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ÖBB-Tickets - Verloren im Tarifdschungel

Die ÖBB bieten eine Vielzahl von Sondertarifen. Aber es gibt keine Garantie dafür, auch den billigsten zu erhalten. Günstige Sonderaktionen zu finden, stellt oft eine echte Herausforderung dar.

Wer in Österreich Bahn fährt, ist mit einer Vielfalt an Tarifen sowie Sonderangeboten konfrontiert. Der Rechnungshof zählte laut Bericht vom April 2010 die verschiedenen Tarif-Sonderangebote im Jahr 2008 und kam auf 241. In ihrer Stellungnahme dazu kamen die ÖBB „nur“ auf 54 Sonderangebote.

Damit wurden laut Rechnungshof 21 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, also sieben bis acht Prozent des gesamten Erlöses aus Ticketverkäufen. Zwei Drittel des Umsatzes aus Aktionen entfielen auf drei Angebote: SparSchiene, EURegio und die Jugendaktion Sommerticket.

Mehr als 1.000 verschiedene Tickets

Sogar von mehr als 1.000 verschiedenen Tickets berichtet die Bahn-Schlichtungsstelle der Schienen-Control in ihrem Tätigkeitsbericht 2009, wenn sämtliche Tarife von ÖBB und Verkehrsverbünden zusammengezählt werden.

Günstige Sonderaktionen

Standardtarif als Berechnungsmethode

Es entsteht der Eindruck, dass der sogenannte Standardtarif vor allem als Berechnungsbasis für diverse Ermäßigungen fungiert. Denn eine Fahrkarte zum Standardtarif kaufen allenfalls Leute, die selten Bahn fahren und es nicht besser wissen, um festzustellen: Bahnfahren ist abschreckend teuer.

Solchen Seltenfahrern ist dringend zu empfehlen, sich beraten zu lassen – es zahlt sich aus. Denn oft werden sehr günstige Sonderaktionen angeboten, die entweder auf bestimmte Zielgruppen (Jugendliche, Senioren), einen bestimmten Zeitraum, für bestimmte Reiseziele oder auch auf bestimmte Züge beschränkt sind.

Einfach-raus-Ticket und Mini-Max-Ticket

Etwa das Einfach-raus-Ticket, mit dem Gruppen von 2 bis 5 Personen einen Tag lang, wochentags erst ab 9 Uhr, am Wochenende ganztags, um nur 28 Euro österreichweit mit der Bahn fahren können – solange sie ausschließlich Regionalverkehrszüge benutzen.

Oder das Mini-Max-Ticket, auch für zwei bis fünf gemeinsam Reisende. Hier wird es, wenn zumindest zwei Personen gemeinsam reisen, für die zweite und jede weitere Person immer billiger.

Abgestufte Vergünstigung

In der Vollpreisvariante erhält die erste Person zehn Prozent Ermäßigung, die zweite 20, die dritte 30, die vierte 40 und die fünfte 50 Prozent. Haben zumindest zwei der Reisenden eine Vorteilscard, erhält die erste Person 50 Prozent Ermäßigung, die zweite 60, die dritte 65, die vierte 70 und die fünfte 75 Prozent. Mit dem Mini-Max-Ticket können alle Züge ohne zeitliche Einschränkung genutzt werden.

Bestpreis ist Glücksache

Bestpreis ist Glücksache

Der Rechnungshof kritisiert, dass die ÖBB in ihrem Vertriebssystem über keine Bestpreisfunktion verfügen. Das erschwert es dem Kunden, das für ihn günstigste Ticket zu erhalten. Und er hat auch keinen Rechtsanspruch darauf, zu viel bezahltes Geld zurückzubekommen. Allenfalls im Kulanzweg ist etwas zu holen.

