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24-Stunden-Betreuung - Holpriger Weg zu guter Pflege

, aktualisiert am

Altenpflege: Anbieter von 24-Stunden-Pflege - das zeigt unsere Erhebung - lassen sich nur ungern in die Karten schauen. Was man vor einer Vertragsunterzeichnung mit einem Pflegedienst unbedingt beachten sollte.

Die Lebenserwartung in Österreich steigt, und immer mehr betagte Menschen wollen den letzten Lebensabschnitt in den eigenen vier Wänden verbringen.

Heimhilfe rund um die Uhr

Viele Betroffene sind auf eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung angewiesen, dies ist meist nur mit professioneller Unterstützung möglich. In Österreich bieten dazu Dutzende von Agenturen und Vereinen ihre Dienste an. Da ist es schwer, den Überblick zu bewahren, zumal Angebot und Kosten – wie unsere Umfrage in KONSUMENT 2/2012 bereits zeigte – höchst unterschiedlich und teilweise undurchsichtig sind.

20 Pflegeanbieter kontaktiert

Damals hatten wir Pflegeanbietern in ganz Österreich einen Fragebogen zukommen lassen, wir mussten uns also auf deren Angaben verlassen. In unserer aktuellen Erhebung wollten wir herausfinden, wie es einem Kunden ergeht, der nach einer geeigneten 24-Stunden-Betreuung sucht.

Werden wichtige Informationen zu Leistungen und Kosten gegeben, erhält man auch ein schriftliches Angebot? Unsere Testperson kontaktierte insgesamt 20 zufällig ausgewählte 24-Stunden-Pflegedienste. Für ein betagtes Familienmitglied mit Pflegestufe III sollte eine 24-Stunden-Betreuung im ländlichen oberösterreichischen Raum gefunden werden.

Hilfswerk: kein Anschluss unter dieser Nummer

Bereits der Versuch der telefonischen Kontaktaufnahme erwies sich einige Male als Stolperfalle. Bei einem kleineren Anbieter in Oberösterreich war die angegebene Rufnummer falsch. Bei der Hilfswerk Dienstleistungs- GmbH in Wien versuchten wir unser Glück über die auf der Homepage genannten beiden Rufnummern vergebens.

Nach fünf erfolglosen Versuchen (eine Sprachbox war nicht aktiviert), kontaktierten wir das Hilfswerk Österreich direkt. Dort wurde angeboten, die Anfrage weiterzuleiten. Der versprochene Rückruf erfolgte jedoch nie, was uns verwunderte, da es sich um einen der in Österreich bekanntesten Anbieter handelt. Eine andere Organisation gab an, nur in Wien und Nieder­österreich tätig zu sein und empfahl uns, Hilfswerk, Volkshilfe oder Caritas zu kontaktieren.

Vertrag überprüfen lassen

Keine schriftliche Information

Mit 16 Anbietern kam es zu einer Kontaktaufnahme. Fast alle gaben an, innerhalb von 2–3 Tagen eine Betreuung organisieren zu können. Bei drei Agenturen erhielt unsere Testperson telefonisch so gut wie keine Informationen. Bei Helpfamily Kft (Ungarn) sprach die Kontaktperson ein kaum verständliches Deutsch. Schließlich wurde uns per Mail ein Fragebogen zu persönlichen Daten zugeschickt, den wir ausfüllten und mit der Bitte um einen unverbindlichen Kostenvoranschlag retournierten. Bis heute erhielten wir keine Antwort. Beim Wiener Hauskrankenservice (Mag. Tichanek) war am Telefon ebenfalls wenig in Erfahrung zu bringen.

Zunächst wurde um ein Erstgespräch in den Büroräumlichkeiten der Agentur ersucht, bei dem die zu betreuende Person anwesend sein sollte. Dies lehnten wir mit Hinweis auf deren Konstitution ab. Daraufhin wurden wir gebeten, alle für die Pflege relevanten Informationen (Pflegeanamnese) per E- Mail zu schicken. Wir baten im Gegenzug um die Zusendung eines unverbindlichen Kostenvoranschlags, den wir nie erhielten. Auch die Auskunft, die unsere Testerin beim Verein pflegende Hände (Wien) erhielt, war dürftig. Eine Betreuung, so wurde uns gesagt, käme auf 2.300 Euro im Monat plus Fahrtspesen, Näheres fände sich auf der Homepage.

