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Nachbarschaftsärger - Hilfe, es stinkt!

Üble Gerüche sind nach Lärmbelästigung der häufigste Grund für Konflikte. Gesetzliche Regelungen sind sehr allgemein gehalten, im konkreten Fall kommt es immer auf die näheren Umstände an.

Üble Gerüche sind nach Lärmbelästigung der häufigste Grund für Konflikte. (Bild: Krankenimages)Gerüche spielen im Leben eine große Rolle. Der Geruchssinn ist immer aktiv. Geruchseindrücke lösen daher unwillkürlich Reaktionen aus und geben uns Auskunft über den Zustand von Nahrung und der Umwelt. Als angenehm empfundene Gerüche wirken anregend und steigern unser Wohlbefinden, unangenehme verschlechtern es. Sie können belästigend wirken und – je nach Stärke und Ausprägung – Abwehr und Fluchtreaktionen auslösen. Orte, an denen es stinkt, verlässt daher jeder, so rasch er kann. Was aber tun, wenn es beim Nachbarn nebenan besonders übel riecht. Wer packt schon als Mieter oder Eigentümer deswegen sofort seine Sachen und zieht weg?

Sensible Nasen

Gestank wird – ähnlich wie Lärm – individuell sehr unterschiedlich wahrgenommen. Dennoch lassen sich Kriterien für die Beurteilung von Gerüchen aufstellen. Dazu zählen beispielsweise Ort, Zeit, Häufigkeit und Dauer des Auftretens. Weiters kommt es auf die Intensität, das soziale Umfeld und auch auf die Akzeptanz durch die Betroffenen an.

Gerüche vergleichen

Die Intensität von Gerüchen lässt sich vergleichen, wenn man Emissionen misst. Einschlägige Größe für die physiologische Wahrnehmung ist die Europäische Geruchseinheit. Um Gestank festzustellen, kommt in der Regel die Olfaktometrie zur Anwendung, also die Messung der Reaktion von geschulten Prüfpersonen auf Gerüche. Dafür wird einer Gruppe von üblicherweise vier Personen eine Geruchsprobe, stufenweise verdünnt mit geruchsfreier Luft, zugeführt und so die Geruchsschwelle ermittelt. Die Geruchsschwelle bestimmt, ab welcher Intensität ein Stoff olfaktorisch wahrgenommen wird. Wenn Zeugen die Geruchsbelästigung bestätigen, ist unter Umständen eine Messung nicht erforderlich.

Entscheidende Kriterien

Laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte schützt das Recht auf Achtung der Wohnung nicht nur vor physischen Eingriffen wie etwa unbefugtem Betreten, sondern auch vor Einwirkungen wie Lärm, Emissionen oder Gestank. Eine solche Einwirkung kann eine Verletzung des Rechts auf Achtung der Wohnung begründen, wenn sie die betroffene Person daran hindert, die Annehmlichkeiten ihres Heims zu genießen. Im Unterschied zu Deutschland haben Mieter in Österreich schlechte Karten bezüglich einer Mietminderung wegen Gestanks.

In Österreich kommt eine Klage (auf Unterlassung der Geruchsbelästigung) gegen den Nachbarn, von dessen Wohnung oder Grundstück die Beeinträchtigung ausgeht, insbesondere dann infrage, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die Geruchsbelästigung muss das ortsübliche Maß überschreiten und... 
  • ...gleichzeitig die normale Benutzung des Grundstücks (der Wohnung) wesentlich beeinträchtigen.

Ortsunüblich und unzumutbar

Um zivilrechtlich gegen die Geruchsbelästigung vorgehen zu können, muss sie ortsunüblich und unzumutbar sein. Was als ortsüblich gilt, kann sich auch je nach Bezirk innerhalb einer Stadt unterscheiden. Das heißt: Nur wenn die Belästigung das ortsübliche Maß (z.B. in der Innenstadt) überschreitet, ist zu prüfen, ob die Benutzung des betroffenen Objekts wesentlich beeinträchtigt wird. Dabei werden – wie bei Lärm – besondere Empfindlichkeiten von Nachbarn nicht berücksichtigt, sondern es kommt auf das Empfinden eines „Durchschnittsmenschen“ im von der Einwirkung betroffenen Gebiet an.

Eine einmalige Geruchsbelästigung ohne Wiederholungsgefahr und ohne länger anhaltende Auswirkungen wird in der Regel nicht genügen, um einen Unterlassungsanspruch zu begründen. Intensität, Häufigkeit und Dauer der Geruchsbeeinträchtigung sind für die Beurteilung, ob Wesentlichkeit gegeben ist, von entscheidender Bedeutung.

Düngen, Grillen, Kochen, Rauchen am Balkon

Ländliche Gerüche

In ländlichen Gegenden, in denen Landwirtschaft betrieben wird, gelten andere ortsübliche Maßstäbe als etwa im urbanen Raum. Düngt ein benachbarter Bauer seine Felder, kann sich wohl niemand über den dabei entstehenden Geruch beschweren, da das Grundstück bestimmungsgemäß und demnach ortsüblich genutzt wird. Das Ausbringen von Gülle und dergleichen ist zudem von den sonst strengen Vorschriften des Wasser- und Abfallrechts ausgenommen. Den stinkenden Komposthaufen ausgerechnet an der Grundstücksgrenze muss man sich allerdings nicht unbedingt gefallen lassen.

