Seit 1. Oktober 2001 ist es auch für Letztverbraucher möglich, ihren Stromlieferanten auszuwählen. Das macht aber nur Sinn, wenn sie die Angebote vergleichen können. Die dafür erforderlichen Informationen sollten eigentlich auf der Stromrechnung ausgewiesen sein. Doch zunächst wurden noch die alten Rechnungsformulare weiterverwendet. Außerdem waren noch die Ausführungsbestimmungen der Länder zum Elektrizitätswirtschafts-Organisationsgesetz (ELWOG) ausständig.
Stromrechnungen - Wichtiges bleibt im Dunkeln
Eine erste Bestandsaufnahme
Seither sind zehn Monate vergangen. Die neuen Stromrechungen liegen – zumindest im Entwurf – vor, und die Länder haben ihre Entscheidung getroffen. Zeit für eine Bestandsaufnahme: Wie sieht die neu gewonnene Freiheit für den Konsumenten aus? Reichen die Informationen aus, um die Wahlfreiheit in Anspruch zu nehmen?
Produkt und Dienstleistung
Die wichtigste Voraussetzung für die Liberalisierung – darin sind sich Experten und Politiker einig – ist das so genannte Unbundling, also die Entflechtung der Produktion elektrischer Energie von Transport und Verteilung; damit sollte der Quersubventionierung durch Einnahmen aus dem Netzbetrieb ein Riegel vorgeschoben werden. Seit 1. Oktober des Vorjahres wird der Strom folgerichtig in zwei getrennte Angebote gesplittet: Das Produkt „elektrische Energie“ kann von verschiedenen Anbietern zu einem „Energiepreis“ gekauft werden – neben dem lokalen Netzbetreiber kommt eine Reihe alternativer Anbieter infrage. Die dafür notwendige Dienstleistung, das „Stromnetz“, wird dagegen weiterhin nur vom lokalen Netzbetreiber zu einem bestimmten Entgelt (Netz- oder Systemnutzungskosten) zur Verfügung gestellt.
Rechnungen ohne Information
Diese Aufspaltung in Energie- und Netzpreis bleibt bis heute für die meisten Konsumenten unsichtbar. Auch fast ein Jahr nach dem Startschuss zur Liberalisierung fehlen solche Angaben auf den Rechnungen fast durchwegs. Unter den alten Strommonopolisten (Landes- oder Kommunalversorger) bilden einzig die Innsbrucker Kommunalbetriebe (IKB) eine positive Ausnahme. Auch die neu auf den Markt getretenen Stromhändler bieten auf ihren Rechnungen etwas mehr Information.
- Worauf kommt’s an? Folgende Zahlen sollten aufgelistet sein:
- der Gesamtverbrauch der Abrechnungsperiode;
- der Netto-Energiepreis;
- der Netto-Netzpreis;
- Steuern und Abgaben ohne Umsatzsteuer (inklusive Energieabgabe, Stranded Costs und andere Zuschläge);
- die Umsatzsteuer;
- der Bruttopreis, also der Gesamtbetrag inkl. aller Steuern und Abgaben.
Diese Zahlen sollten natürlich für jeden Tarif extra angegeben sein, was leider nicht selbstverständlich ist. Viele Netzbetreiber vermanschen den normalen Haushaltstarif mit dem ermäßigten Nachttarif zu einer Gesamtsumme, die keinerlei Aussagekraft besitzt. Und meistens wird eben nur der Netz- (oder Systemnutzungs-)preis als Pauschalsumme genannt, über die anderen Kostenbestandteile bleibt man im Ungewissen.
Nur Preis je Verbrauchseinheit vergleichbar
Neben der erwähnten Auflistung von Rechnungsbeträgen sollte zumindest ein Preis je Verbrauchseinheit genannt werden, und zwar der Netto-Energiepreis pro Kilowattstunde – nur dieser Marktpreis ist mit den Angeboten alternativer Stromanbieter vergleichbar. Es ist wohl kein Zufall, dass (mit Ausnahme der IKB) kein Gebietsversorger dieses Service bietet.