Fixe Vertragszusage

Bei LK Design (Bratislava) kamen wir ebenfalls nicht über ein Telefonat hinaus. Der Bitte unserer Testperson nach weiterführenden schriftlichen Informationen wollte man nur nachkommen, wenn persönliche Daten übermittelt würden. Dies erschien uns zu riskant, da nicht klar war, ob sich daraus bereits ein Vertragsverhältnis ergeben könnte. Bei der Agentur von Ingrid Fabianova (SLK) wurde dagegen Klartext geredet: Schriftliche Informationen gebe es nur gegen eine fixe Vertragszusage, weshalb wir den Kontakt abbrachen. Beim Guten Engel (Bruck a. d. Leitha) erhielten wir am Telefon umfassende Informationen. Auch über die zu erwartenden Kosten wurde aufgeklärt. Ein Vermittlungsvertrag wäre uns hier allerdings ebenfalls erst nach einer fixen Zusage zugeschickt worden.

Ein Vertrag zugeschickt

Sieben Anbieter ließen uns nähere Informationen (zu Kosten, Förderungen, Selbstständigkeit der Betreuer, Anmeldeformalitäten usw.) schriftlich (per E-Mail bzw. Post) zukommen. Eine einzige Agentur (Südböhmische Volkspflege) übermittelte den Vermittlungsvertrag, ohne dass wir dafür eine feste Zusage geben mussten. Von einem deutschen Institut (Pflege Institut) erhielten wir die Auskunft, dass sie selbstständiges Personal vermitteln könnten. Die zugesandten Informationen bezogen sich dann allerdings auf in Polen angestellte Pflegekräfte.

Hartnäckigkeit ist gefragt

Fazit: Wer mit einer Einrichtung für 24-Stunden- Pflege Kontakt aufnimmt, braucht Geduld und Hartnäckigkeit. Weiterführende Informationen werden (wenn überhaupt) meist nur zaghaft gegeben. Einen Überblick über Leistungen bzw. Vertragsmodalitäten erhält man häufig nur durch intensive Nachfrage. Schriftliche Informationen werden zwar gelegentlich versprochen, auf sie wartet der Klient dann allerdings oft vergeblich. Ein verbindlicher Kostenvoranschlag wurde uns nie ausgehändigt. Bei den mündlich genannten Kosten war teilweise nicht klar, ob sich diese auf die Vermittlung von einer oder zwei Betreuungspersonen beziehen. Dies gilt auch für Fahrtkosten oder Beiträge für die Sozialversicherung.

Vor der Unterzeichnung beachten

Was Sie bei der Suche nach einer geeigneten 24-Stunden-Betreuung beachten sollten:

  • Zeichnet sich in der Familie Betreuungs- bzw. Pflegebedarf ab, sollten Sie umgehend mit der Suche nach einer geeigneten Betreuung beginnen.
  •  Erstellen sie eine Checkliste, die alle zusätzlich zur Pflege zu erbringenden Tätigkeiten (Kochen, Putzen, Einkaufen, Behördengänge, Gartenarbeiten usw.) enthält.
  • Klären sie den Umfang der Pflege ab. Sinnvoll ist es, den Pflegebedarf vom Hausarzt bzw. betreuenden Arzt erheben zu lassen.
  • Persönliche Daten der zu betreuenden Person (Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer usw.) sollten Sie erst bekanntgeben, wenn Sie sich für eine Vermittlung entschieden haben. Eine Kostenabschätzung sollte anhand der erstellten Checkliste ohne Angabe persönlicher Daten möglich sein. Klären Sie dabei auch ab, ob etwa Fahrtkosten zu entrichten sind, wenn die Betreuungskraft erkrankt ist.
  • Lesen Sie den Vermittlungsvertrag vor der Unterzeichnung genau durch und lassen Sie ihn prüfen. Dies ist beim Verband der österreichischen selbständigen Betreuer und Pfleger kostenlos möglich.
  • Klären Sie, ob Angehörige in die Betreuung eingebunden sind. Müssen Betreuer beim Wechsel abgeholt werden, verfügen die Pflegkräfte über Führerschein und Fahrpraxis und können sie die zu betreuende Person etwa zum Arzt oder Frisör chauffieren?
  • Klären Sie Haftungsfragen ab. Was geschieht, wenn Sie mit der Leistung der Betreuer unzufrieden sind oder wenn diese nicht wie vorgeschrieben arbeiten? Erkundigen Sie sich, ob bei einem Wechsel der Betreuungskraft erneut Vermittlungsgebühren anfallen.
  • Achten Sie auf Bindungsfristen, Kündigungsfristen oder Rückforderungsansprüche. In vielen Verträgen wird bei Kündigung oder Tod der zu betreuenden Person ausgeschlossen, dass voraus bezahltes Entgelt rückerstattet wird. Derartige Klauseln sind grob benachteiligend. Der Vertrag hat Bestimmungen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses zu enthalten, wobei zwingend vorzusehen ist, dass der Personenbetreuungsvertrag durch den Tod der betreuungsbedürftigen Person aufgelöst wird. Im Voraus gezahltes Entgelt ist anteilig zu erstatten. E benfalls sollte eine Klausel enthalten sein, die beiden Vertragsteilen eine Kündigung unter Einhaltung einer zweiwöchigen Frist zum Ende eines Kalendermonats ermöglicht.
  • Achten Sie auch auf Konkurrenzklauseln im Vertrag. Diese sind für den Konsumenten gröblich benachteiligend. Betreuungskräfte sind in den meisten Fällen selbstständig und haben daher auch kein Arbeitsverhältnis mit der Vermittlung. Konkurrenzklauseln könnten auf eine Scheinselbstständigkeit hinweisen.
  • Schließen Sie bei selbstständigen Betreuern unbedingt einen Werkvertrag ab. Für diesen gibt es Vorlagen (Werkvertrag über Leistungen in der Personenbetreuung gemäß § 159 GewO), die vom Bundesministerium für Soziales zur Verfügung gestellt werden.
  • Überprüfen Sie, ob die Betreuungskräfte auch gemeldet sind (Mitgliedsnummer bei der Wirtschaftskammer).
  • Zahlen Sie die Honorare direkt an die Betreuer und lassen Sie sich eine Honorarnote ausstellen (inkl. Sozialversicherung und Fahrtkosten). Bei Vermittlungen, die für die Betreuer die Honorare „kassieren“, könnte eine Scheinselbstständigkeit vorliegen.