Besonders wer am Automaten, via Internet oder Handy das günstigstmögliche Ticket für die geplante Reise kaufen will, begibt sich oft auf eine „Mission Impossible“, ohne sich dessen bewusst zu sein. Denn um hier an speziell günstige Tickets wie das Einfach-raus-Ticket oder das EURegio-Ticket zu kommen, muss man diese bereits kennen und gezielt auswählen.

Keine Erklärung der Sondertickets

Der Automat hat zwar Buttons für diese Sonderangebote, aber erklärt werden die Sondertickets nicht. Die vermeintlichen zusätzlichen paar Prozente Rabatt, die den Vorteilscard-Besitzern bei der Selbstbedienung am Automaten oder im Internet versprochen werden, sind oft teuer erkauft.

Zudem gibt es bei am Automaten oder via Internet gekauften Tickets keine Fahrpreiserstattung für nicht benutzte Tickets. Aus rechtlicher Sicht wäre diese Erstattung lediglich ein Entgegenkommen der Bahn.

Tarifsysteme

Verbundtarif oder ÖBB-Tarif

Eine ständige Quelle für Verwirrung ist die Parallelität von Verbundtarif und ÖBB-Tarif. In den Verbundgebieten gilt ausschließlich der in der Regel etwas günstigere Verbundtarif. Die ÖBB gehen aber auf diese beiden Grundtarife in ihren Informationsmedien nicht ein. Vielen Bahnkunden ist deren Existenz daher nicht bewusst.

Als Normalpreis wird am Automaten der Preis nach Verbundtarif angezeigt, eine Vorteilscard- Ermäßigung wird jedoch vom ÖBB-Tarif berechnet. So kommt es, dass mitrechnende Fahrgäste an einen Rechenfehler des Automaten glauben müssen.

Unterschiedliche Preisinformationen

Für weitere Verwirrung sorgt, dass am Automaten als Normalpreis der Verbundtarif vermerkt ist, auf der ÖBB Website aber der ÖBB-Tarif, was zu unterschiedlichen Preisinformationen führt. Sonst ziehen die ÖBB die Trennlinie zwischen Verbund- und ÖBB-Tarif rigoros, zur unliebsamen Überraschung mancher Fahrgäste.

Wer nämlich eine Vorteilscard hat, die mit Fahrkarte zum Benutzen der ÖBB-Lounges berechtigt, darf mit einer Fahrkarte zum Verbundtarif (die der Automat im Normalfall ausspuckt) nicht in die Lounge: Zutritt nur mit Fahrkarte nach ÖBB-Tarif!

Tarifsysteme im Nahverkehr

Die Tarifsysteme im Nahverkehr mit ihrer Mehrgleisigkeit aus Verbundtarifen, ÖBBTarif, Bustarifen und Ermäßigungsvarianten sind besonders undurchsichtig. Der ÖBB-Postbus, seit Jahren Teil des Unternehmens ÖBB, fährt weiterhin, wie andere Buslinien-Betreiber auch, ungerührt mit eigenem Tarifsystem.

Die ÖBB-Vorteilscard Classic gilt im Bus nicht. Werden Bahnlinien eingestellt und durch Busse ersetzt, wie dies das Bundesland Niederösterreich derzeit offensiv betreibt, reduziert das auch den Gültigkeitsbereich der Vorteilscards zulasten der Vorteilscard-Inhaber.

Ticketkauf

Unwissenheit schützt nicht vor Strafe

Nichtwissen kostet Geld und schützt überdies auch bei den ÖBB nicht vor Strafe. Der ÖBB-Fahrscheinautomat gibt nur Retourgeld unter 10 Euro heraus. In der Praxis bedeutet das: Ein Fahrpreis von 9,95 Euro kann nicht mit einem 20-Euro-Schein bezahlt werden.

Will der Fahrgast mangels Geldscheinen in geeigneter Größe das Ticket dann im Zug kaufen, kann es passieren, dass er als Schwarzfahrer dasteht und Strafe zahlt. Die ÖBB kennen da keinen Pardon. Ein Ausweg ist, am Automaten mit Bankomat- oder Quick-Funktion zu bezahlen – falls diese nicht wegen einer Störung ausfällt.

