Zum Inhalt

Angst vor dem Alter - Habe ich richtig gelebt?

Der Mensch wächst heran. Mit jeder neuen Lebensphase stellen sich typischerweise auch neue Ängste ein. Im Alter vor allem jene vor Krankheit, Abhängigkeit und Tod. - Aus unserem neuen .

Hier lesen Sie Teil 1 unserer KONSUMENT-Serie "Angst". Folgende Themen sind veröffentlicht:

Unweigerlich kommt irgendwann dieser Moment: Wir schaffen es nicht mehr mit einem Sprung aus dem Bett, nur noch mit einem Ächzen. Der Körper war einmal straff, nun zeigt er Züge von Schlaffheit. Die Haare werden grau und fallen aus. All diese Veränderungen zeigen uns unmissverständlich an, dass wir den Zenit unseres Lebens überschritten haben, dass vor uns nun aller Voraussicht nach weniger Jahre liegen als hinter uns.

Eltern, die der Pflege bedürfen

Damit stellen sich auch spezifische Ängste ein – Ängste, die sich grundlegend von jenen unterscheiden, die etwa Jugendliche haben. Es geht dem Ende zu. Aber nicht unmittelbar. Kurz nach Pensionsantritt, im sogenannten dritten Viertel des Lebens, sind die Menschen in der Regel noch recht fit. Das ist die Zeit, wo sie all das nachholen wollen, zu dem sie während ihres Berufslebens nicht gekommen sind: fremde Länder bereisen, mit den Enkeln spielen, im Garten arbeiten. Muße ist angesagt, Unabhängigkeit. Bei vielen bleibt das allerdings Wunschdenken. Statt in ferne Länder zu reisen, bleiben sie notgedrungen zu Hause, bei ihren Eltern, die der Pflege bedürfen.

Angst vor Unselbstständigkeit

Im höheren Alter, meist um die 80, beginnt das vierte Viertel, das als das eigentlich problematische angesehen wird. Die Betroffenen können ihren Alltag oftmals nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen und sind auf Hilfe angewiesen. Furcht vor Unselbstständigkeit kommt auf. Auf das agile Alter folgt das fragile – jene Phase, die durch Krankheit bestimmt ist. Etwa 30 Prozent aller lebenslangen gesundheitlichen Kosten eines Menschen entfallen auf das letzte Lebensjahr, und knapp die Hälfte dieser Kosten auf die letzten 30 Tage seines Lebens.

 

finale Lebensphase

"Niemand kann sich aussuchen, wie das Altern verläuft, erst recht nicht im vierten Viertel. Niemand hat je die Entscheidung getroffen, zerbrechliche Knochen zu haben, depressiv oder dement zu werden. Niemand will gebeugt oder geschrumpft werden, aber es geschieht“, schreibt der Philosoph Wilhelm Schmid in seinem Buch „Gelassenheit. Was wir gewinnen, wenn wir älter werden“. Spätestens wenn er hinfälliger wird, stellt sich der Mensch diese große Frage: Was ist der Tod? Was passiert mit mir in diesem Moment? Wird sich all mein Leben im Nichts auflösen? Nun, ein Nichts wird nicht folgen, das sagen schon die einfachsten physikalischen Gesetzmäßigkeiten.

Verbrannt oder in Erde gebettet

Gleich, ob der Leichnam verbrannt oder in die Erde gebettet wird und dort verwest, diese Materie wird sich in andere Materie umwandeln. Für den Betroffenen ist diese Antwort freilich nur ein schwacher Trost. Denn ihn bewegen noch andere Fragen: Wird mit meinem Körper auch meine Seele untergehen? Gibt es so etwas wie Himmel und Hölle? Folgt auf das diesseitige Leben ein jenseitiges? Angeblich war die größte Angst der Menschen im Mittelalter, ihnen und ihren Angehörigen könnte nach dem Tod kein Weiterleben im Jenseits vergönnt sein. Diese Angst ist immer noch vorhanden.