Üble Gerüche sind nach Lärmbelästigung der häufigste Grund für Konflikte. (Bild: Krankenimages)Ebenso verhält es sich bei Betrieben: Davon ausgehende Emissionen sind oftmals von behördlicher Seite genehmigt. Dann kann – wegen lästigen Gerüchen – nur vorgegangen werden, wenn genehmigten Grenzwerte überschritten werden.

Grillen und Kochen

Im eigenen Garten kann man dem Grillvergnügen frönen, solange das Grillen „fachmännisch“ ausgeübt wird (Verwendung von Grillkohle, geeignete Grillvorrichtung). Es gibt kein Gesetz, das Grillen auf Balkon, Terrasse oder im Garten generell verbietet und es ist prinzipiell Sache jedes Einzelnen, zu entscheiden, wie er seine Speisen zubereitet. Problematisch ist jedoch der beim Grillen entstehende Geruch und Qualm, kurz Immissionen genannt.

Nach den Vorschriften des ABGB muss der Nachbar sie dulden, wenn sie ihn nur unwesentlich beeinträchtigen. Eine Beeinträchtigung ist in der Regel unwesentlich, wenn Grenzwerte in Gesetzen, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften nicht überschritten werden. Da jedoch oft in den Immissionsschutzgesetzen keine Grenzwerte festgeschrieben sind, kommt es auf den jeweiligen Richter und auf die Umstände des Einzelfalles an. Was in einem großen Garten gestattet ist, kann auf einer kleinen Terrasse oder auf einem Balkon unzulässig sein – insbesondere, wenn gar täglich gegrillt wird.

Grenzen der Toleranz

Es gibt wie bereits erwähnt kein Gesetz, das ein Grillen auf Balkonen und Terrassen generell verbietet. Im Mietvertrag kann es aber untersagt sein. Auch die Hausordnung kann es gänzlich verbieten oder festlegen, wann und wo Grillen erlaubt ist. Sie gilt natürlich auch für Wohnungseigentümer. Unklar ist, ob Nachbarn es als typische Folge der Wohnungsnutzung tolerieren müssen, wenn sich beim Kochen im Treppenhaus intensive Gerüche verbreiten. Grenzen der Toleranz könnten sowohl faktisch begründet sein, wenn beispielsweise die Geruchsbelästigung erheblich ist, oder juristisch, wenn die Hausordnung verbietet, dass etwa mehr als vier Mal im Jahr in der Nacht gegrillt wird. Soll bei der Grillparty nichts schiefgehen, empfiehlt es sich schon aus nachbarschaftlicher Rücksichtnahme, die Party den Nachbarn anzukündigen (oder sie einzuladen).

Rauchen am Balkon

Es ist ein klassischer Interessenkonflikt: In Wohnungen gilt die Freiheit der Lebensführung, dazu gehört auch Rauchen auf dem Balkon. Andererseits besitzt der Nachbar ein Recht auf Gesundheit. Die Gerichte entscheiden salomonisch nach dem Prinzip: Ein Mieter darf grundsätzlich auf seinem Balkon rauchen, allerdings nur, wenn die Nachbarn nicht erheblich beeinträchtigt werden. Entscheidend ist also, ob der auf den Balkon und in die Wohnung des Nichtrauchers (ein-)dringende Zigarettenrauch eine wesentliche Beeinträchtigung des ortsüblichen Gebrauchs dieser Wohnung bewirkt.

Das Maß des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen ist nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen. Als zulässig erachtete der Oberste Gerichtshof Rauch- und Geruchsimmissionen, die durch das Rauchen von Zigaretten bei offenem Fenster, auf dem Balkon oder bei Lüftung ins Freie entstehen, in folgenden Zeiträumen:

  • vom 1. Mai bis 31. Oktober jeden Jahres von 6:00 bis 8:00 Uhr, 10:00 bis 12:00 Uhr, 15:00 bis 18:00 und 20:00 bis 22:00 Uhr
  • vom 1. November bis 30. April jeden Jahres von 9:00 bis 13:00 Uhr, 14:00 bis 19:00 und 20:00 bis 8:00 Uhr.  

Reden statt streiten

Nachbarschaftsstreitigkeiten können lange dauern, und das kann teuer werden.

Wer behauptet, dass es stinkt, muss auch beweisen, dass es tatsächlich stinkt und wie störend der Gestank ist. Zeugen können nötig sein – sie haben aber oft eine im Vergleich zum (teuren) Sachverständigengutachten schwächere Beweiskraft.

Bevor daher ein Fall bei Gericht landet, sollte versucht werden, den Streit (eventuell mithilfe eines Mediators) durch ein klärendes Gespräch beizulegen und eine (klare) Vereinbarung zu treffen.

Buchtipp: "Wenn Nachbarn nerven"

Nachbarschaftskonflikte können die Lebensqualität erheblich einschränken. Ob Musik, Kinderlärm, Grillgerüche oder Tierhaltung: Was ist zumutbar – was nicht? Unser Buch erläutert anhand von zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung, wogegen Sie sich wehren können und gibt Tipps für den Streitfall.

www.konsument.at/nachbarn

Aus dem Inhalt

  • Lärm: Feiern, Musik, Kinder, Baulärm
  • Geruch: Grillrauch, Abfall, Gewerbebetriebe
  • Garten: Licht, Bäume, Zäune
  • Tierhaltung: Haustiere, Nutztiere, Wildtiere
  • Streitfall: Rechtsweg und Schlichtung

196 Seiten, 16,90 € + Versand

 Wenn Nachbarn nerven

 

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