Seit 11. Dezember gibt es auf der Strecke zwischen Wien und Salzburg Konkurrenz für die ÖBB. Ein KONSUMENT-Mitarbeiter ist mit der neuen WESTBahn gefahren.
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Auf dem Bahnsteig des Wiener Westbahnhofes ziehen sie die Aufmerksamkeit auf sich: Die weiß-grün-blauen Doppelstockzüge des neuen ÖBB-Konkurrenten WESTbahn. Elektronische Laufschriften außen am Zug geben Informationen: Uhrzeit, nächste Haltestellen oder auch ein warnendes "Nicht einsteigen" am eben eingefahrenen Zug.
Viel Personal
In Zeiten, wo bei den ÖBB Personal im Kundenkontakt immer seltener wird, fällt das ungewöhnlich zahlreiche Personal auf. Pro Zug sechs „Stewardessen“ oder „Stewards“, wie die WESTbahn ihre Schaffner nennt, in blauer Jean, grauer Jacke, das blaue Schifferl am Kopf, erwarten die Fahrgäste bereits in den Eingangsbereichen. Darauf, dass auch unten noch Plätze frei sind, wird extra hingewiesen. Die blickdichten Schiebetüren lassen das nicht erkennen. Auf Knopfdruck öffnet sich die Schiebetür. Das von ÖBB-Türen gewohnte Händefuchteln ist unnötig.
Gepäck sichern
Über Kopf nur eine schmale Hutablage, die allenfalls Kleidungsstücke aufnehmen kann. Doch unter den Sitzen, die in der Wand verankert sind und keine Bodenstützen haben, ist reichlich Platz für Taschen und Koffer. Für große Gepäckstücke gibt es massive Regale, gleich an der Eingangstür der unteren Sitzbereiche. Diese Gepäckablagen sind mit dezent verborgenen Kabelschlössern ausgestattet. Gegen den Einsatz einer Münze (50 Cent oder 1 Euro) können sie herausgezogen und das Gepäckstück mit Schlüssel gesichert werden. Hinweise auf die nützlichen Schlösser finden sich keine, diese Schlösser wollen entdeckt werden.
Ticket im Zug ohne Aufpreis
An einem Tisch nehme ich in einem der Ledersitze - andere gibt es nicht – im Obergeschoß des letzten Waggons Platz. Im ersten und letzten der sechs Waggons befinden sich Tische zwischen den Sitzplätzen. In den anderen dominiert die platzsparende Flugzeug-Sitzanordnung. Die Lehnenneigung ist stufenlos verstellbar. Kaum habe ich den Laptop ausgepackt und an eine der zwei Steckdosen unter der Mittelarmlehne eingesteckt, fragt mich auch schon der Steward: "Haben Sie schon eine Fahrkarte?" Nein, habe ich nicht: von Wien-Westbahnhof bis Linz bitte. 15,60 Euro. Exakt der Vorteilscard-Preis der ÖBB. Wer schon eine Netzkarte für Wien hat, bekommt - anders als bei den ÖBB - kein Ticket "ab Stadtgrenze“.
Bei einem Einzelticket unterscheidet die WESTbahn preislich nicht zwischen Wien-Westbahnhof, Wien-Hütteldorf oder Stadtgrenze. Die WESTbahn bietet auch Zeitkarten an: innerhalb der Verbünde gelten die Verbundzeitkarten, Verbund-übergreifend eigene Zeitkarten. Und auch die gute alte Kilometerbank – von ihr können gefahrene Kilometer abgebucht werden – erlebt eine Renaissance: Sie kann für 1.000, 5.000 und 10.000 Kilometer gekauft werden.
Neue Tarifbestimmungen seit März 2012
Anfang März hat die WESTbahn ihre Tarifbestimmungen geändert. Vorläufig hat dies aber (noch?) keine praktischen Auswirkungen auf den Ticketpreis. Jetzt gibt es einen „Regeltarif WESTbahn“ (entspricht dem ÖBB-Standard-Preis) und ein „Hausangebot WESTbahn“ (= ÖBB-Halbpreis). Das „Hausangebot WESTbahn“ gilt in Verbindung mit der - neu eingeführten – WESTcard. Diese WESTcard wird kostenlos und automatisch beim Kauf einer Fahrkarte erworben und berechtigt zur Inanspruchnahme des Hausangebotes. De facto gilt also der gleiche Preis wie vorher, nominell wurden die Tickets aber um das Doppelte teurer.
Gratis WLAN im Zug
Die WESTbahn wirbt mit gratis WLAN in ihren Zügen. Aus den ÖBB-Zügen weiß man: Der Empfang für Handy und Internet ist schlecht. Auch in der WESTbahn erweist er sich als nicht durchgehend stabil; die zahlreichen Antennen im Zug scheinen das Problem nicht lösen zu können. Aber die Initiative der WESTbahn hat bereits bewirkt, dass auch die ÖBB in besseren Empfang investieren.
Werden Tickets teurer?
Die WESTbahn passt sich mit ihren Preisen der ÖBB an und bietet die Tickets zum Vorteilscard-Preis (also Halbpreis) der ÖBB an - offenbar zähneknirschend. Denn 26-Prozent-Eigentümer und Strabag-Chef Hans-Peter Haselsteiner hält die ÖBB-Preise für zu niedrig und wettbewerbsverzerrend und stellt eine Wettbewerbsklage in Aussicht. So könnte der Wettbewerb den Fahrgästen insgesamt höhere Ticketpreise bescheren.
Anfangsinvestition: 130 Mio Euro
Das wirtschaftliche Ziel formuliert WESTbahn-Chef Stefan Wehinger in einem "Presse"-Interview folgendermaßen: "Wir fahren 13-mal täglich in jede Richtung, also 26-mal. Wir haben 501 Sitzplätze pro Zug, dazu einige Stehplätze. Theoretisch können wir also täglich rund 15.000 Passagiere befördern. Mit einer Auslastung von 40 Prozent sind wir auf der sicheren Seite. Innerhalb der ersten fünf Jahre wollen wir die Anfangsinvestitionen in Höhe von 130 Mio. Euro eingenommen haben."
Sollte der Erfolg eine Kapazitätsausweitung nötig machen, ist die WESTbahn mit ihren Triebwagenzügen in der selben Situation wie die ÖBB mit dem Railjet: Einzelne zusätzliche Waggons sind nicht möglich, es können allenfalls zwei 6er-Garnituren zusammengehängt werden.
Mehr Züge mit Radmitnahme
Ich studiere den mitgebrachten Fahrplan. Der griffige Werbespruch "Jede Stunde ein Zug“ erweist sich als Näherungswert: Die WESTbahn fährt am Tag 13mal Wien-Salzburg und 12mal Salzburg-Wien. Der erste Zug ab Wien West fährt um 5.32 Uhr, der letzte um 20.34 und um die Mittagszeit gibt es nur einen Zweistunden-Takt, denn um 11.32, 13.32 und 15.32 fährt kein Zug.