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Handyhersteller im Ethik-Test - Technik hui, Ethik pfui

  • Immer neue Handyfunktionen werden erfunden
  • Aber nur wenig Fortschritt in puncto Ethik (CSR)
  • Wie es in den Fabriken Indiens und Chinas wirklich aussieht

Vorerst befindet sich die Herstellung noch mehrheitlich im Besitz der großen Markenfirmen. So hat Nokia nur 20 Prozent seiner Produktion ausgelagert (oder neudeutsch: „outgesourct“), Motorola 30 Prozent; die koreanischen Markenkonzerne Samsung und LG erzeugen ihre Handys (fast) zur Gänze in firmeneigenen Werken. Insgesamt beträgt der Auslagerungsanteil rund 30 Prozent. Zum Vergleich: Die Computerherstellung wird bereits zu 85 Prozent von Zulieferern betrieben.Und der Trend geht auch in der Handyproduktion eindeutig in Richtung Outsourcing.

China größter Handyproduzent

Der bei Weitem größte Zulieferer in der Mobiltelefonbranche ist Flextronics (Singapur), mehr als ein Drittel aller Handys weltweit kommt aus einer seiner Fabriken. Hauptabnehmer sind Motorola und Sony Ericsson. Produziert wird überall dort, wo es keine oder nur geringe Auflagen gibt. Der größte Handyproduzent ist heute schon China, in wenigen Jahren werden dort 75 Prozent der Handys gefertigt werden. Aber auch Indien zählt zu den Zukunftshoffnungen der Branche.

Die Gewinner

Die Sparwut fordert auch unter den Markenfirmen ihren Tribut. Der Konzentrationsprozess schreitet munter voran, die Gewinner sind Nokia (mit 36 % Weltmarktanteil), Motorola (22 %) und Sony Ericsson (9%). Samsung (11%) und LG (6%) haben Anteile verloren, Benq Siemens spielt bestenfalls noch eine Statistenrolle.

Bis vor wenigen Jahren rangierte die Marke Siemens in Österreich mit rund 25 Prozent Marktanteil an zweiter Stelle, doch Benq hat die Siemens-Handysparte aufgeschnupft und binnen kürzester Zeit in Europa überhaupt
die Notbremse gezogen. Es sollen zwar weiterhin Benq-Handys auch in Europa auf den Markt kommen, aber die Erwartungen sind stark reduziert.

Top 5 der Branche am Prüfstand

Die Top 5 der Branche, die zusammen 84 Prozent der Weltproduktion auf sich vereinen, stehen bei diesem Ethik-Test auf dem Prüfstand. Im Auftrag von sechs europäischen Konsumentenorganisationen wurden Anspruch und Wirklichkeit der CSR (Corporate Social Responsibility = gesellschaftliche Verantwortung) untersucht. Neben der Unternehmenspolitik, ergründet mittels Befragung und Recherchen, gab es auch Vor-Ort-Untersuchungen,
bei denen Arbeiter auf neutralem Boden – unbeeinflusst von Aufsichtspersonen ihres Arbeitgebers – interviewt wurden.

Letztere sind allerdings nicht im Testurteil berücksichtigt, da die Ergebnisse nicht ausreichen, um über jeden der fünf Markenkonzerne ein abschließendes Urteil abgeben zu können. Sehr wohl aber lässt sich aus der Vor-Ort-Untersuchung ein Trend ablesen, wieweit unternehmerische Zielsetzungen in der Praxis erfüllt werden.

 

Geringe Informationsbereitschaft 

Der Reihe nach: Die Informationsoffenheit der Hersteller lässt zu wünschen übrig. Kein Unternehmen hat alle Punkte des Fragebogens ausgefüllt. Öffentlich zugängliche Berichte werden nur von Motorola und Nokia in ausreichendem Maß zur Verfügung gestellt. Die mittels verdeckter Anrufe („mystery calls“) ermittelte Auskunftsfreudigkeit brachte besonders schlechte Ergebnisse. Keines der Unternehmen dürfte an wissbegierigen Konsumenten interessiert sein. 

