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Handy-Hersteller im Ethik-Test - Mit beschränkter Verantwortung

  • Das Bemühen scheitert oft in der Praxis
  • Siemens schnitt am besten ab
  • Motorola verweigerte jede Auskunft

Mobiltelefone zählen zu den erfolgreichsten Produkten der letzten Jahre. Pro Jahr werden weltweit bis zu 400 Millionen Stück verkauft. Doch unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen Handys produziert werden, darüber wissen nur die wenigsten Bescheid. Oder gibt es bei diesem Hightech-Produkt ohnehin keine Probleme?

Consumentenbond untersuchte

In einer Kooperation europäischer Verbraucherorganisationen hat unsere niederländische Geschwisterorganisation Consumentenbond eine Untersuchung über die soziale Verantwortung der Handyhersteller durchgeführt. Dabei wurde die Unternehmensphilosophie durchleuchtet, welche Zielsetzungen sich das Unternehmen in ökologischer und sozialer Hinsicht stellt und inwieweit diese in die Tat umgesetzt wurden oder werden. Die Kriterien reichen vom Vorhandensein eines Umwelt- bzw. Sozialberichts bis zu konkreten Ergebnissen wie Reduktion des Energieeinsatzes oder Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen. Und schließlich: Wie wird diese Unternehmenspolitik kommuniziert, gibt es für Interessierte einen einfachen Zugang zu diesbezüglichen Informationen?

Motorolla verweigerte die Auskunft

Eingeladen wurden sechs Hersteller von Mobiltelefonen, die (zumindest in Europa) den Markt beherrschen. Einer, Motorola, verweigerte jede Auskunft. Der niedrige Stellenwert, den soziale Verantwortung bei dem US-Konzern einnimmt, wird auch durch Recherchen und anonyme Erhebungen (mystery shopping) bestätigt. Blieben also fünf Hersteller, die sich als Teilnehmer qualifizieren konnten. Unter ihnen hinterließ Siemens den besten Eindruck: Die Deutschen konnten 78 von 100 möglichen Punkten erzielen. Den geringsten Score erreichte der koreanische Hersteller Samsung (38 Punkte). Zu beachten ist, dass in diese Berechnung nur vergleichbare Aspekte aufgenommen wurden. Ein wirklich vorbildliches Unternehmen könnte weit mehr Maßnahmen setzen, als es selbst dem Punktemaximum von 100 Punkten entspricht. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass hier nur die Mobilfunksparte eines Konzerns untersucht wurde: Dass beispielsweise Siemens auch Kernkraftwerkskomponenten herstellt, bleibt außer Betracht.

Soziale Verantwortung

Soziale Verantwortung endet nicht an den Werkstoren. Sie sollte sich vom Bergbaubetrieb, der die Rohmaterialien abbaut, bis zum Recycling von Materialien am Ende der Lebensdauer eines Handys erstrecken. Doch so weit reichend wollte es keines der kontaktierten Unternehmen sehen (siehe dazu: "Was hat mein Handy mit dem Kongo zu tun?").

Unternehmenspolitik

Eine klare Trennung zeigt sich zwischen ökologischen und sozialen Zielsetzungen. Dem Umweltbereich wird der Schwerpunkt der Unternehmenspolitik gewidmet. Siemens, Nokia und Sony Ericsson investieren beträchtliche Mittel in ökologisches Design. Ziel: Energie und Materialien einsparen, Abfall reduzieren, Recycling vereinfachen. Die Motive sind keineswegs selbstlos. Denn diese ökologischen Ziele haben den angenehmen Nebeneffekt, die Kosten zu senken.

Wiederverwertung

Allerdings spielt die tatsächliche Wiederverwertung von Handymaterialien derzeit noch eine vernachlässigbare Rolle. Erst die Elektronikschrott-Richtlinie der EU, die eine kostenlose Rücknahme ab Mitte 2005 vorsieht, wird daran etwas ändern.

Sozialer Bereich unterbelichtet

Überall dort, wo dieser direkte Zusammenhang mit dem finanziellen Vorteil nicht sichtbar ist, lässt das Engagement der Unternehmen deutlich nach. Das zeigt sich beispielsweise beim Thema Strahlenbelastung, wo das Problembewusstsein in der Branche denkbar gering ist. Keines der befragten Unternehmen betreibt auf diesem Gebiet eigene Forschungen, mit Ausnahme von Samsung leisten sie aber immerhin eine finanzielle Unterstützung für das eine oder andere Forschungsprojekt. Die Informationsfreudigkeit lässt bei allen Unternehmen sehr zu wünschen übrig. Weder auf der Homepage noch über das Kundendienst - telefon ist eine brauchbare Auskunft über Handystrahlen zu bekommen. In einem Fall (Samsung) bekam der Test-Anrufer gar zur Antwort: „Was meinen Sie? Davon habe ich noch nie gehört.“