Finale Lebensphase

Doch mehr noch scheinen sich die Menschen heute vor dem Sterben zu fürchten; davor, dass die allerletzte Lebensphase – im Jargon der Mediziner: die finale Lebensphase – noch einmal großes Leid bringen könnte. Wer das vierte Viertel und damit ein Alter erreicht, das gemeinhin als "gesegnet“ bezeichnet wird, hat im Lauf seines Lebens üblicherweise eine Reihe von Krankheiten überstanden und konnte so Erfahrungen sammeln, wie es ist, nicht gesund zu sein. Was die finale Lebensphase bringt, das wissen wir allerdings nicht. Denn die machen wir nur einmal durch.

Angst vor Schmerzen

Angst vor Schmerzen

Werden Menschen gefragt, wie sie sterben wollen, so antworten die meisten: schnell und schmerzlos, am liebsten im Schlaf. Das Gegenteil, das langsame und schmerzvolle Sterben bei wachen Sinnen, wird gefürchtet. Wir können Sie beruhigen: Unter qualvollen Schmerzen wird heute nicht mehr gestorben. Jedenfalls nicht mehr bei uns, seit – ausgehend von England und Kanada, ab den 1970er-Jahren – der Gedanke der Palliativmedizin sich auch hierzulande etablierte.

"Pallium", der Mantel

Im Wort Palliativmedizin steckt das lateinische Wort pallium, das Mantel bedeutet. Sich wie ein Mantel an den kranken Menschen anschmiegen, ihm Wärme und Geborgenheit geben, darauf zielt diese medizinische Disziplin ab. Als Gründungsfigur dieser medizinischen Bewegung gilt Cicely Saunders, die 1967 in London das St. Christopher’s Hospice gründete. Es gebe, betonte die Krankenschwester, noch viel zu tun, wenn nichts mehr getan werden könne; wenn nämlich die Krankheit des Patienten irreversibel sei und unweigerlich zum Tod führe. In einer solchen Situation gehe es nicht mehr um lebensverlängernde Maßnahmen, sondern darum, dem Sterbenden ein friedliches Abschiednehmen zu ermöglichen. Indem man ihm die Schmerzen nimmt, indem man ihm hilft, seine letzten Dinge zu erledigen, indem man einfach bei ihm ist.

Selbstbestimmung

Selbstbestimmung

Entscheidend für den behandelnden Arzt, und zwar für jeden, ist jeweils das Wohl des Patienten. Nach dem muss er sich richten – und nicht etwa danach, was er selbst für das Beste hält. In gemeinsamer Absprache legen beide Seiten das medizinische Vorgehen fest. Dazu ist der behandelnde Arzt per Gesetz verpflichtet. Denn jeder von ihm veranlasste Eingriff ist juristisch gesehen eine Körperverletzung und damit strafbar. Selbstbestimmung ist heute ein hohes Gut. Vielleicht ist sie überhaupt das Leitbild unserer Zeit. Selbst ist der Mann bzw. die Frau. Selbst will der Mensch auch über seine letzten Tage, über sein Sterben bestimmen. Der Gesetzgeber hat Möglichkeiten geschaffen, dass wir bereits dann, wenn wir noch in guter Verfassung sind, Vorsorge für den Fall treffen können, dass es einmal nicht mehr so ist. Eine Möglichkeit ist, eine Patientenverfügung zu erstellen. Eine andere, dass wir eine Person mit der Vollmacht ausstatten, uns im Fall des Falles zu vertreten – das heißt, dann an unserer Stelle und in unserem Sinn Entscheidungen zu treffen.

Der "mutmaßliche Wille"

Liegt weder eine Patientenverfügung noch eine Vollmachtserklärung vor, hat sich der behandelnde Arzt im Zweifelsfall am „mutmaßlichen Willen“ des Patienten zu orientieren. Eine naturgemäß vage Sache. Eine absolut sichere Sache ist freilich auch die Patientenverfügung nicht. Verfasst man sie zu unbestimmt, bleiben viele Fragen offen; formuliert man zu eng, trägt man der Vielfalt medizinischer Szenarien nicht Rechnung. Wer mit einer Vorsorgevollmacht ausgestattet wird, hat sich an den Werten und Wünschen des Vollmachtgebers zu orientieren. In der Theorie ist die Sache klar. Aber auch in der Praxis? Inwieweit ist es dem Bevollmächtigten möglich, immer die Sichtweise des Vollmachtgebers nachzuvollziehen? Fließen da nicht, wenngleich unbeabsichtigt, unweigerlich auch eigene Ansichten und Werte mit ein?