Noch immer Schadstoffe in Handys 

Ein typisches Mobiltelefon enthält jede Menge toxischer Substanzen: Blei, bromierte Flammschutzmittel (BFR), Beryllium, Chrom, Arsen, Cadmium und Antimon. Viele davon lagern sich im Fettgewebe von Mensch und Tier ab, die Folge können Schädigungen des Nervensystems, Krebs oder genetische Schäden sein. Die EU hat zwar die Verwendung solcher Substanzen stark eingeschränkt (RoHS-Richtlinie), aber in geringeren Mengen sind sie noch immer in Handys enthalten; außerdem gelten die Bestimmungen nur für den europäischen Markt, für Handys in der Dritten Welt gelten sie nicht. 

Hoch gesteckte Hersteller-Ziele

Was erfreulich ist: Alle fünf Hersteller im Test haben sich Ziele gesetzt, die über die EU-Bestimmungen hinausgehen; ihre Umsetzung wird in den Zulieferbetrieben relativ strikt überwacht.Besonders kritisch – wegen der extrem kurzen Lebensdauer eines Handys – ist die Abfallproblematik. Elektronik-Schrott hat unter den festen Abfallstoffen die höchste Zuwachsrate. Trotz eines gesetzlich verpflichtenden Recycling-Systems, dem sich alle Hersteller unterworfen haben, ist das Problem nach wie vor ungelöst.

Viele entsorgte Handys landen in Dritter Welt 

Nur ein kleiner Teil der Handys landet bei den gemeindeeigenen Sammelstellen, noch weniger werden durch eigenständige Rückgabesysteme der Hersteller erfasst, wie beispielsweise Nokia eines anbietet. Die meisten Handys werden auf illegalen Wegen ins Ausland verbracht, hauptsächlich in Länder der Dritten Welt, wo es keine Möglichkeit gibt, zu überprüfen, welche Schäden an Mensch und Umwelt damit verursacht werden.

Nicht zuletzt zählt der Energieverbrauch zu den zentralen Umweltkriterien. In diesem Bereich nimmt Nokia die führende Position ein, während Samsung die geringsten Ambitionen zeigt. 

Feldstudie: Negativmeldungen überwiegen

Unter den Erwartungen blieben die sozialen Ambitionen der Handyhersteller. Wohl können vier von fünf Unternehmen (LG als unrühmliche Ausnahme) auf einen umfangreichen Verhaltenscodex verweisen, der (fast) alle Anforderungen erfüllt. Aber die Kontrolle ist bei keinem Hersteller in ausreichendem Maß gewährleistet.
Kein Unternehmen stellte Audit-Ergebnisse zur Verfügung.

So ist es nicht verwunderlich, dass auch in der Feldstudie vor Ort die Negativmeldungen überwogen. Über 200 Arbeiter und Arbeiterinnen aus 14 Fabriken in China, Indien, Thailand und auf den Philippinen wurden befragt.

Unter dem Existenzminimum

Die Löhne liegen generell unter dem Existenzminimum. In China wird nicht einmal der gesetzlich festgelegte Mindestlohn bezahlt. Erzwungene und unbezahlte Überstunden sind die Regel. Zeiterfassungslisten und Lohnzettel werden einfach gefälscht. Wer sich weigert, Überstunden zu leisten, dem droht nicht selten die
Entlassung.

Gefährliche Arbeitsbedingungen 

Die Arbeitsbedingungen sind infolge der zahlreichen toxischen Chemikalien, die in der Handyproduktion eingesetzt werden, höchst gefährlich. Die Arbeitgeber unterlassen es aber häufig, den Arbeitern auch nur die primitivste Schutzkleidung zur Verfügung zu stellen. Gewerkschaften werden äußerst feindselig behandelt. In der Vor-Ort-Untersuchung fand sich keine einzige Fabrik, in der eine Gewerkschaft aktiv gewesen wäre.

Die schlimmsten Bedingungen herrschten in China und in Thailand. In einer chinesischen Fabrik, die für Motorola produziert, wurde sogar ein Fall von Kinderarbeit aufgedeckt: 200 Schüler, die noch keine 16 Jahre alt waren, mussten arbeiten, um ihr Schulgeld zu verdienen. Etwas besser, aber immer noch unter den Standards, war die Situation in Indien. Nur die Fabriken auf den Philippinen erfüllen die internationalen Arbeitsnormen einigermaßen.

Handyhersteller  und Ethik

Logo Der Marktführer liegt bei der Ethik vorne, aber selbst seine Performance ist alles andere als überragend. Abgesehen vom Umweltbereich regiert das Mittelmaß; Note „B“ nur knapp erreicht, es mangelt an Transparenz und Kontrolle.
Logo Der größte Konzern Südkoreas ist der Aufsteiger der Branche. Vor Jahren noch wurde soziale Verantwortung ignoriert, heute im Spitzenfeld. Bessere Kontroll-möglichkeiten, da 100% firmeneigene Produktion.
Logo Schwedisch-japanisches Joint Venture mit Sitz in London. Fast punktegleich mit Samsung. Profitiert von der langjährigen CSR-Erfahrung von Ericsson. Zwei Drittel der Produktion sind ausgelagert.
Logo Der US-Konzern profitiert von Kinderarbeit, auf den Vorwurf reagiert er nur halbherzig. Ohne diesen Lapsus läge Motorola fast gleichauf mit Nokia an der Spitze. Im Bereich Transparenz lässt er alle hinter sich.
Logo Der zweite koreanische Konzern steht heute dort, wo bis vor Kurzem auch Samsung war. Dank strenger Gesetze werden die Umweltstandards erfüllt, aber sonst begnügt man sich mit ein paar Phrasen. Nur 3% der Produktion ausgelagert.

Handyhersteller im Ethik-Test: Kompetent mit "Konsument"

  • Leichte Besserung . Die großen Konzerne haben Ethik mittlerweile als verkaufsfördernd erkannt. Im Umweltbereich haben nicht zuletzt strengere Gesetze einen Mindeststandard bewirkt. Im sozialen Bereich aber klaffen Theorie und Praxis unverändert weit auseinander.
  • Energie sparen . Entscheiden Sie sich beim Kauf für die Marke mit dem besseren Ethik-Urteil. Achten Sie beim gewählten Modell auch auf den Stromverbrauch des Ladegerätes. Und lassen Sie das Ladegerät nicht ständig am Netz, stecken Sie es nach dem Aufladen ab – damit sparen Sie auch Kosten.
  • Kein Wegwerfprodukt . Selbst wenn Handys oft nichts kosten, werfen Sie Ihr altes nie in den Müll! Es handelt sich um Sondermüll mit zahlreichen toxischen Substanzen. Geben Sie es bei einer Sammelstelle ab oder bei einer Geschäftsstelle des Handyproduzenten bzw. Ihres Mobilfunkproviders.

Der Ethik-Test "Handyhersteller " wurde im Rahmen einer Kooperation europäischer Verbraucherorganisationen durchgeführt. Untersuchungsgegenstand waren Markenhersteller von Mobiltelefonen. Untersuchungszeitraum: 3/2006 bis 1/2007.

Die Erhebung 

Die Datenerhebung wurde einerseits in Form einer desk research (Sekundärerhebung) durchgeführt. Dazu wurden Interviews mit den CSR-Managern geführt, Fragebögen ausgewertet, Unterlagen, die von den Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden (z.B. Nachhaltigkeitsreports), ebenso geprüft wie einschlägige Publikationen, darunter auch Untersuchungen anderer Nichtregierungsorganisationen; zudem erfolgte eine Analyse der Firmen-Websites.

Feldstudie an 14 Standorten

Die Vor-Ort-Untersuchung (field study) erfolgte an 14 Produktionsstandorten in der Dritten Welt: China, Indien, Thailand, Philippinen. Durchgeführt wurde sie von örtlichen Untersuchungsorganisationen. Im Zentrum standen Einzelinterviews mit Arbeitskräften der betreffenden Werke, die außerhalb des Werksgeländes unter Zusicherung der Anonymität geführt wurden. In Ergänzung wurden Werksdirektoren und Personalverantwortliche interviewt.