Differenzierung zwischen Gewerbe- und Privatkunden
Die Beteuerungen, man könne solche Angaben wegen der komplexen Zusammensetzung des Strompreises nicht machen, sind unglaubwürdig. Denn intern und im Kontakt mit kommerziellen Kunden oder mit Konkurrenzbetrieben wird die Trennung in Netz- und Energiepreis sehr wohl vollzogen. Beispielsweise gibt es auf den Rechnungen der TIWAG nur eine Nettopreis-Angabe. Tiroler, die zum alternativen Anbieter Raiffeisen Wasserkraft gewechselt sind, bekommen hingegen ein (von der TIWAG stammendes) Beiblatt, auf dem sehr wohl in Netz- und Energiepreis getrennt wird. Und gegenüber gewerblichen Kunden zeigen sich die Gebietsversorger überhaupt auskunftsfreudiger. So kann die Wienstrom GmbH, die ihren Haushaltskunden besonders verwirrende Zahlenspiele liefert, auf den Rechnungen für Gewerbekunden den Energiepreis sauber und ordentlich aufschlüsseln. Besser könnte man den Stellenwert, den kleine Stromkunden für die alten Monopolbetriebe haben, nicht dokumentieren.
Aufgeschlüsselter Strommix
Verwirrspiele sind auch bei der Stromkennzeichnung angesagt. Dabei geht es vor allem um die Gretchenfrage, wie hoch der Atomstromanteil bei den verschiedenen Anbietern ist. Einige wollen sich um den gesetzlichen Auftrag – laut § 25 (3) ELWOG) – drücken, indem sie nur den Produktmix und nicht den Händlermix angeben. Zur Erklärung: Viele Stromhändler differenzieren ihr Stromangebot in bestimmte „Produkte“; da gibt es dann ein Wasserkraft-Produkt für Konsumenten, während Strom aus Atom, Kohle oder Gas für gewerbliche Kunden vorgesehen wird. Das ist eine rein künstliche Trennung, die nur dazu da ist, vor den Konsumenten den Anteil „schmutzigen“ Stroms zu verbergen. Daher sollte der Stromhändler gezwungen werden, seinen gesamten Mix (den Händlermix) bekannt zu geben, und nicht irgendeinen phantasievollen Produktmix.
Atomanteil verschleiert
Bedauerlich ist, dass die zuständigen Landesstellen die Verschleierungstaktik ihrer Gebietsversorger unterstützen. Es lag an den Ländern, den ELWOG-Auftrag in Ausführungsbestimmungen zu konkretisieren. Meist fielen diese so aus, wie die Versorgungsunternehmen es sich wünschten, Wien und Salzburg haben die Entscheidung gleich ihren Stromgesellschaften überantwortet. Nur Oberösterreich, die Steiermark und Vorarlberg haben in ihren Verordnungen für eine klare Kennzeichnung des Gesamtaufbringungsmix optiert. Und nur ein Gebietsversorger, nämlich die Vorarlberger Kraftwerke AG, hält sich bei der Stromkennzeichnung an das von der E-Control empfohlene einheitliche Label.
Atomstrom frei
Bei den alternativen Anbietern ist die Informationsfreudigkeit generell größer, wenngleich es auch da einiges zu bemängeln gäbe. Für kaum einen Anbieter scheint es wirklich ein besonderes Anliegen zu sein, seinen Kunden transparente Rechnungen zu bieten. Und was Atomstrom betrifft: Nach derzeitigem Stand muss man davon ausgehen, dass kein konventioneller Anbieter atomstromfrei ist. Die Alternativanbieter MyElectric und Raiffeisen Ware Wasserkraft beziehen 100 Prozent ihres Stroms aus Wasserkraftwerken. Nur die beiden Träger des Umweltzeichens Grüner Strom – Alpen-Adria-Energie (AAE) und oekostrom – sind nicht nur garantiert frei von Atomstrom, sondern investieren auch in neue Kraftwerke zur Nutzung erneuerbarer Energieträger.