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Strom - Jonglieren mit Atom

Die Stromhändler wollen in ihren Angaben zur Stromherkunft den Atomanteil möglichst verschweigen.

Für viele Konsumenten spielt bei der Wahl des Stromanbieters nicht nur der Preis eine Rolle, sondern auch, woher der Strom kommt. Die meisten Landesversorgungsgesellschaften haben einen mehr oder weniger hohen Atomstromanteil in ihrem Angebot, auch wenn es in Österreich kein AKW gibt. Denn die Versorgungsgesellschaften betreiben neben der Eigenerzeugung einen sehr regen Handel mit dem Ausland, Atomstrom wird also häufig zugekauft.

Woher kommt der Strom?

Das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ELWOG) schreibt vor, dass der Verbraucher über die Herkunft des Stroms informiert wird. Seit 1. Oktober 2001 sollte auf der Stromrechnung der Anteil der verschiedenen Primärenergieträger (Wasser, Gas, Öl, Kohle, Atomkraft oder Ökoquellen wie Wind und Sonne) ausgewiesen sein. Sollte. Doch so einfach ist die Sache nicht. Denn die Ausführungsbestimmungen waren bei Redaktionsschluss noch nicht in allen Bundesländern erlassen. Einige Stromanbieter leisteten hinhaltenden Widerstand, um die Angaben möglichst zu verwässern.
Leider kann gerade bei einem homogenen Gut wie Strom sehr viel geschummelt werden. Fest steht, dass der Strom aus der Steckdose kein (Atom-)Mascherl trägt. Und nicht wenige Stromhändler hätten es gerne dabei bewenden lassen: „Strom ist Strom – also raunz nicht, kauf!“

Strom läßt sich nicht unterscheiden

Mit der Verpflichtung zur Herkunftsangabe haben sich die Branchengrößen eine neue Argumentation zurechtgelegt: Haushalte würden demnach grundsätzlich nur mit Wasserkraft beliefert. Die „schmutzigen“ Primärenergieträger wie Kohle oder Atomkraft blieben hingegen Industrie, Handel und Gewerbe vorbehalten. Diese verquere Logik würde jeden Physiklehrer auf die Palme bringen. Jede Stromquelle speist ihren Strom in ein und dasselbe Netz, er unterscheidet sich physikalisch nicht vom Strom aus anderen Quellen. Daher kann kein Stromhändler zu einem bestimmten Abnehmer eine bestimmte Sorte Strom leiten.

Importierter Strom

Nicht das Produkt Strom macht den Unterschied, sondern seine Herkunft. Die Eigenerzeugung eines Stromanbieters kann noch relativ leicht zugeordnet werden. Man muss nur seinen Kraftwerkspark kennen, dann lässt sich der Strom-Mix errechnen. Doch ein wachsender Stromanteil wird von den Stromhändlern nicht selbst erzeugt, sondern zugekauft, häufig importiert. Dann muss der Strom-Mix des Lieferanten herangezogen werden.
Wird Strom auf den internationalen Spotmärkten bezogen, kann seine Herkunft nicht festgestellt werden. Daher muss man zu einer Durchschnittszahl greifen – dem UCTE-Mix. Dieser gibt das Verhältnis der Stromquellen von allen westeuropäischen Kraftwerken zusammengenommen an, der AKW-Anteil beträgt dabei 37 Prozent.
Der Stromdiskonter switch, der den Strom ausschließlich an den Strombörsen einkauft, muss sich gefallen lassen, dass man für ihn den UCTE-Mix anwendet. Switch hat folgerichtig auch den höchsten Atomstromanteil aller österreichischen Stromhändler.

Nur Ökostrom und Wasserkraft

Auf der anderen Seite steht beispielsweise die Bewag. Der burgenländische Landesversorger betreibt mit Ausnahme einiger Windkraftanlagen keine eigenen Kraftwerke und bezieht seinen Strom von der Verbundgesellschaft. Diese verfügt über ein TÜV-Zertifikat, das die Einspeisung einer hohen Menge Wasserkraftstrom (16.000 Gigawattstunden) ins Netz verbrieft. Bezieher von Verbundstrom können sich also als atomstromfrei bezeichnen, obwohl der Verbund selbst Atomstrom zukauft. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich der Anbieter einer Kontrolle durch eine unabhängige Stelle (eben den TÜV) unterzieht.

Strom-Mix deklarieren

Wünschenswert wäre, dass alle Stromanbieter ihren Gesamtstrom-Mix (Erzeugung und Handel) bekannt geben. Wer nur einen Teil-Mix (ohne zugekauften Strom) deklarieren will, sollte sich die Berechtigung dafür zertifizieren lassen. Doch ist absehbar, dass zumindest einige Landesversorger ausscheren werden. Somit wird man wohl auch in Zukunft auf die Schätzungen von Umweltorganisationen angewiesen sein (siehe Tabelle).

Nach den derzeit gültigen Schätzungen ist nur ein Landesversorger, die Bewag, atomstromfrei

 

Ökostrom 1)

Atom

Öl, Kohle, Gas

Wasser

oekostrom AG

70

0

0

30 2)

Alpen-Adria Energy

20

0

0

80 2)

Bewag

20

0

0

80

RWA Wasserkraft

5

0

0

95

Salzburg AG

0

4

10

86

My Electric

0

4

10

86

Kelag

0

6

13

81

Steweag

0

8

34

58

Energie AG

0

10

36

54

VKW

0

15

20

65

Wienstrom

0

16

54

30

EVN

0

20

45

35

Tiwag

0

21

27

52

switch

0

37

47

16

Angaben in Prozent, auf ganze Zahlen gerundet; Reihung nach Atomstromanteil
1) Strom aus Öko-Anlagen (Wind, Sonne, Biomasse)       
2) aus Kleinwasserkraftwerken        Quelle: Greenpeace

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