Bewertung relativ, nicht absolut

Die Bewertung nach einem 5-Stufen-Schema:

  • A bedeutet, dass das Unternehmen in diesem Bereich den überwiegenden Teil der Kriterien erfüllt.
  • B : Das Unternehmen erfüllt die Mehrzahl der Kriterien.
  • C : Das Unternehmen erfüllt rund die Hälfte der Kriterien .
  • D : Das Unternehmen erfüllt nur den kleineren Teil der Kriterien.
  • E : Das Unternehmen erfüllt keine oder nur einige wenige Kriterien.

Die Kriterien stellen Mindeststandards dar. Deren Erfüllung bedeutet somit nicht, dass die Leistung des Unternehmens als „sehr gut“ bezeichnet werden kann. Die Kriterien werden gewichtet, tragen also unterschiedlich stark zu einem Gruppenurteil bzw. zum Endurteil bei.

Die Kriterien im Einzelnen

  • Transparenz (Anteil am Endurteil: 10 %)

Bewertet wurden öffentlich zugängliche Berichte zum Thema CSR: und zwar nach Inhalt, Abdeckung der Unternehmensaktivitäten und Vorhandensein von Stellungnahmen unabhängiger Organisationen.

Weiters wurde die Kooperationsbereitschaft des Unternehmens bewertet: Wurden alle gewünschten Informationen bereitwillig und unter Einhaltung der Fristen geliefert? Die Beantwortung von mystery calls (verdeckten Anfragen) wurde beurteilt und schließlich auch die Offenlegung der Wertschöpfungskette (möglichst umfassende Angaben über alle Produktionsstätten).

  • Umwelt (40 %)

Umweltpolitik

Verlangt das Unternehmen eine ISO- bzw. EMAS-Zertifizierung, auch von Sublieferanten? Wird die Einhaltung überprüft, gibt es Informationen über die Ergebnisse bzw. über Verbesserungsprogramme?

Bewertung von Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauches und der Entsorgung ; gibt es externe Zertifizierungen? Gibt es Informationen für Konsumenten?

Schadstoffe

RoHS: Erfüllt das Unternehmen die Bestimmungen der RoHS-Richtlinie zur Beschränkung gefährlicher Substanzen in der Produktion, wie Blei, Cadmium, Quecksilber, Chrom, PBB oder PBDE? Geht es über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus? Ist die Kontrolle gewährleistet? Werden über die RoHS-Richtlinie hinaus auch andere toxische Stoffe aus der Produktion verbannt?

Entsorgung

WEEE: Erfüllt das Unternehmen die Bestimmungen der WEEE-Richtlinie über die Entsorgung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten? Wird beim Design der Produkte auf das Recycling Rücksicht genommen? Gibt es ein unternehmenseigenes Rücknahmeprogramm, das über die Bestimmungen der WEEE-Richtlinie hinausgeht?

  • Soziales (50 %)

Sozialstandards

ILO-Standards. Berücksichtigung der acht zentralen ILO-Standards in der Unternehmenspolitik: keine Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit oder Sklaverei, keine Diskriminierung von Arbeitnehmergruppen, Gewerkschaftsfreiheit, Recht auf Kollektivverhandlungen, Bezahlung von living wages (Löhnen, die die Lebenshaltungskosten decken), maximale Arbeitszeit, Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz.

Audits. Werden Audits zur Überprüfung der Einhaltung der Mindeststandards durchgeführt, nur in den eigenen Werken oder auch in denen der Zulieferbetriebe? Gibt es nur interne oder auch externe (unternehmensunabhängige) Audits? Gibt es einen Audit-Report, werden die Ergebnisse veröffentlicht?

Vor-Ort-Untersuchung (nicht bewertet)

In Interviews wurden Informationen über die Arbeitsbedingungen eingeholt, wobei folgende Themen im Mittelpunkt standen: Kinderarbeit, Gewerkschaftsfreiheit, erzwungene Überstunden, Nicht-Diskriminierung, Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bezüglich Mindestlohn, Gesundheit und Hygiene, Vorhandensein von Arbeitsverträgen, maximale Arbeitszeit.

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