Zum Schwarzfahrer wird man schnell

Für viele Fahrgäste ist das Ticketsystem zu kompliziert geworden, bestätigt die Bahn- Schlichtungsstelle. Nicht selten passiert es auch, dass jemand glaubt, das Ticket weiterhin beim Schaffner erwerben können. Der Kauf des Tickets im Zug ist jedoch nur mehr eingeschränkt erlaubt.

Auf den sogenannten Selbstbedienungsstrecken ist er überhaupt nicht mehr möglich. Auf den übrigen Strecken muss sich ein Fahrgast ohne Ticket unaufgefordert beim Zugbegleiter melden. Darunter verstehen die ÖBB das „Zugehen“ im Zug oder das aktive „Bemerkbarmachen“ beim Zugbegleiter, wenn man zusteigt. Wer also nach dem Einstieg nicht sofort und im Extremfall im gesamten Zug nach dem Zugbegleiter sucht, zahlt eine Strafgebühr.

Fahrkartenautomat im Zug

Unklar ist, ob auch jemand, der an seinem Einstiegsbahnhof gar keine Möglichkeit zum Ticketkauf hatte, im Zug aktiv den Zugbegleiter suchen muss – manche ÖBB-Mitarbeiter meinen, ja. Wer übersieht, dass im Zug ein Fahrkartenautomat steht, ist ebenfalls Schwarzfahrer.

Eine Besonderheit hat das im Internet gelöste Ticket: Es ist namensgebunden. Man muss beim Kauf einen Namen eingeben und nur diese Person ist berechtigt, das Ticket zu nutzen.

Verschiedene Preise für die gleiche Strecke

Verschiedene Preise für die gleiche Strecke

Besondere Irritation löst die Tatsache aus, dass sich für Fahrkarten für dieselbe Strecke in einem Verbundgebiet unterschiedliche Preise ergeben können. Sie haben ihre Ursache zum einen in der Parallelität von ÖBB- und Verbundtarif. Die ÖBB berechnen nach Bahnkilometern, Verbund-Tarife gehen grundsätzlich nach Zonen.

Zonensystem

Der Vorteil des Zonensystems liegt in der Möglichkeit, alle Verkehrsmittel einer Region – soll heißen, eines Verbundraums – benutzen zu können. Zum anderen kommen dazu unterschiedliche Ermäßigungen: Die diversen ÖBB-Vorteilscards gelten meist nur in der Bahn, nicht in den anderen Verkehrsmitteln im Verbundgebiet. Diese haben eigene Ermäßigungsregeln.

Jeder, der öffentliche Verkehrsmittel benutzt und der Bahn nicht unnötig Geld schenken möchte, sollte sich daher gründlich über die Tarife informieren; besonders für jene Regionen, in denen sie oder er regelmäßig unterwegs ist.

Ab 2011 "ticket4all"

Den ÖBB ist die Unhaltbarkeit des derzeitigen Tarifsystems sehr wohl bewusst. Deswegen arbeitet man am Projekt ticket4all, das die verschiedenen Vertriebskanäle (Schalter, Internet, Automat) zusammenführen und das Angebot vereinheitlichen wird. Ab 2011 soll diese Neuerung schrittweise eingeführt werden.

Zusammenfassung

  • Gleiche Strecken, unterschiedliche Preise: Schuld kann die Differenz zwischen dem ÖBB-Tarif und dem Tarif eines Verkehrsverbundes sein.
  • Standardticket meist sehr teuer: Besonders bei längeren Strecken nach Sonderangeboten suchen oder am Schalter beraten lassen.
  • Ticket vor Fahrtantritt kaufen: Im Zug ist es unter Umständen zu spät. Achtung: Keine Fahrpreiserstattung für nicht benutzte Tickets bei Kauf am Automaten oder im Internet!

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