Was bedauern Menschen am meisten?

Ängste bleiben

Eine optimale Lösung ist mit den vorsorglichen Regelungen noch nicht gefunden – doch womöglich gibt es die auch gar nicht. Es können einfach nicht für alle möglichen Situationen Vorkehrungen getroffen werden und es lassen sich eben nicht sämtliche Ängste aus der Welt schaffen. Frieden mit seinen Feinden schließen, sich aussöhnen, vergeben, um Verzeihung bitten – gerade das kann am Lebensende wichtig sein. Palliativmediziner berichten, dass viele Sterbende erst zur Ruhe finden und sich verabschieden können, wenn sie mit sich und ihrem Umfeld ins Reine gekommen sind.

Was bedauern Menschen am meisten?

Was bedauern Menschen am Lebensende am meisten? Männer, dass sie sich zeitlebens vor allem ihrer Arbeit gewidmet und zu wenig Zeit für Familie und Freunde gehabt haben. Und Frauen, dass sie sich zu sehr um die Bedürfnisse anderer gekümmert und nicht häufig genug an ihr eigenes Glück gedacht haben. Das berichtet zumindest Bronnie Ware, die jahrelang Patienten in Sterbehospizen betreut hat, in ihrem Buch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“. Demnach gibt es also schon in jüngeren Jahren genug zu tun, um der Angst im Alter vorzubeugen, womöglich gar nicht richtig gelebt zu haben.

Buchtipp: "Phänomen Angst"

Dieses Buch gibt Anregungen und Antworten in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen Angst. Und es leistet Hilfestellung für alle Betroffenen. Es informiert über professionelle Hilfsangebote und darüber, was man für sich selbst tun kann, um den eigenen Ängsten entgegenzutreten.

Leseprobe und Buch unter www.konsument.at/angst

Aus dem Inhalt

  • Wovor fürchten sich Herr und Frau Österreicher?
  • Was macht das Wesen der Angst aus?
  • Welche Ängste begleiten uns durch das Leben?
  • Wer betreibt das Geschäft mit der Angst?
  • Warum schlägt sich Angst manchmal auf den Magen?
  • Warum kann die Angst vor Krankheit tatsächlich krank machen?
  • Wo verläuft die Grenze zwischen „normaler“ und „krankhafter“ Angst?
  • Welche Ursachen können zu einer Angststörung führen und wie kann eine Angststörung diagnostiziert werden?

256 Seiten, 19,90 € + Versand

 

 

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Antibiotika: Gefahr durch Resistenz premium

Antibiotika: Gefahr durch Resistenz

Sie sind aus der Medizin nicht wegzudenken und retten Leben. Doch unser sorgloser Umgang mit Antibiotika setzt eine der wirksamsten Waffen gegen bakterielle Infektionen aufs Spiel.

Sauerstoff für bessere Gesundheit?

Sauerstoff für bessere Gesundheit?

Verbessert die Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie die geistige Leistungsfähigkeit bei älteren Menschen, die Herzgesundheit oder hilft sie bei chronischen Krankheiten?

Gesundheits- und Krankenpflege: Fehler vermeiden

Gesundheits- und Krankenpflege: Fehler vermeiden

Immer mehr Menschen brauchen Pflege. Vielfach wird diese durch pflegende Angehörige oder professionelle Pflegekräfte geleistet. Dabei gilt es, die Pflegemaßnahmen sorgfältig auszuwählen.

Legasthenie: Lese-Rechtschreib-Schwäche

Legasthenie: Lese-Rechtschreib-Schwäche

Menschen mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche sind oft dem Gespött ausgeliefert. Die Lernhilfe zielt auf einen sicheren Umgang mit der Schriftsprache ab - und den Aufbau eines gesunden Selbstvertrauens.

Gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang