind und seine Familie beim Sterben. Das betrifft beispielsweise Kinder mit Krebserkrankungen oder schweren angeboren Fehlbildungen. In diesen Fällen geht es hauptsächlich um Schmerzbekämpfung und Symptomlinderung. Außerdem um die Entwicklung von Notfallplänen gemeinsam mit der Familie und um die Sicherheit, nicht allein zu sein. Aus Erfahrung wissen wir, dass in dieser belastenden Situation die Hoffnung ein wichtiger Anker ist. Hoffnung wirkt immer, selbst dann, wenn sie sich nicht erfüllt. Ohne Hoffnung sind schwierige Lebensphasen kaum auszuhalten.
Endet Ihre Arbeit mit dem Tod?
Nein, wir sind auch dann für die gesamte Familie da, wenn ein von uns betreutes Kind stirbt. Gerade bei jungen Patienten ist das System Familie von großer Bedeutung. Wir kümmern uns daher auch um die Geschwister und die Eltern.
Was ist in der Hospiz- und Palliativversorgung für Kinder und Jugendliche bereits umgesetzt?
Derzeit werden lediglich in zwei Bundesländern – in Niederösterreich und der Steiermark – mobile Palliativteams von der öffentlichen Hand finanziert. In allen anderen Bundesländern gibt es entweder keine Angebote oder die bestehenden Einrichtungen sind ausschließlich auf Spenden angewiesen. Gemäß internationalen Standards sollten den betroffenen Familien auch in Österreich flächendeckend Palliativ- und Hospizeinrichtungen für Kinder und Jugendliche kostenlos zur Verfügung stehen. Zu schaffen ist das aber nur mit einer ausreichenden öffentlichen Finanzierung.