Kein Interesse an sozialen Zielen

Noch viel stärker wird das mangels ökonomischer Vorteile fehlende Interesse in den sozialen Zielsetzungen sichtbar. Zwar haben Nokia, Siemens und Sony Ericsson einen Code of Conduct (Verhaltenskodex) aufgestellt, unklar bleibt jedoch, wie sich der in der Praxis auswirkt. Über die Arbeitsbedingungen in Asien oder Lateinamerika verlieren die Konzernverantwortlichen kein Wort. Auflagen an Zulieferbetriebe werden nur im Hinblick auf die Produktqualität und auf umweltrelevante Belange erteilt, Sublieferanten bleiben überhaupt unberücksichtigt. Wenn man weiß, dass praktisch alle Komponenten eines Handys nicht von den Markenfirmen selbst, sondern von Zulieferbetrieben erstellt werden, wird klar, dass das Verantwortungsbewusstsein der Handyhersteller derzeit noch viel zu eng gefasst ist.

Handel mit Coltan. Coltan ist ein Erz, aus dem die Metalle Tantal und Niob gewonnen werden. Beide gelten als geradezu ideales Material für die Herstellung elektronischer Miniatur-Bauteile wie z.B. Kondensatoren in Mobiltelefonen oder Laptops. Die rasant steigende Nachfrage lässt die Preise explodieren – innerhalb der letzten zwei Jahre auf das Zehnfache. Und Coltan ist auch einer der vier Gründe für den blutigen Bürgerkrieg, der seit Jahren in der Demokratischen Republik Kongo tobt (die drei anderen sind Gold, Diamanten und Holz). Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Rebellengruppen halten auch nach einem am 17. Dezember 2002 unterzeichneten Friedensvertrag unvermindert an.

Folgen für Umwelt, Tiere und Menschen. Coltan wird händisch in Flussbetten aus dem Boden gekratzt und ausgewaschen, wie es die Goldwäscher im 19. Jahrhundert taten. Welcher radioaktiven Belastung sich die – meist illegal tätigen – Arbeiter dabei aussetzen (Coltan enthält Uran und Thorium), hat noch niemand erforscht. Teile des Kongo haben sich inzwischen in eine Kraterlandschaft verwandelt, Wälder wurden gerodet, vom Aussterben bedrohte Tiere werden gejagt – in einem Nationalpark wurden bereits achtzig Prozent der Gorilla-Population getötet. Dreißig Prozent der Kinder besuchen keine Schule mehr, weil sie nach Coltan graben müssen.

Halbherzige Reaktionen. Nachdem diese Tatsachen durch einen UN-Bericht im April 2001 ans Licht gekommen waren, verpflichteten sich zahlreiche Elektronikkonzerne, aus Zentralafrika kein Coltan mehr zu beziehen. Andere Bezugsquellen gäbe es: Australien, Kanada und Brasilien. Doch in der Regel begnügt man sich mit entsprechenden Informationen an seine Lieferanten, ohne deren Geschäftsbeziehungen näher zu durchleuchten. Samsung hat es vorgezogen, auf eine entsprechende Frage erst gar nicht zu antworten, und die äußerst wortkarge Reaktion von Sony Ericsson verrät wenig Interesse am Thema Coltan und Bürgerkrieg in Afrika: „Sony Ericsson verwendet kein Coltran(!) in Mobiltelefonen.“

Die Untersuchung wurde von Consumentenbond, der niederländischen Verbraucherorganisation, durchgeführt und im Oktober 2002 abgeschlossen. Kern der Untersuchung ist eine Befragung der Unternehmen, ergänzt durch Markt- und Literaturrecherchen, Gespräche mit Unternehmensvertretern und Interessengruppen sowie schriftliche Unterlagen des Unternehmens.

Folgende Bereiche wurden erhoben:

Politik: CSR-(Corporate Social Responsibility)-Politik, Umwelt- bzw. Sozialbericht, Umweltmanagementsystem, Social Code of Conduct.

Praxis: Reduktion von Verpackungsmaterial bzw. Energieverbrauch, Coltan, Öko-Design, Lebenszyklus-Analyse und Recycling, Auflagen für Lieferanten, Forschung über Strahlenbelastung.

Informationsoffenheit: Hotline-Dienst, Training für Wiederverkäufer, Website-Analyse, Factsheets, fristgerechte Beantwortung.

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