Verträge überprüft

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums Verträge zur 24-Stunden- Betreuung überprüft. Dabei zeigte sich, dass einige Vermittlungsagenturen teilweise sittenwidrige bzw. sogar ungesetzliche Klauseln in ihre Verträge einbauen. Dies gilt sowohl für österreichische als auch ausländische Agenturen. Als problematisch erachten wir etwa Konkurrenzklauseln, wonach Betreuungspersonal nach Kündigung eines Vertrags mit einer Agentur vom Kunden nicht mehr beschäftigt werden darf, sowie sich daraus ergebende Konventionalstrafen.

Weiter beanstanden wir Haftungsausschlüsse, wenn sich etwa vermitteltes Personal als ungeeignet erweist sowie Kündigungsfristen von unter zwei Wochen am Ende jedes Kalendermonats. Dies ist unserer Ansicht nach ungesetzlich. Besondere Sorgfalt ist bei Agenturen mit Sitz im Ausland angezeigt, da die Durchsetzung des Rechts hier erschwert ist. Grundsätzlich sollten Verträge nur dann unterschrieben werden, wenn sie in verständlicher Sprache abgefasst sind. Empfehlenswert ist es auch, sich den zwischen Agentur und Pflegepersonal abgeschlossenen Vertrag zeigen zu lassen, da auch hier problematische Passagen (z.B. Konkurrenzklausel) eingebaut sein können.

Zusammenfassung

  • Checkliste. Bevor Sie mit der Suche nach einer geeigneten 24-Stunden- Betreuung beginnen: Stellen Sie eine detaillierte Checkliste zusammen, die alle Anforderungen enthält.
  • Schriftliche Informationen. Viele Agenturen und Vereine, die 24-Stunden- Betreuung anbieten, geben nur äußerst zögerlich Informationen heraus und verlangen persönliche Informationen und Vorabzusagen. Geben Sie keine persönliche Daten (z.B. Sozialversicherungsnummer) heraus und beharren Sie auf schriftlichen Unterlagen.
  • Vertrag prüfen. Unterzeichnen Sie den Vertrag nicht ohne vorherige Prüfung, dies ist kostenfrei beim Verband der österreichischen selbständigen Betreuer und Pfleger möglich.

Leserreaktionen

Überlastung möglich

Das Hilfswerk wird im Artikel betreffend Erreichbarkeit kritisiert. Tatsächlich kann es aufgrund der enormen Anzahl an telefonischen Beratungsgesprächen (es werden von einem relativ kleinen Team derzeit über 500 Kunden und mehr als 1.000 Personenbetreuer sowie Interessenten auf Kundenseite und Personenbetreuungsseite betreut) im Büro der Hilfswerk-Personaldienstleistungs-GmbH zu Überlastungen kommen. Zusätzlich hatten wir während Ihrer Recherche im Mai 2012 auch technisch bedingte Telefonstörungen, die mittlerweile behoben sind.

In jedem Fall nehmen wir Ihre Kritik bezüglich Erreichbarkeit ernst und werden die entsprechenden Ressourcen verstärken.

Mag. Walter Marschitz
Hilfswerk Österreich
Wien
(aus KONSUMENT 11/2012)

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