Die Ausbeutung in der Modeindustrie ist um eine Facette reicher: Auch in Ost- und Südosteuropa stellen Beschäftigte unter prekären Bedingungen unsere Kleidung her.
"Manchmal haben wir einfach nichts zu essen", berichtet eine Arbeiterin einer ukrainischen Bekleidungsfabrik. "Unser Lohn reicht gerade, um die Rechnungen für Strom, Wasser und Heizung zu bezahlen”, ergänzt eine andere. Willkommen in der europäischen Bekleidungsindustrie.
Schlimmer als in Asien
Als Reaktion auf das zunehmende Verbraucher-Bewusstsein zum Thema asiatische Mode-Produktion werben neuerdings viele Marken mit "Made in Europe" oder "Made in EU". Damit soll Fairness und soziale Verantwortung vermittelt werden – die Wahrheit sieht anders aus, wie eine Studie der Clean Clothes Campaign (CCC) zeigt: In allen untersuchten Ländern klafft eine große Lücke zwischen dem gesetzlichen Mindestlohn und dem existenzsichernden Lohn. Diese Lücke wird in Europas Niedriglohnländern teilweise als größer geschätzt als in Asien.
Lohnniveau unter Existenzminimum
In Ländern wie Bulgarien, Bosnien-Herzegowina, Georgien, der Republik Moldau, Polen, Rumänien, Serbien oder der Ukraine nähen qualifizierte Beschäftigte für westeuropäische Unternehmen wie Benetton, Esprit oder Bestseller/Vero Moda. Die Bekleidungs- und Schuhindustrie ist in diesen Ländern eine der wichtigsten Branchen für Exporte und Beschäftigung – aber das Lohnniveau ist katastrophal niedrig: Die gesetzlichen Mindestlöhne liegen in allen Ländern unter dem Existenzminimum und unterhalb der Armutsgrenze.
Einschüchterungen
In den meisten Fabriken herrscht eine Atmosphäre der Einschüchterung, die Androhung von Kündigung ist allgegenwärtig. "Wenn serbische Beschäftigte fragen, warum in der Sommerhitze die Klimaanlagen ausgeschalten bleiben oder weshalb sie schon wieder samstags arbeiten müssen, erhalten sie eine stereotypische Antwort: 'Dort ist die Tür'", weiß Bettina Musiolek, Autorin des Berichtes "Europas Sweatshops" der Clean Clothes Campaign.
Windeln statt Klo
In Serbien steht insbesondere der Schuhproduzent Geox in der Kritik: Eine Arbeiterin hatte der Presse erzählt, dass den Beschäftigten nahegelegt wird, Windeln zu tragen, um den Toilettengang und damit Zeit zu sparen. Dazu kommen durchschnittliche Monatslöhne von 200 Euro netto (die Lebenshaltungkosten betragen rund 800 Euro) und Einschüchterung. Nur wenige Beschäftigte haben Arbeitsverträge, Überstunden werden nicht gesetzeskonform entlohnt.
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